WTO - Welthandelsorganisation - World Trading Organisation

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WTO: Die multilaterale Handelsordnung wiederhergestellt?

Lange hat die Welthandelsorganisation (WTO) zusammen mit ihrer Vorgängerin, dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT), zur Marktöffnung und zur Schaffung fairer Regeln für den Handel zwischen den Mitgliedern beigetragen. Sie hat Wirtschaftswachstum und Wohlstand weltweit gefördert. Allerdings steht die multilaterale Handelsordnung kurz vor der anstehenden 13. Ministerkonferenz Ende Februar in Abu Dhabi unter starkem Druck. Was kommt als nächstes?

Unter dem Dach der WTO haben sich ihre Mitglieder auf einen umfassenden Katalog von verbindlichen und diskriminierungsfreien Regeln geeinigt. Bei der Schaffung neuer Regeln hat jedes Mitglied eine Stimme. Entscheidungen werden im Konsens gefällt. Gemeinsames Ziel ist der weltweite Abbau von Handelshemmnissen. Mit ihren Transparenzmechanismen und der verbindlichen Streitbeilegung ist die WTO das Rückgrat der internationalen Handelsordnung. Unternehmen können sich bei internationalen Handelsgeschäften auf ein weltweites, einheitliches Regelwerk verlassen, das ungerechtfertigten Benachteiligungen und Handelsbarrieren entgegenwirkt.

Bis der weltweite Handel aber von allen großen Hindernissen befreit und in jeder Hinsicht klar geregelt ist, müssen die 164 WTO-Mitglieder allerdings noch einen weiten Weg gehen. Viele wichtige Bereiche des Welthandels sind noch gar nicht oder nur in geringem Umfang multilateral geregelt (zum Beispiel Investitionen, Wettbewerb, digitaler Handel, öffentliches Auftragswesen, sowie wichtige Elemente der Wettbewerbsverzerrung). Außerdem berufen sich viele Länder auf zahlreiche Ausnahmen und Sonderregelungen, etwa Indien, Brasilien und China.

Wie passt die multilaterale Handelsordnung in die heutige Zeit?

Die WTO-Staaten stehen vor einer zentralen Frage: wie kann die multilaterale Handelsordnung mit der aktuellen Weltlage vereint werden? Die laufenden Verhandlungen, die auf eine Reform des multilateralen Handelssystems abzielen, sind entscheidend für die Zukunft der globalen Wirtschaftsordnung.

Die aktuelle Krise ist tief verwurzelt in der Geschichte der WTO und reicht zurück bis zum General Agreement on Tariffs and Trade (GATT) von 1947, das später durch das Abkommen von Marrakesch 1994 zur Entstehung der WTO führte. Die Grundprinzipien der WTO beruhen auf dem freien Markt, der Autonomie der Wirtschaftseinheiten und einer klaren Trennung zwischen dem privaten und öffentlichen Sektor. Dieses Wirtschaftsmodell geht idealerweise mit einem liberal-demokratischen politischen System einher, in dem private Unternehmen von Natur aus nicht an politische Ziele gebunden sind, die von einzelnen Regierungen vorgegeben werden.

In den letzten Jahren wurde die Staatengemeinschaft jedoch vor zahlreiche Herausforderungen gestellt. Die rigide Handelspolitik der Trump-Administration, wettbewerbsverzerrende und unfaire Handelsmaßnahmen Chinas (beispielsweise massive Industriesubventionen), geopolitische Spannungen – insbesondere zwischen den USA und China – sowie die Auswirkungen der COVID-Krise haben die Zusammenarbeit unter den WTO-Mitgliedern beeinträchtigt.

Länger jedoch besteht ein tieferliegendes Problem: Zunehmend treten sogenannte „staatskapitalistische Volkswirtschaften" in den internationalen Wettbewerb ein. Sie sehen nicht wie Planwirtschaften aus, sondern eher wie marktwirtschaftliche Systeme, in denen die Regierung einen entscheidenden formellen und informellen Einfluss auf die Marktteilnehmer ausübt. Diese Systeme nehmen unterschiedliche Formen an und üben mit verschiedenen rechtlichen Instrumenten Kontrolle aus. In Ländern mit einem kommunistischen System koexistieren staatliche Unternehmen mit privaten Unternehmen, die ebenfalls den Richtlinien der herrschenden Partei folgen. Oder im Falle der Golfmonarchien kontrolliert die herrschende Dynastie sowohl den Staat als auch die wichtigsten Privatunternehmen des Landes auf der Grundlage von einfachen Eigentumsrechten. Diese Staaten neigen manchmal zur übermäßigen Subventionierung von Unternehmen, die eine massive Verzerrung des Wettbewerbs zur Folge hat.

Fortschritte sind möglich

Um den genannten Herausforderungen – nicht alle umfassen den Geltungsbereich der WTO – effektiv begegnen zu können, sind vielfältige Schritte nötig. Die 13. WTO-Ministerkonferenz (MC13) steht im Mittelpunkt der aktuellen Bemühungen um eine Reform des multilateralen Handelssystems. Die Aussichten sind ungewiss, aber es besteht die Hoffnung, dass die Mitglieder gemeinsam Fortschritte erzielen können.

Aus Sicht der Industrie sind in einigen Bereichen Fortschritte nicht nur erforderlich, sondern auch erreichbar. Aus zahlreichen Gesprächen nehmen wir auch eine breite Entscheidungsbereitschaft und konstruktive Vorschläge wahr, die auf eine Verlängerung des E-Commerce-Moratoriums, faire Wettbewerbsbedingungen, moderne Agrarsubventionen und die Stärkung geistiger Eigentumsrechte zielen.

Konkrete Vorschläge in diesen Bereichen haben wir in einem aktuellen Positionspapier zusammengestellt. Mit einer Fokussierung auf die genannten Verhandlungspunkte möchten wir dazu beitragen, den Stillstand in der Debatte zu überwinden und konkrete Verbesserungen in den Mittelpunkt zu rücken, die eine Reform der WTO langfristig ermöglichen sollen.

Worst-case-Szenario?

Die Frage, was passieren würde, wenn es keine Fortschritte in den Verhandlungen in Abu Dhabi gibt, wirft eine düstere Perspektive auf. Dann würden mehr Protektionismus, neue Handelskonflikte und eine instabilere Weltwirtschaft häufiger. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass die Mitglieder ihre Differenzen überwinden und gemeinsam an einer Reform arbeiten.

Die multilaterale Handelsordnung wiederherzustellen, ist eine Herausforderung, die nicht nur technische, sondern auch politische Lösungen erfordert. Die 13. Ministerkonferenz wird zeigen, ob die Mitglieder bereit sind, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um die WTO zu stärken und eine effektive multilaterale Handelsordnung für die Zukunft zu schaffen.