„Zollverfahren vereinfachen und den Standort stärken“
Wie machen sich die Auswirkungen der Corona-Pandemie noch immer bemerkbar?
Gerade zu Beginn der Pandemie waren Unternehmen mit zuvor ungeahnten Problemen konfrontiert. Aber auch fast zwei Jahre nach Ausbruch der Corona-Pandemie sind die Auswirkungen noch deutlich zu spüren. International verflochtene Lieferketten stehen noch immer massiv unter Druck und Lieferengpässe dämpfen die wirtschaftliche Erholung. Die Pandemie hat auch Tendenzen einer De-Globalisierung verstärkt und den internationalen Trend zu Protektionismus verstärkt. Ohne internationale Zusammenarbeit und Arbeitsteilung werden wir diese globale Krise allerdings nicht nachhaltig bewältigen können. Die Pandemie hat aber auch offengelegt, dass es gerade in der Verwaltung deutliche Defizite gibt, beispielsweise in Sachen Digitalisierung oder Bürokratieabbau, die für Vereinfachungen bei Wirtschaftsbeteiligten sorgen könnten.
Wie könnten Zollverfahren durch Digitalisierung und Bürokratieabbau vereinfacht werden?
Digitalisierung und Bürokratieabbau bieten enormes Potenzial zur Vereinfachung von Zollverfahren, von denen nicht nur Wirtschaftsbeteiligte profitieren können – auch den Zollbehörden kann es einen deutlichen Nutzen bringen. Deswegen sind wir als deutsche Industrie der Meinung, dass Digitalisierung von Zollverfahren auf allen Ebenen konsequent durchgeführt werden muss. In einem Positionspapier haben wir kürzlich die Forderungen der deutschen Industrie zu Digitalisierung und Bürokratieabbau in Zollverfahren dargelegt und aufgezeigt, welche Vereinfachungen es für Unternehmen und Behörden geben könnte.
Welche Möglichkeiten bieten sich darüber hinaus für weitere Vereinfachungen?
Um die EU als Standort zu stärken und die heimische Industrie zu entlasten, sollten Zollverfahren so weit wie möglich vereinfacht werden. Denn über Digitalisierung und Bürokratieabbau hinaus gibt es noch eine Reihe weiterer Möglichkeiten für Vereinfachungen in Zollverfahren, beispielsweise für Zugelassene Wirtschaftsbeteiligte (Authorised Economic Operator, AEO). Aufgrund aufwendiger Bewilligungsverfahren und regelmäßiger Kontrollen beweisen sich AEOs generell als vertrauenswürdige und zuverlässige Wirtschaftsbeteiligte. Daher sollte der Status mit spürbaren Vereinfachungen einhergehen. Hierzu gehören unter anderem die Möglichkeit der EU- und deutschlandweiten zentralen Zollabwicklung bei Ein- und Ausfuhren oder die Eigenkontrolle (Self-Assessment) für wiederkehrende Geschäftsvorfälle und Standardvorgänge.
Auch bei der Risikoanalyse gibt es Potenzial für Vereinfachungen: Prozessbasierte anstatt transaktionsbasierter Kontrollen könnten ein effektiveres Risikomanagement mit zielgerichteteren Kontrollen schaffen. Hier kommt auch wieder die Digitalisierung ins Spiel, die die Möglichkeit zu einer effizienteren Risikoanalyse schafft. Daraus können Verbesserungen der Kontrollen resultieren, die zu einer Entlastung der Behörden und Wirtschaftsbeteiligten führen kann.
An welchen weiteren Themen arbeitet der Arbeitskreis in den kommenden Jahren?
Neben der Verhandlung und Implementierung neuer europäischer Freihandelsabkommen (Free Trade Agreement, FTA), liegt ein weiterer Arbeitsschwerpunkt des Arbeitskreises auch auf der Nutzung bestehender FTAs. Ein besonderer Fokus liegt hier auf den Ursprungsregeln, die bestimmen, ob eine Ware präferenzzollberechtigt ist. Da sie sehr komplex sind und sich von Abkommen zu Abkommen unterscheiden, stellen sie häufig einen Stolperstein in der Nutzung der in FTAs gewährten Präferenzzölle dar.
Bereits vor der Corona-Pandemie waren zunehmend protektionistische Tendenzen zu sehen, vor allem in der steigendenden Nutzung handelspolitischer Schutzinstrumente. Was muss getan werden, um die exportorientierte deutsche Industrie zu schützen/unterstützen?
In Deutschland hängen rund 28 Prozent der Arbeitsplätze direkt oder indirekt vom Export ab, in der verarbeitenden Industrie sind es sogar mehr als die Hälfte (56 Prozent). Deshalb sind offene Märkte und ein regelbasierter Welthandel unabdingbar für die deutsche Industrie. Die Bundesregierung und die Europäische Kommission müssen daher unbedingt das multilaterale Handelssystem stärken und für faire Wettbewerbsbedingungen einstehen. Um ein sogenanntes Level Playing Field herzustellen, braucht die EU einen effektiven und ausgewogenen Instrumentenkasten, der im Sinne europäischer Export- und Importinteressen ein Level Playing Field im globalen Wettbewerb sicherstellen kann und den sich ändernden Rahmenbedingungen im internationalen Handel entspricht.
In den letzten Jahren hat sich die zunehmende weltweite Nutzung handelspolitischer Schutzinstrumente abgezeichnet. Sie sind auch ein wichtiges Instrument der EU, um europäische Produzenten vor unfairem Wettbewerb aus dem Ausland zu schützen. Es muss aber immer sichergestellt werden, dass ihre Anwendung den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) entspricht und sie nur angewendet werden, wenn die vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllt sind und sie nicht zu protektionistischen Zwecken missbraucht werden.