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Strategische Rohstoffe, strategische Partnerschaften: Europas Sicherheit braucht Afrika
Die letzten Monate fühlen sich wie ein Film in doppelter Geschwindigkeit an. Seit dem Amtsantritt von Donald Trump haben die USA die NATO, die Unterstützung der Ukraine und das transatlantische Bündnis im Allgemeinen infrage gestellt. Die EU wird zunehmend als Gegner statt als Partner gesehen. In Deutschland wuchs über Nacht die Erkenntnis: Wir müssen jetzt auf eigenen Füßen stehen - “whatever it takes”. Die von der Schuldenbremse ausgenommenen Ausgaben für die Bundeswehr sind Ausdruck einer sicherheitspolitischen 180-Grad-Wende, die der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands oberste Priorität einräumt.
Eine glaubwürdige Abschreckung erfordert die substanzielle Ausweitung der Rüstungsproduktion, wie es NATO-Generalsekretär Mark Rutte unermüdlich fordert. Dies wird unweigerlich auch zu Bedarfssteigerungen von militärrelevanten kritischen Rohstoffen führen. Dazu zählen etwa Gallium für Radar- und Nachtsichtgeräte, Grafit für Drohnenbatterien oder Palladium für Halbleiter in modernen Waffensystemen. Viele dieser Rohstoffe bezieht Europa nach wie vor überwiegend aus China.
Ende 2024 veröffentlichte die NATO erstmalig eine Liste von zwölf verteidigungskritischen Rohstoffen – mit dem Ziel auf existierende Abhängigkeiten aufmerksam zu machen. Auffällig dabei: Viele dieser Rohstoffe kommen in erheblichem Umfang in afrikanischen Staaten wie Guinea, Südafrika oder der Demokratischen Republik Kongo vor. Bei mindestens fünf davon verfügen diese Länder sogar über die größten bekannten Reserven weltweit. Ein direkter Bezug aus Afrika kann daher maßgeblich zur Versorgungssicherheit der europäischen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie beitragen.
Verteidigungskritische Rohstoffe laut NATO mit größten Reserven in Afrika (zzgl. Land mit größten Reserven):
- Aluminium (Guinea)
- Gallium (Guinea)
- Platinmetalle (Südafrika)
- Mangan (Südafrika)
- Kobalt (Demokratische Republik Kongo)
Industrialisierung gegen Rohstoffe?
Afrikas Rolle in der globalen Wertschöpfungskette ist bislang weitgehend auf den Export von un- oder halbverarbeiteten Rohstoffen beschränkt. Dies schafft kaum lokale Arbeitsplätze und führt dazu, dass ein Großteil der Wertschöpfung ins Ausland – vor allem nach China – verlagert wird. Umso wichtiger ist ein stärkeres europäisches Engagement im afrikanischen Rohstoffsektor: Wenn europäische Staaten und Industrieunternehmen in die Weiterverarbeitung vor Ort investieren und zeitgleich über Offtake-Agreements Anteile der zukünftigen Produktion sichern, entsteht ein partnerschaftlicher Nutzen für beide Seiten.
Ein stärkeres europäisches Engagement im afrikanischen Rohstoffsektor ist unverzichtbar - jedoch nicht trivial. Chinesische Unternehmen kontrollierten 2020 bereits 15 von 19 Kobaltminen in der Demokratischen Republik Kongo. Über Jahre hat sich China durch massive Investitionen in Infrastruktur, Kredite und Handelsabkommen bevorzugten Zugang zu kritischen Rohstoffen gesichert. Die Volksrepublik agiert dabei oft mit einer Geschwindigkeit und Flexibilität, die europäische Unternehmen und Institutionen angesichts komplexer Regulierung kaum erreichen. Chinesische Unternehmen können aggressiv im kapitalintensiven Rohstoffsektor vorgehen, weil der chinesische Staat als „Risk bearer“ auftritt, er kann Verluste verkraften und unterliegt nicht denselben betriebswirtschaftlichen Zwängen wie marktwirtschaftlich geführte Unternehmen.
Das Vakuum nutzen, das Trump hinterlässt
Wegen der chinesischen Dominanz wird ein alleiniges Vorgehen des europäischen Privatsektors kaum erfolgreich sein. Es braucht den Schulterschluss mit der Politik. EU-Initiativen in Afrika wie Global Gateway brauchen einen stärkeren rohstoffpolitischen Fokus und müssen sich stärker an den Bedürfnissen des europäischen Privatsektor orientieren. Hürden, die privates Engagement verhindern, müssen abgebaut werden.
Gleichzeitig ist der Zeitpunkt für eine engere Partnerschaft mit afrikanischen Partnerländern günstig. Mit der Abwicklung von USAID und dem plötzlichen Stopp von Hilfezahlungen sowie der Abkehr von der Welthandelsordnung durch weltweite Strafzölle haben die USA auf dem afrikanischen Kontinent erheblich an Vertrauen verloren. Europa kann nun seine Verlässlichkeit unter Beweis stellen. Ambivalente Partner wie Südafrika rücken bereits näher an die EU heran. Die Union sollte das Momentum nutzen - mit attraktiven Angeboten, die die afrikanische Weiterverarbeitungsindustrie von Rohstoffen stärken und gleichzeitig Europas Verteidigungsfähigkeit absichern. Denn bis 2028 bleibt nicht mehr viel Zeit.