
TDI | Kurz-Interview: 3 Fragen an Dirk Schmitz
Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft ist seit längerem getrübt. Die jüngste handelspolitische Eskalation trägt nicht zur Besserung bei. Wie stellt sich die Situation des Industriestandortes für den größten Vermögensverwalter der Welt dar?
Um nach Deutschland zu blicken, kommt man an Europa nicht vorbei. Wir haben mit über 1,6 Billionen Euro mehr Gelder in die europäische Wirtschaft investiert als jeder andere Vermögensverwalter und dabei Europa immer im Blick für unsere Kunden.
Denn sie glauben an Europa und die hiesige Wirtschaft - die technologische Innovationskraft, industrielle Stärke und strategische Relevanz für die Zukunft.
Zu unseren Kunden gehören u.a. Pensionskassen, Versicherer und Privatanleger. Sie investieren ihr Geld in Deutschland und andere europäische Länder. So unterstützen sie nicht nur Wachstum, sondern auch Fortschritt.
Deutschland steht aber ohne Frage vor herausfordernden Zeiten. Die Kombination aus schwachem Wachstum, geopolitischen Unsicherheiten, strukturellen Transformationsprozessen und einer hohen regulatorischen Komplexität belasten den Standort. Gleichzeitig beobachten wir aber auch eine bemerkenswerte Resilienz und eine tiefe Verankerung industrieller Kompetenz, die nach wie vor einzigartig in Europa ist. Deutschland verfügt über hochqualifizierte Fachkräfte, einen funktionierenden Rechtsstaat und ein stabiles politisches System – alles zentrale Standortfaktoren, die im globalen Vergleich positiv herausstechen.
Vor allem Investitionen in Technologie und Erneuerbare Energien halten wir in Deutschland weiterhin für langfristig attraktiv. Unsere Kunden möchten weiterhin in Deutschland investieren. Wir unterstützen sie dabei, allerdings ist es oft schwerer als in anderen Märkten, Investitionsmöglichkeiten zu finden. Eine Verbesserung der politischen Rahmenbedingungen für Investitionen könnte hier ein wichtiges Signal sein und viel wirtschaftliches Potenzial freisetzen.
Der globale Wettbewerb wird nicht zuletzt im Wettrennen um Spitzentechnologie ausgefochten. Alle größeren Volkswirtschaften und Wirtschaftsräume versuchen, mit eigenen strategischen Ansätzen, Technologieführerschaft zu erlangen und ihren Anteil an den Wertschöpfungsketten der Zukunft zu sichern. Letztlich müssen KI, Quanten und Co. ihre Wirkung aber am Markt entfalten. Welche Potenziale sehen Sie in der deutschen Industrie?
Der globale Wettbewerb um Technologieführerschaft wird von strukturellen Veränderungen, den sogenannten Megaforces, angetrieben. Dazu gehören unter anderem die Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und der Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft. Deutschland hat gute Voraussetzungen, muss seine Stärken aber gezielter in Marktvorteile umwandeln. Forschungsexzellenz und Ingenieurskompetenz sind vorhanden – nun kommt es darauf an, Spitzentechnologien marktwirksam zu machen.
Ein entscheidender Hebel für den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft ist die Energietransformation. Energie ist der Grundstein für die Industrie der Zukunft. Wer langfristig global wettbewerbsfähig sein will, muss Zugang zu sicherer, kohlenstoffarmer und bezahlbarer Energie gewährleisten. Deutschland hat sich mit dem Ausbau erneuerbarer Energien früh in eine Führungsrolle gebracht – diesen Vorsprung gilt es jetzt zu nutzen und weiterzuentwickeln.
Was kann Deutschland von anderen Ländern lernen? Wo lohnt sich ein Blick über unseren Tellerrand hinaus?
In vielen Ländern, etwa den USA, wird der Zugang zum Kapitalmarkt aktiver genutzt, um zentrale Transformationsprojekte voranzutreiben. Auch in Skandinavien oder den Niederlanden sehen wir, wie Kapitalmarktinstrumente stärker in gesellschaftliche Transformationsziele eingebunden werden – etwa über kapitalgedeckte Altersvorsorgemodelle, die langfristiges Kapital für Infrastruktur und Innovation mobilisieren.
Deutschland sollte diese Ansätze als Inspiration verstehen und eigene Hürden gezielt abbauen. Ein wichtiger Schritt wäre die aktive Mitgestaltung einer vertieften europäischen Kapitalmarktunion. Denn die Energiewende und der Infrastrukturausbau können nur paneuropäisch gedacht und finanziert werden. Gleichzeitig sollten auch nationale Maßnahmen ergriffen werden: eine entschlackte Bürokratie, schnellere Genehmigungsprozesse, stabile Renditemodelle und ein klares Bekenntnis zur Planungssicherheit bei Großprojekten. Die Politik muss hier verlässliche Anreize setzen.