Verbände stellen Studie zum Schienengüterverkehr vor
Deutschland braucht leistungsfähigen, wettbewerbsorientierten Schienenverkehr. Dazu gehört unter anderem ein effizienter Schienengüterverkehr. Doch der Gütertransport auf der Schiene verursacht auch Lärm. Verkehr ohne Geräuschbelastung ist nicht möglich, deren weitere Minderung jedoch dringend erforderlich. Das Ziel ist klar: bis 2020 – ausgehend vom Jahr 2008 – 50 Prozent weniger Lärmbelastung im Schienenverkehr.
Zu diesem Ziel bekennt sich die Wirtschaft. Die Branche arbeitet an einer schnellen Lösung und hat sich deshalb zu einer vollständigen Lärmsanierung der Güterwagenflotte bis 2020 bekannt.
Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag niedergelegt, ordnungsrechtliche Maßnahmen wie beispielsweise Tempolimits oder Nachtfahrverbote zu prüfen, wenn nicht bereits 2016 mindestens die Hälfte der rund 180.000 in Deutschland verkehrenden Güterwagen mit lärmmindernden Bremsen umgerüstet sind.
Um die möglichen Folgen solcher ordnungspolitischen Maßnahmen besser einschätzen zu können, haben der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), die Verband der Güterwagenhalter in Deutschland (VPI) und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) eine wissenschaftliche Studie in Auftrag gegeben.
Die zentralen Ergebnisse der Studie:
- Bereits eine Geschwindigkeitsreduzierung auf 70 km/h würde zu zehn Prozent höheren Transportkosten, einer Reduzierung des Transportaufkommens um 30 Prozent und eine Beförderungszeitverlängerung von rund einem Viertel führen.
- Ein komplettes Nachtfahrverbot würde den Schienengüterverkehr in seiner Existenz bedrohen. Eine Verschiebung der Schienentransporte in den Tag ist angesichts über 90-prozentiger Auslastung vieler Trassen undenkbar. Die Verteuerung der Transporte und eine Verlängerung der Beförderungszeit hätten voraussichtlich eine massive Verlagerung von Transporten weg von der Schiene zur Folge.
Angesichts dieser für den Standort Deutschland unvertretbaren Folgen dürfen derartige politische Maßnahmen 2016 nicht in Betracht kommen. Zugleich muss der Lärmschutz ehrgeizig und rasch vorankommen, auch um die Akzeptanz des Schienengüterverkehrs zu stärken. Deshalb müssen jetzt die Lärmvermeidung an der Quelle, vor allem durch Umrüstung auf leisere Bremsen, und der Lärmschutz in gemeinsamer Verantwortung von Wirtschaft und Politik vorangetrieben werden. Dafür sind wirksame Anreizsysteme und eine angemessene Förderung entscheidend.
„Sonst macht man den Schienengüterverkehr in Deutschland kaputt. Und zwar ohne Not, denn die Branche hat längst von sich aus angeboten, den Schienenlärm im Güterverkehr innerhalb der nächsten sechs Jahre zu halbieren“, erklärte VDV-Geschäftsführer Martin Henke. „Tagsüber gibt es schlichtweg nicht genug Kapazitäten für umfangreichen zusätzlichen Gütertransport. Dann müssen entweder Personenzüge oder Güterzüge vollständig entfallen.“
„90.000 Güterwagen innerhalb von zwei Jahren umzurüsten oder zu ersetzen ist unmöglich. Weder stehen ausreichend Neubau-Kapazitäten zur Verfügung, noch sind für die Umrüstung genug Flüsterbremsen am Markt erhältlich, die Produktion der LL-Sohle läuft ja gerade erst an. Die restriktiven Vorgaben der Bundesregierung führen zu geringeren Erträgen. Durch diese fehlenden Finanzmittel wird das Umrüstungsziel im Jahr 2020 gefährdet“, sagte VPI-Geschäftsführer Jürgen Tuscher.
„Mögliche Geschwindigkeitsreduzierungen oder Nachtfahrverbote im Schienengüterverkehr 2016 wären kontraproduktiv“, warnte Dieter Schweer, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung. „Rohstoffe wie Erz oder Kohle müssen nachts auf der Schiene transportiert werden, damit sie frühmorgens pünktlich in den Produktionsstätten weiterverarbeitet werden können. Mit Fahrverboten oder Geschwindigkeitsreduzierungen in der Nacht würden etliche zentrale Logistikketten in Deutschland gefährdet.“