TDI | Kurz-Interview: 3 Fragen an Patrick Wendeler

Die vergangenen Jahre waren sowohl von Ambition in der Klimapolitik als auch von Disruption des Energiesystems geprägt. Welche Schlussfolgerungen ergeben sich daraus für die Zukunft?

Es steht viel auf dem Spiel. Energiesystem und Industrie müssen sich wandeln, um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. Gleichzeitig müssen wir die Energiesicherheit im Blick behalten. Die vergangenen Jahre haben uns gezeigt: Unser Energiesystem ist verwundbar, es resilienter aufzustellen eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Es braucht daher beides: Ein beherztes Anpacken, um neue, emissionsärmere Technologien zu skalieren und gleichzeitig einen robusten Ansatz, um unsere Energieversorgung auf dem Weg hin zu Net Zero jederzeit aufrechtzuerhalten. Bei bp nennen wir diesen Ansatz „Und, nicht oder“. Diesen wollen wir gemeinsam mit der europäischen Industrie und Politik vorantreiben.
 

2024 ist ein europäisches Superwahljahr, gleichzeitig wirft die Bundestagswahl 2025 ihren Schatten voraus. Was wünschen Sie sich von einem zukünftigen Wirtschaftsplan für Europa und Deutschland? Welche politischen Weichenstellungen halten Sie für notwendig, um die Energiewende voranzutreiben?

Für das Gelingen der Energiewende sind zwei Dinge entscheidend: Emissionsarme Technologien und ein Umfeld, das den wirtschaftlichen Hochlauf dieser Technologien ermöglicht. Die Technologien haben wir – bei den Rahmenbedingungen sehe ich noch Luft nach oben. Gerade in Deutschland gibt es leider noch zu viele starre Regelungen, die zwar im Sinne der Nachhaltigkeit gedacht waren, in ihrer Umsetzung jedoch nicht zum Ziel führen. Ein Beispiel ist das Co-Processing: Bei diesem Prozess werden den konventionellen Kraftstoffen biogene Rohstoffe beigemischt. Dadurch werden diese insgesamt zu nachhaltigeren Kraftstoffen. Während wir bereits seit 2022 durch Co-Processing nachhaltigeren Flugkraftstoff in unserer Raffinerie in Lingen herstellen, verhindern bestehende Regularien die Anrechnung der Nutzung auf die Treibhausgas-Quoten unserer Kunden. Die Folge: Der nachhaltigere Kraftstoff wird in Deutschland nicht verkauft, weil sich der höhere Preis ohne eine solche Anrechnung für unsere Kunden schlicht nicht rechnet. 

Die USA hingegen machen mit dem Inflation Reduction Act vor, wie ein innovationsförderndes Umfeld geschaffen werden kann: Mit klaren Anreizen, die die notwendigen Investitionen in emissionsärmere Technologien mobilisieren, und Rahmenbedingungen, die Unternehmen dabei ihren marktwirtschaftlichen Freiraum ermöglichen.
 

Konkret im Verkehrssektor wird das energie- und klimapolitische Potenzial noch nicht ausgeschöpft. Wie bewerten Sie den Status der Verkehrswende, und was muss getan werden, um das Potential freizusetzen?

Nehmen wir den Ausbau der Ladeinfrastruktur. Mit unserer Marke Aral pulse bauen wir deutschlandweit eines der größten Schnellladenetze auf und aus. Doch viel zu oft bremsen uns bürokratische Prozesse aus: Der öffentliche Netzanschluss kommt vielerorts nicht hinterher, die Genehmigungsprozesse für Transformatoren – ohne die keine Ultraschnellladesäule betrieben werden kann – sind komplex und von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Hinzu kommen Regelungen, die an der Nachfrage vorbeigehen, wie die Versorgungsauflage zur Errichtung einer Ladesäule an jeder einzelnen Tankstelle – unabhängig vom Bedarf der Kunden. Statt solcher vom Staat geplanten Maßnahmen plädieren wir für gezielte Investitionsanreize und den unternehmerischen Freiraum, neue Technologien entlang der Nachfrage in die Fläche zu tragen. Wenn Politik und Industrie hier pragmatisch zusammenarbeiten, bin ich überzeugt, dass wir unser Potenzial für die Mobilitätswende freisetzen können!