Vorgeschichte: die Zeit vor 1949
Dessen Geschichte begann mit der wirtschaftlichen und industriellen Entwicklung seit der Reichsgründung 1871. Aus den bereits bestehenden oder jüngst gegründeten Zweck-, Fach- und Regionalverbänden entstanden zwischen 1876 und 1895 zwei Dachorganisationen, die industrielle Interessen nicht nur konzentrierten sondern diese branchen- und regionsübergreifend, wenngleich auch rivalisierend vertraten. Der „Centralverband deutscher Industrieller“ umfasste schwerpunktmäßig die an Schutzzöllen und Kartellierung orientierte Grundstoffindustrie. Das führte von Beginn an zu Konflikten mit der verarbeitenden Industrie, die naturgemäß an wachsenden Absatzmärkten und niedrigen Rohstoffzöllen, somit an freihandelspolitischen Entwicklungen interessiert war und sich schließlich als Widerpart zum Centralverband 1895 im „Bund der Industriellen“ zentral organisierte.
Mit dem Kriegsausbruch 1914 rückten industrielle Interessenverbände näher zusammen und gründeten den „Kriegsausschuss der deutschen Industrie“. Dessen Arbeit gewann durch das gemeinsame Auftreten gegenüber Regierung, Parlament und Militär an Einfluss und rückte Interessenunterschiede nach gefundenen Kompromissen in den Hintergrund. Mit den zunehmenden Problemen des Krieges wurden die Gegensätze zwischen Centralverband und Bund schwächer. Sie kamen bereits im Jahr 1916 zusammen mit dem Verein zur Wahrung der Interessen der chemischen Industrie Deutschlands überein, auch nach dem Krieg die Gemeinschaftsarbeit fortzusetzen und schufen mit dem „Deutschen Industrierat“ dafür das Fundament.
Am 12. April 1919 gründeten die industriellen Verbände einen einheitlichen Spitzenverband, den „Reichsverband der Deutschen Industrie“, der seinen Geschäftssitz in Berlin-Tiergarten hatte.
Organisatorisch zählte der RDI zumeist nur Verbände zu seinen Mitgliedern, die sowohl fachlich als auch regional aufgestellt sein konnten. Langfristig setzte sich das Fachprinzip mit Fachgruppen durch, womit der RDI auf der Grundlage einer vom Staat unabhängigen, freiwilligen Mitgliedschaft einen sehr hohen Organisationsgrad erreicht hatte. Zu den Gremien des Verbandes zählten neben der Mitgliederversammlung der Hauptausschuss, Vorstand und Präsidium. Zu den Spitzengremien gehörten zudem der Erste Geschäftsführer der dem Präsidium als Geschäftsführendes Präsidialmitglied angehörte und der Hauptgeschäftsführer. Der RDI war im Übrigen mit der seit 1913 bestehenden „Vereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände“ personell eng verzahnt (erster Präsident des RDI und zugleich der VDA, Kurt Sorge, Friedrich Krupp AG). Die Namen der RDI-Präsidenten, 1925-1931 Carl Duisburg, IG Farben, und 1931 – 1934 Gustav Krupp von Bohlen und Halbach sprechen für die Gewichtung der Interessen im RDI, lösten jedoch langfristig nicht die noch aus der Kaiserzeit stammenden internen Konflikte. Der RDI verfügte über weitreichende politische Einflussmöglichkeiten und bemühte sich stets um enge Kontakte zur Regierung, die durch personelle Verbindungen gefördert wurden. Die Geschäftsführenden Präsidialmitglieder kamen aus der hohen Reichsbürokratie: Walter Simon, Hermann Bücher, Ludwig Kastl.
Wichtige Aktionsfelder des RDI konzentrierten sich auf die Steuerpolitik (Erzbergersche Finanzreform 1919, Steuerreform 1926), Geldpolitik (Inflation, Kreditpolitik der Reichsbank, Krediterleichterungen für Klein- und Mittelindustrie sowie den Export). Zudem wurde 1920 die Kartellstelle des RDI gegründet, die über mehr Selbständigkeit als andere RDI-Abteilungen eigene Gremien verfügte. International vertrat der Verband die industriellen Interessen auf außen-, handels- und reparationspolitischem Gebiet, z.B. bei den internationalen Direktorenkonferenzen oder internationalen Kartellen. Die Sozialpolitik zählte nicht zu den Aufgabengebieten des RDI; dafür war die VDA zuständig.
Gleichwohl verlief die industrielle Interessenvertretung in der Weimarer Republik nicht reibungslos. Dies wurde begünstigt durch die politischen und wirtschaftlichen Auswirkungen von Krieg, Revolution, Reparation und Inflation. Stärkere politische Einflussnahme prägte die Wirtschafts- und Sozialverfassung der Weimarer Republik. Die im RDI organisierte Industrie ordnete sich vor diesem Hintergrund einerseits in diese Verfasstheit ein, verfolgte zugleich andererseits die Interessen der Industrie und dabei um Machtposition der Industriellen Sektoren ringend, denn die Bedeutung der Industriebranchen aus dem Sekundärsektor hatte erheblich zugenommen.
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 kristallisierten sich zunehmend innere Konflikte heraus. Auf der einen Seite war das liberalistische Lager unter dem Präsidenten Gustav Krupp von Bohlen und Halbach und auf der anderen Seite das von parteipolitisch motivierten Befürwortern der führerstaatlichen Entwicklung unter Fritz Thyssen heraus. Die bereits seit Mitte des Jahres 1933 nach ständischem Prinzip durchzuführende Neuorganisation der deutschen Wirtschaft ließ die VDA mit dem RDI unter der Leitung von Gustav Krupp von Bohlen und Halbach zum „Reichsstand der deutschen Industrie“ fusionieren. Im Vorfeld hatten einige Mitglieder des bisherigen RDI-Präsidiums durch persönliche Überzeugung oder nach rassenpolitisch forcierten Amtsenthebungen durch die politischen Machthaber dem Verband den Rücken gekehrt. Krupp hatte sich trotz entgegengerichteter persönlicher Haltung diesem Arrangement unterworfen, um noch zu retten, was an verbandlichen Einflussmöglichkeiten noch zu retten war. Schließlich wurde jedoch mit dem „Gesetz zur Vorbereitung des organischen Aufbaus der deutschen Wirtschaft“ vom Februar 1934 die rechtliche Grundlage für die Umgestaltung des freien Verbandswesens geschaffen. Am 12. Januar 1935 wurde der Reichsstand der Deutschen Industrie auf diese Weise in die „Reichsgruppe Industrie“ überführt. Die im Reichsstand mit dem RDI zusammengefasste Arbeitgebervereinigung wurde nunmehr in die für sozialpolitische Belange zuständige Deutsche Arbeitsfront (DAF) eingegliedert. Krupp von Bohlen hatte vor diesem Hintergrund bereits im Dezember 1934 sein Amt niedergelegt.
Damit hatten sich die Organisationen der Industrie und Wirtschaft offiziell zum Führerprinzip bekannt. Die in der Weimarer Republik geschaffene Interessenvertretung der Industrie mit ihrer Verbandsautonomie war aufgelöst worden. Die Reichsgruppe Industrie (RGI) war eine zentralistisch organisierte Zwangsorganisation mit korporativen Mitgliedern. Als Organ innerhalb der Organisation der gewerblichen Wirtschaft wurden ihr Aufgaben übertragen, die v.a. Dienstleistungscharakter hatten. Dazu gehörte u.a. Kartellaufsicht, Statistik, Industrieberichterstattung – Aufgaben, die, wie bspw. die Statistik über den Arisierungsgrad der Industrie, auch ideologisch begründet waren. Die historische Forschung beschreibt die Rolle der Reichsgruppe Industrie innerhalb des NS-Staatsgefüges institutionell als politisch wenig einflussreich. Es wurden gleichwohl personelle Verbindungen hergestellt. Der jeweilige Reichswirtschaftsminister lancierte NSDAP-Angehörige oder parteinahe Persönlichkeiten aus der Wirtschaft in die Geschäftsführung der RGI.
Nach dem Krieg wurde die RGI als nationalsozialistische Organisation von den Alliierten aufgelöst und neue Korporationen dieser Art verboten. Bei der Umsetzung ihrer Besatzungsmacht griffen die Alliierten auf fähige, möglichst unbelastete und gut vernetzte Vertreter aus der Unternehmerschaft zurück. Alsbald wurde die Bildung von branchenspezifischen Arbeitsgemeinschaften wieder erlaubt. Der Prozess der Neugründung eines unabhängigen Spitzenverbandes der Industrie – auf dem Gebiet der späteren Bundesrepublik – hatte damit 1946 bereits seinen Anfang genommen.