„Wir brauchen faire europäische Spielregeln“
BDI-Präsident Ulrich Grillo und Pierre Gattaz, Präsident des französischen Unternehmensverbandes MEDEF, äußern sich im Vorfeld der Sitzung des Deutsch-Französischen Ministerrats am Dienstag in Berlin:
„Die Regierungen unserer beiden Länder haben zuletzt gezeigt, dass das deutsch-französische Tandem funktioniert: Das geschlossene Auftreten Europas in der Ukraine-Krise wäre ohne eine gemeinsame deutsch-französische Linie nicht möglich. Die langfristige Rechtssicherheit steht über kurzfristigem Profit. Wir tragen die Sanktionen gegenüber Russland mit, denn es gilt das Primat der Politik – auch bei der Entscheidung über weitere Sanktionen.
Bei der Frage um den richtigen Umgang mit Griechenland lassen sich Deutschland und Frankreich ebenfalls nicht auseinanderdividieren. Die Eurogruppe hat aufgrund der ersten Reformpläne der griechischen Regierung weitere Unterstützung in Aussicht gestellt. Jetzt ist die griechische Regierung am Zug, ein Regierungsprogramm mit belastbarem Finanztableau vorzulegen, um die Voraussetzung für Solidarität zu schaffen.
Bei den Themen Energieunion und Digitalisierung müssen Deutschland und Frankreich gemeinsam Zugpferd in Europa sein, um die industrielle Wettbewerbsfähigkeit zu wahren. Die Digitalisierung bietet Europa eine einmalige Wachstumschance: Wird der digitale Binnenmarkt mit einheitlichen Regeln zügig verwirklicht, könnte Europa laut einer Studie im Auftrag des BDI bis 2025 einen Zuwachs von bis zu 1,25 Billionen Euro an industrieller Bruttowertschöpfung erzielen. Passiert das nicht, droht ein Wertschöpfungsverlust von über 600 Milliarden Euro. Wir brauchen faire europäische Spielregeln – zum Beispiel in den Bereichen Datenschutz, Besteuerung und IT-Sicherheit –, um es mit der globalen Konkurrenz aufnehmen zu können.
Damit das Projekt Europa funktioniert, müssen sich besonders Deutschland und Frankreich an die gemeinsamen Spielregeln halten. Die erneute Fristverlängerung zur Senkung des französischen Haushaltsdefizits bedeutet einen großen europäischen Vertrauensvorschuss in die Regierung Frankreichs. Dieses Vertrauen kann nur in einer Währung zurückgezahlt werden: der konsequenten Umsetzung von Strukturreformen – Zweifel am Reformkurs muss die Regierung nun ausräumen. Bleibt es bei bloßen Reformversprechungen, wirft das große Zweifel auf die Wirksamkeit des Stabilitäts- und Wachstumspaktes und den harten Reformkurs, den andere Eurozonenländer in den vergangenen Jahren gemeistert haben.
Die deutsche Bundesregierung sollte sich darauf konzentrieren, Investitionen zu steigern. Dabei ist nicht nur der Staat gefragt. Die Regierung muss verlässliche Signale für mehr Privatinvestitionen setzen. In der laufenden Legislaturperiode wurde die Reform-Uhr zurückgedreht, zusätzliche Belastungen kommen dazu. Ganz Europa profitiert von einem investierenden Deutschland, das seine Defizite in den Bereichen Verkehr, Bildung, Energie und digitale Wirtschaft angeht. Dies gilt natürlich auch für Frankreich, das über leistungsfähige Firmen für die digitale Wirtschaft verfügt.“