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Transformationspfade-Studie ist ein deutlicher Weckruf an die Politik

Die Studie rüttelt auf: 20 Prozent der deutschen Industrie sind akut gefährdet, wenn nicht gegengesteuert wird. Um wieder auf Wachstumskurs und auf Zielkurs bei der Klimatransformation zu kommen, müssen bis 2030 1,4 Billionen Euro zusätzlich investiert werden. Was daraus folgen muss, wird beim BDI-Klimakongress am 15. Oktober im Futurium in Berlin mit Politik, Wirtschaft und Wissenschaft diskutiert.

 

Die vom BDI beauftragte Studie Transformationspfade für das Industrieland Deutschland (bdi.eu) wurde gemeinsam mit der Boston Consulting Group (BCG) und dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) erarbeitet und von den drei Partnern auf einer Pressekonferenz am 10. September veröffentlicht. Die Vorstellung der  Studie hat ein großes Presseecho gefunden, in zahlreichen Zeitungen wie dem Handelsblatt, in Onlinemedien, bei englischsprachigen Medien wie Reuters oder auch in der Tagesschau.

Anknüpfend an die Studie hat der BDI politische Handlungsempfehlungen erarbeitet, die ebenfalls am 10. September veröffentlicht wurden). Mit ihnen wendet sich der BDI an politische Entscheider mit konkreten Vorschlägen, wie Deutschland wieder auf Wachstumskurs und auf Zielkurs bei der Klimatransformation gebracht werden kann.

Fokus Transformation: Der BDI-Klimakongress am 15. Oktober

Beim Klimakongress: Transformationspfade in die Zukunft | BDI  am 15. Oktober werden die Autoren von BCG und IW die Studie präsentieren und näher erläutern. Anschließend kommentieren verschiedene BDI-Mitgliedsverbände die Ergebnisse aus der Sicht ihrer jeweiligen Branche. Vor allem aber werden dann Vertreter der Politik Stellung nehmen und zum weiteren Vorgehen diskutieren. Mit dabei sind u.a. die Bundesminister Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) und Geywitz (SPD), Staatsekretär Luksic (FDP) aus dem Bundesverkehrsministerium sowie Jens Spahn für die CDU/CSU.

Die Bestandsaufnahme ist ernst, erkennt aber auch neue Chancen

Die deutsche Industrie ist mit einem Fünftel der gesamten deutschen Bruttowertschöpfung (mit den Industriedienstleistern sogar fast ein Drittel) und rund 16 Prozent der Erwerbstätigen eine wesentliche Säule des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Der Standort fällt allerdings strukturell zurück, zwei Drittel der Standortindikatoren liegen hinter denen der internationalen Wettbewerber. Rund 20 Prozent der deutschen Industriewertschöpfung sind mittlerweile gefährdet, v.a. durch hohe Energiekosten sowie sinkenden Marktanteilen infolge von technologischem Wandel.

Auf der anderen Seite aber eröffnen fundamentale globale Trends Deutschland auch neue Wachstumschancen. Hierzu zählen u.a. die Klimatransformation, die Digitalisierung oder auch Innovationen im Gesundheitssektor, die in den nächsten Jahren neue globale Milliardenmärkte entstehen lassen. Um seine immer noch gute Ausgangssituation tatsächlich in Wachstum zu übersetzen, sollte Deutschland daher den Aufbau industrieller Wertschöpfung politisch proaktiver begleiten.

Ein besonderer Wert der Studie liegt in der sehr genauen Analyse der industriellen Wertschöpfungsketten und der engen Vernetzung der Branchen am Standort Deutschland miteinander. Diese Vorteile des gewachsenen Industrieclusters sind in strukturellen Umbruchsituationen zugleich eine Herausforderung. Deutlich wird dabei, dass es kaum möglich ist, einzelne Glieder der Wertschöpfungskette gefahrlos einfach herauszulösen, sondern gute Wirtschaftspolitik die Standortbedingungen insgesamt verbessern muss und der Erhalt kritischer Wertschöpfungsteile z.T. besondere Maßnahmen erfordert.

15 konkrete Handlungsfelder

Die Studie nennt 15 Handlungsfelder, um den Standort Deutschland wieder wettbewerbsfähig zu machen, die industrielle Basis zu sichern und neues Wachstum zu beschleunigen. Beispielhaft genannt seien etwa die Energiepreise, eine erfolgreiche Molekülwende, eine nationale Infrastrukturoffensive oder auch ein Abbau der Bürokratie. Weitere Handlungsfelder sind die Kreislaufwirtschaft, der Start einer Gebäude-Sanierungswelle oder die Förderung von Zukunftstechnologien. Die Studie und ebenso auch die BDI-Handlungsempfehlungen gehen auf diese 15 Bereiche detailliert ein und beschreiben konkrete Handlungsoptionen.

Ein Großteil der Investitionen muss privat gestemmt werden

Die Transformationspfade für Deutschland fordern Mut für strukturelle Reformen; und sie erfordern finanzpolitische Weichenstellungen in einer Vielzahl von Feldern. So sind einerseits Mehrausgaben erforderlich für die Stärkung der öffentlichen Investitionstätigkeit und die Förderung der privaten Investitionstätigkeit in den Bereichen Infrastruktur, Bildung und Wohnen, für Klimaschutz und Transformation sowie für die Resilienz. Zur Stärkung der Transformation des Standorts sind zudem auch höhere Investitionen für Innovation und Digitalisierung geboten.

Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse sollte nicht – als vermeintlich einfachste Lösung – abgeschafft oder aufgeweicht werden. Vielmehr muss die Politik Ausgaben konsequenter als bislang priorisieren und zudem Gelder effizienter einsetzen. Erst nachdem diese Potenziale adressiert wurden, wird darüber hinaus für klar definierte Zwecke auch die Bildung von Sondervermögen genutzt werden müssen, um die notwendigen Investitionen zu ermöglichen.

Die Größe der Finanzierungs-Aufgabe wird deutlich aus den beiden folgenden Aussagen der Studie: Rund zwei Drittel der notwendigen Investitionen müssen privat finanziert werden. Und die regulatorischen Rahmenbedingungen, die für die Mobilisierung privater Investitionen erforderlich sind, sind noch nicht annähernd in allen Sektoren gegeben: Mehr als vier Fünftel der erforderlichen Investitionsanreize sind unzureichend oder nicht ausreichend gesichert. Die bis 2030 erforderliche Investitionssumme von insgesamt 1,4 Billionen Euro klingt hoch. Jedoch übersetzen sich diese in öffentliche Mehrausgaben auf Bundesebene in Höhe von 40-70 Mrd. € pro Jahr. Ein Gelingen der Transformation erscheint daher mit entsprechendem politischem Willen grundsätzlich weiterhin möglich, wenn eine entsprechende Wachstumsagenda aufgesetzt und politische Prioritäten neu gesetzt werden.