Wie gestalten wir unsere Beziehungen zu China?
China ist inzwischen mit seiner stark staatlich gelenkten Wirtschaft ein Systemwettbewerber gegenüber den liberalen Marktwirtschaften geworden. Es sieht sich mehr und mehr in der Lage, die Weltordnung nach seinen Interessen zu gestalten. Die demokratisch, freiheitlich verfassten Länder müssen daraus die richtigen Schlüsse ziehen, indem sie das eigene Systemmodell widerstands- und wettbewerbsfähiger machen. Es bestehen kaum Zweifel, dass interdependenter Freihandel weltweit Wohlstand fördert und zu drastisch sinkender Armut beiträgt.
Mit wem wir Handel treiben, ist eine entscheidende Frage im 21. Jahrhundert
In diesem Kontext ist Deutschland weiterhin darauf angewiesen, Innovationen hervorzubringen, die weltweit auf anderen Märkten Abnehmer finden. Wir sind Handelsnation und müssen und wollen es bleiben, im Rahmen eines attraktiven Entwicklungsmodells für andere Länder, das den umfassenden Transformationsprozessen durch ökonomische und soziale Nachhaltigkeit Rechnung trägt. Mit wem, wie und in welchem Umfang wir Handel treiben, ist jedoch eine entscheidende Frage im 21. Jahrhundert, um sowohl unseren Wohlstand als auch unsere Unabhängigkeit zu wahren.
Diversifikation ist das Gebot der Stunde
Einseitige Abhängigkeiten gilt es zu vermeiden, Klumpenrisiken müssen abgebaut werden. Diversifikation ist das Gebot der Stunde. China setzt massiv technologische und wirtschaftliche Mittel dafür ein, die liberal geprägte internationale Ordnung substanziell zu verändern. China ist ein totalitärer Staat – und gleichzeitig hochmodern, innovativ, mit dem Potenzial einer wirtschaftlichen und militärischen Supermacht der Zukunft, die die Dominanz der USA in der eurasischen und in der pazifischen Region zunehmend infrage stellt. Eine bipolare Blockbildung ist deshalb eine reale Gefahr – und dennoch muss die komplex vernetzte Weltwirtschaft verantwortungsvoll gemanagt werden, muss Kooperation wie in der Klimapolitik weiter möglich sein.
Keine Äquidistanz zwischen den USA und China
Dabei kann es für Deutschland und Europa keine Äquidistanz zwischen den USA und China geben. Eine verantwortungsvolle Koexistenz unterschiedlicher Systemmodelle ist im globalen Interesse aller. Der 24. Februar 2022 mit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ist ein Weckruf für einen pragmatischen und strategisch geleiteten Umgang mit Autokratien – auch und gerade mit China. Inwieweit liegt es in unserem Interesse, mit China zu kooperieren und Handel zu treiben? Welche Rolle spielt die Frage der Menschenrechte? Auf welche Szenarien müssen wir vorbereitet sein? Es führt kein Weg daran vorbei, dass Deutschland und Europa ihre Rolle in der aktuellen Weltordnung neu definieren.
Dieser Beitrag enstammt dem Band "Wie gestalten wir unsere Beziehungen zu China?", der im November 2022 u. a. mit Beiträgen von Volker Stanzel, François Godement, Stefan Gätzner, Patricia Schetelig, Malin Oud, Markus Beyrer und Andrew Small im Herder Verlag erschien.