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Startschuss für die größte Freihandelszone der Welt

„Die panafrikanische Freihandelszone ist ein positives Signal für die Wirtschaft“, meint Joachim Lang, Hauptgeschäftsführer des BDI. Sie erleichtert langfristig Investitionen und Handel deutscher Unternehmen mit den über 50 afrikanischen Ländern. „Bisher ist eine Hürde für deutsche Unternehmen die geringe Größe von einzelnen afrikanischen Märkten bei zugleich fehlender regionaler Integration“, so Lang weiter.

Auf unserem afrikanischen Nachbarkontinent entsteht die größte Freihandelszone der Welt. Nach dem Vorbild der Europäischen Union (EU) soll langfristig ein gemeinsamer Binnenmarkt geschaffen werden. Dies ist ein historischer Moment für den afrikanischen Kontinent. Beim Gipfeltreffen der Afrikanischen Union (AU) im Juli 2019 in Niamey (Niger) fiel der Startschuss zur Umsetzung des afrikanischen Freihandelsabkommens AfCFTA (African Continental Free Trade Area).

Integration der Märkte birgt riesiges Potenzial

Der BDI begrüßt die afrikanische Freihandelszone, die großes wirtschaftliches Potenzial entfalten kann. Das Abkommen umfasst insgesamt 1,2 Milliarden Menschen und könnte einem gemeinsamen Bruttoinlandsprodukt (BIP) von über zwei Billionen Euro schaffen. Bis 2022 sollen alle Zölle auf Dienstleistungen und 90 Prozent der Produktzölle auf dem Kontinent wegfallen. Afrikas BIP könnte um ein Prozent, die Gesamtbeschäftigung um 1,2 Prozent pro Jahr steigen. Die neue Freihandelszone könnte den innerafrikanischen Handel bis zum Jahr 2040 um 15 bis 25 Prozent steigern, so Lang.

„Wir gehen davon aus, dass die Freihandelszone für eine nachhaltige Belebung der afrikanischen Wirtschaft sorgen wird“, sagt Heike Bergmann, Senior Vice President Sales Africa bei Voith Hydro. „Wir versprechen uns von den Handelserleichterungen Vereinfachungen im täglichen Geschäft, zum Beispiel durch den Wegfall von Zöllen und den Abbau von Bürokratie“, so Bergmann weiter.

Auch der ostafrikanische Wirtschaftsverband East African Business Council (EABC) bewertet das neue Abkommen positiv. Durch die Freihandelszone wird der Kontinent für Investitionen sowohl innerhalb als auch außerhalb des Kontinents viel attraktiver. Diese sind notwendig, um das Wirtschaftswachstum zu erhalten und Arbeitsplätze zu schaffen. Das AfCFTA fördert die Vision des Panafrikanismus“, sagte Peter Mathuki, Geschäftsführer des EABC.

Der Afrikaexperte Helmut Asche meint: Das Projekt hat strategische Bedeutung. Bisher finden nur zwölf Prozent des Handels im Innern des afrikanischen Kontinents statt. Dabei stellen die afrikanischen Staaten untereinander teilweise höhere Zölle in Rechnung als Drittstaaten, so Asche weiter. Die Freihandelszone könnte nun Abhilfe schaffen.

Inzwischen haben alle afrikanischen Regierungen (bis auf Eritrea) das Freihandelsabkommen unterschrieben – 27 haben es ratifiziert. Auch Afrikas leistungsstärkste Volkswirtschaft, Nigeria, die bislang dem Abkommen kritisch gegenüberstand, unterschrieb nur wenige Stunden vor dem AU-Gipfeltreffen in Niamey. Als ständigen Sitz des Sekretariats der Freihandelszone wurde Ghana ausgewählt.

Herausforderungen bei der Umsetzung 

Auch das Unternehmen Robert Bosch GmbH befürwortet ausdrücklich die rasche Implementierung der afrikanischen Freihandelszone. Das Abkommen ist nicht nur das Größte seit Gründung der Welthandelsorganisation WTO im Jahr 1994, sondern auch der bedeutendste Schritt zur wirtschaftlichen Integration Afrikas. Das Abschaffen von Zöllen und anderen Handelsbarrieren wird dazu beitragen, mittel- und langfristig große lokale Absatzmärkte zu schaffen, um lokale Produktion und damit auch industrielle Arbeitsplätze wirtschaftlich zu ermöglichen. Der Erfolg wird vom politischen Willen, Disziplin in der Umsetzung und aktivem Management von Interessenskonflikten, die sicher während der Implementierung aufkommen, abhängen“, so Markus Thill, Präsident mit Zuständigkeit für die Region Afrika bei Bosch.

Ein schnelles, neues Freihandelsabkommen mit Afrika als eine Region ist zwar wünschenswert, die Erfahrung mit der Integration von Regionalgemeinschaften hat aber gezeigt, dass diese häufig komplizierter ist als angenommen. Der Markt der Ostafrikanischen Gemeinschaft (East African Community, EAC) beispielsweise hat auf dem Papier einen gemeinsamen Außenzoll. Tatsächlich entstehen aber immer wieder neue nicht-tarifäre Handelshemmnisse. Auch neue Zölle werden von Regierungen erhoben, um kurzfristig Märkte zu schützen, wie zwischen Tansania und Kenia. Deshalb wird es voraussichtliche noch mehrere Jahre dauern, bis eine tatsächliche afrikanische Freihandelszone entstanden ist.

EU setzt verstärkt auf Wirtschaftsintegration in Afrika

Auch die Europäische Kommission hat das große Potenzial einer kontinentalen Freihandelszone in Afrika erkannt. Mit der im September 2018 verkündeten Afrika-Europa-Allianz erklärte die EU Wirtschaftsintegration zu einem ihrer fünf Prioritäten und erhöhte die Förderung für Wirtschaftsintegration und Handel von sieben Millionen Euro (2014 bis 2017) auf 50 Millionen Euro (2018 bis 2020).

Im nächsten Schritt könnte ein umfassendes interkontinentales Freihandelsabkommen zwischen der EU und Afrika angegangen werden. Dieses langfristige Ziel macht die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (Economic Partnership Agreements, EPAs) zwischen der EU und Afrika jedoch nicht überflüssig. Vielmehr fördern die EPAs den freien Handel innerhalb der afrikanischen Regionen und mit der EU. Sie erhöhen die Attraktivität afrikanischer Märkte für europäische und deutsche Unternehmen und setzen damit Anreize, dringend benötigter Arbeitsplätze auf dem afrikanischen Kontinent zu schaffen. Der BDI setzt sich daher weiterhin für ihre Implementierung ein.

Hinzu kommt, dass sich bereits die Verhandlungen der EPAs über zwölf Jahre hingezogen haben und es fraglich ist, ob ein neues Abkommen mit deutlich mehr afrikanischen Akteuren in naher Zukunft verhandelbar ist. Dieses Vorhaben sollte deshalb erst als nächster Schritt nach der Ratifizierung der EPAs angegangen werden. Die EPAs sollten dabei als wichtige Bausteine für den kontinentalen Freihandel in Afrika genutzt werden. Dies hätte den Vorteil, dass die Erfahrungen der EPAs in das neue Abkommen einfließen können.