Steigende Energiekosten setzen Mittelstand unter Druck
Eine BDI-Umfrage Anfang Februar 2022 unter mehr als 400 mittelständischen Unternehmen zeigt: Die dramatische Entwicklung der Energiekosten fordert unternehmerisch am stärksten heraus.
Explosionsartige Preissprünge bei Strom und Gas setzen gerade mittelständische Unternehmen unter Druck. Sie können die gestiegenen Energiepreise kaum an Kunden oder Verbraucher weitergeben. Kein Wunder, wenn etwa neun von zehn Unternehmen die gestiegenen Energiepreise als starke oder existenzielle Herausforderung bewerten – und das bereits vor Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine.
Unternehmen in Deutschland müssen sich schon lange in einem Hochstrompreis-Land bewähren. Grund ist der im internationalen Vergleich hohe staatliche Anteil am Strompreis. In der aktuellen Marktsituation belasten die Abgaben und Umlagen die Unternehmen überproportional. Einige Mittelständler sehen sich gezwungen, Produktionslinien am Standort Deutschland vorübergehend stillzulegen. Diverse Unternehmen berichten Anfang 2022 zudem von spekulativen Praktiken ihrer Energiehändler, welche die Energieversorgung zusätzlich gefährden. Kommt es zum Neuvertragsstopp oder Insolvenz des Energieversorgers, müssen betroffene Unternehmen an Spotmärkten zu unverhältnismäßig teuren Preisen einkaufen, um ihren Betrieb am Laufen zu halten. Dabei bleibt kaum finanzieller Spielraum für Investitionen in die Transformation zur Klimaneutralität: Die Kostenentwicklung zwingt rund ein Drittel der Unternehmen, Investitionen in diesem Bereich zurückzustellen.
Abschied aus Deutschland – schleichende Realität?
Die enormen Energiekosten in Kombination mit geringer Planungssicherheit treiben unternehmerische Investitionen verstärkt ins wettbewerbsfähigere Ausland. So denkt mehr als jedes vierte Unternehmen im Februar 2022 darüber nach oder ist bereits dabei, Unternehmensanteile oder Teile der Produktion ins Ausland zu verlagern. Eine gesamte Verlagerung des Unternehmenssitzes erwägen sogar sechs Prozent. Hier gilt es, gegenzusteuern. Verlassen selbst standorttreue Mittelständler ihre Heimatregion, gehen Arbeits- und Ausbildungsplätze verloren, sinken Einkommen und Steuereinnahmen. Mittel- bis langfristig zerschleißt dies das wirtschaftliche Fundament der Gesellschaft und eine Erfolgsbedingung der sozialen Markwirtschaft geht verloren.
Politik muss für gezielte Entlastungen sorgen
Drei von vier Mittelständlern fordern, Energiehändler stärker in die Pflicht zu nehmen. Spekulative Leerverkäufe sind zu verhindern, indem Händler die angebotene Energie frühzeitig selbst beschaffen müssen. Händler könnten zudem dazu verpflichtet werden, einen Absicherungsmechanismus zu bilden, um Ausfälle zu vermeiden.
Gerade Strom sollte im Vergleich zu fossilen Energieträgern möglichst günstig sein. Es gilt, die staatlichen Belastungen des Strompreises schneller als geplant abzubauen. In diesem Sinne fordert BDI-Präsident Siegfried Russwurm: „Eine umfassende Absenkung der Belastungen auf Energie ist eine schnell wirkende Sofortmaßnahme. Weniger Last befreit Unternehmen von Bürokratie, schafft Planungssicherheit und verbessert die Standortqualität im internationalen Vergleich.“
Die vorgezogene Abschaffung der EEG-Umlage ist richtig, reicht aber nicht. Anzusetzen ist auch bei der Stromsteuer und den Netzentgelten. Unternehmen brauchen kurzfristig wieder mehr finanziellen Spielraum für dringend notwendige Investitionen. Die im Koalitionsvertrag angekündigte Superabschreibung für Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung könnte hier entscheidend entlasten.
Um nicht zuletzt den Ausbau der Erneuerbaren Energien zügig voranzutreiben, müssen Planungs- und Genehmigungsverfahren, etwa für Windenergie- und Photovoltaikanlagen, deutlich schneller und unbürokratischer werden. Hier braucht es nicht weniger als eine fundamentale Reform.