© Edouard Tamba

Menschenrechte sind keine innere Angelegenheit

Der Erfolg liberaler Demokratien ist das wertvollste Narrativ, das wir im globalen Wettbewerb besitzen. Wir müssen es schaffen, andere weiterhin für dieses Narrativ zu gewinnen. Darin liegt der Schlüssel unserer Kooperation und Gestaltungsmacht in der globalen Gemeinschaft.

Diese Aufgabe ist nicht immer leicht. Die Ordnung der Welt verändert sich und mit ihr der Platz, den liberale Demokratie- und Wirtschaftssysteme in dieser Ordnung einnehmen. Noch immer sehr erfolgreich, werden demokratische Systeme von Staaten herausgefordert, deren Werte und Ziele nicht unbedingt mit unseren übereinstimmen.

Dieses Nebeneinander konkurrierender Werte- und Wirtschaftssysteme möchten wir als Ausgangspunkt nehmen, um gemeinsam mit Vertretern aus Politik und Gesellschaft über die erfolgreiche Gestaltung wirtschaftlicher Kooperationsbeziehungen nachzudenken. Unser Ziel ist es, in vertiefenden Gesprächen und Diskussionen gemeinsam mit der deutschen und europäischen Politik und Öffentlichkeit kohärente Leitlinien im Systemwettbewerb mit autokratischen und patriarchalischen Gesellschaften zu entwickeln.

  • Wie kooperiert man verantwortungsvoll mit konkurrierenden Werte- und Wirtschaftssystemen? Was zeichnet einen verantwortungsvollen Kompromiss aus?
  • Wie kann es uns gelingen, überzeugend für Offenheit und Rechtstaatlichkeit einzustehen, ohne dafür unsere wirtschaftlichen Interessen und unseren Einfluss auf globale Entwicklungschancen preiszugeben?
  • Wie können Industrie, Politik und Gesellschaft gemeinsam attraktive wirtschaftliche Anreize für Transformations- und Entwicklungsprozesse nach unseren Wertvorstellungen und Standards setzen?
  • Lassen sich Sanktionen so entwerfen und umsetzen, dass ihre Konsequenzen, Lasten und Nebenwirkungen sich auf den Schultern verschiedener Akteure verteilen und die die wichtige gestaltende Rolle der Industrie in der globalen Gemeinschaft nicht verspielt wird?

Verantwortungsvolle Koexistenz

In unserer Wahrnehmung gibt es nicht die eine richtige Strategie oder das eine richtige Verhalten. Es gibt verschiedene Werte, Ziele, Interessen und Überzeugungen, die wir produktiv miteinander in Einklang bringen müssen. Das ist der Kompromiss, der es uns langfristig erlauben wird, die globalen Herausforderungen selbstbewusst, wertebasiert, kompetitiv und verantwortungsvoll anzupacken. 

Wir nennen diesen Ansatz eine „verantwortungsvolle Koexistenz“. Auf dem Fundament von Demokratie und Rechtstaatlichkeit wollen wir die internationale Ordnung mit wirtschaftlichen Mitteln mitgestalten und dadurch Wohlstand und nachhaltige Entwicklungs- und Aufstiegschancen im In- und Ausland herbeiführen. Dabei lassen wir uns von der Überzeugung leiten, dass Wohlstand, inklusives soziales Wachstum und der Schutz unserer Lebensgrundlagen wesentlich von ökonomischem Erfolg abhängen. Um unsere Ziele zu erreichen, müssen wir also gegenüber Staaten wie China und Russland unbedingt wirtschaftlicher Vorreiter bleiben.

Hand in Hand mit der Politik

Der BDI sieht einen enormen wirtschaftspolitischen Spielraum, internationale Beziehungen proaktiv, mutig und engagiert nach demokratischen Vorstellungen und Überzeugungen zu gestalten. Doch wir wissen auch: Dieses Potenzial lässt sich nur in enger Abstimmung mit Politik und Zivilgesellschaft verwirklichen. Die deutsche Industrie versteht sich in diesem Prozess als Partner und Verbündeter, der als einflussreicher Akteure im Austausch mit anderen Ländern das vorhandene politische und gesellschaftliche Engagement positiv und ko-kreativ unterstützen kann. International tätige Unternehmen sind überdies nah dran und höchst innovativ. Sie können sehr früh neue Möglichkeiten und Potenziale zum Schutz von Umwelt und Menschenrechten vor Ort erkennen und die Standards von morgen anstoßen. Doch auch diesen Wettbewerb können wir nur Hand in Hand mit der Politik gewinnen.

Das Narrativ stärken und erneuern

Die Kraft für ein koordiniertes kollektives Handelns braucht Rückhalt und Vertrauen aus der Gesellschaft. Die demokratische Marktwirtschaft kann nur so stark und glaubwürdig nach außen sein, wie sie es nach innen ist. Um dem Wunsch nachzukommen, dass demokratische Werte und Ideen transformativ in die globale Gemeinschaft hineinwirken, müssen sie in alle Richtungen überzeugen und funktionieren. Daher erachten wir den Dialog mit der Zivilgesellschaft auf nationaler und europäischer Ebene als essentiell. Nur durch die ständige Erneuerung und Aktualisierung unseres demokratischen und wirtschaftlichen Selbstverständnisses kann eine verantwortungsvolle Kooperation mit anderen Staaten gelingen. Parallel dazu müssen Deutschland, die EU und ihre Partner dieses Narrativ zuverlässig in die Welt tragen. Mit ihrer Offenheit und Prosperität, durch Regel- und Vertragstreue und durch wirksame und effektive Krisen- und Problemlösungen müssen sie demonstrativ für die Überlegenheit und Zukunftsfähigkeit dieses Narrativs werben.