Strategische Weichenstellung: Deutschlands Rolle im globalen Quantenrennen sichern
Quantentechnologien zählen zu den zentralen Zukunftstechnologien, die Wirtschaft, Sicherheit und Gesellschaft tiefgreifend verändern. Sie umfassen Quantencomputing, Quantenkommunikation und Quantensensorik und versprechen enorme Leistungssteigerungen: exponentiell höhere Rechenkapazität, abhörsichere Kommunikation und ultrapräzise Messtechnik in Medizin, Industrie und Mobilität.
Das wirtschaftliche Potenzial von Quantentechnologien könnte von heute weniger als 5 Milliarden auf rund 35 Milliarden im Jahr 2030 wachsen. Die BCG-Studie „Deep Tech für den Industriestandort Deutschland“, im Auftrag des BDI, macht klar: Für Deutschland und Europa eröffnet sich eine historische Chance – zugleich aber auch ein geopolitischer Wettlauf um die Kontrolle entscheidender Technologien.
Spezialisierung als Schlüssel: Deutschlands Quantenstrategie
Deutschland verfügt über eine exzellente Forschungsbasis in Physik, Materialwissenschaft und Quantenoptik sowie über weltweit führende Kompetenzen in Photonik, Laser und Kryotechnik. Diese Enabling-Technologien sind unverzichtbare Bausteine des Quanten-Tech-Stacks. Doch fragmentierte Strukturen, Finanzierungslücken und ein zu langsamer Technologietransfer bremsen die Wettbewerbsfähigkeit.
Während die USA auf große, öffentlich-private Full-Stack-Ökosysteme setzen und China zentral gesteuerte Programme verfolgt, setzt Europa auf Spezialisierung und arbeitsteilige Netzwerke. Das eröffnet Chancen, erfordert aber konsequente Koordination und eine klare strategische Positionierung. In den kommenden fünf bis sieben Jahren wird sich entscheiden, welche Architekturen und Wertschöpfungsmodelle global dominieren.
Deutschland hat großes Potenzial, um die Kapazitäten entlang des Quantensoftware- und -hardware-Stacks aufzubauen. In Kryotechnik, Photonik oder neuartigen Chipdesigns kann Deutschland Standards setzen und kritische Komponenten kontrollieren, die international unverzichtbar sind. Damit lassen sich sowohl ökonomische Chancen sichern als auch technologische Souveränität in sicherheitsrelevanten Feldern stärken.
Auch die Verbindung von Quantencomputing und Künstlicher Intelligenz birgt enormes Potenzial. „Quantum for AI“ – die Beschleunigung von KI durch Quantenrechner – und „AI for Quantum“ – der Einsatz von KI zur Optimierung von Quantenarchitekturen – könnten den Vorsprung sichern. Dafür braucht es gezielten Kompetenzaufbau in Softwareentwicklung, Algorithmenforschung und interdisziplinären Ausbildungsprogrammen.
Quantenvorsprung sichern: Nationale Stärken und europäische Koordination
Vor diesem Hintergrund sind klare Handlungsschritte erforderlich: Die Hightech Agenda Deutschland schlägt bis zum Jahr 2030 klare Flaggschiff-Maßnahmen vor, die jetzt mit zentraler Steuerung und klaren Meilensteinen konzipiert werden sollen. Priorität sollten frühe Anwendungsfelder wie Materialsimulation, Medikamentenentwicklung und sichere Kommunikation haben, um rasch Wertschöpfung und gesellschaftliche Akzeptanz sichtbar zu machen.
Deutschland muss seine strategischen Schlüsselpositionen im Quanten-Tech-Stack sichern – durch gezielte Förderung und Skalierung von Photonik und Kryotechnik sowie durch den Aufbau eigener Produktionskapazitäten für Quantenchips und kritische Komponenten.
Der Standort braucht eine leistungsfähige Transfer- und Skalierungsinfrastruktur: Technologie-Hubs, vereinfachte IP-Regelungen, staatliche Ankerkunden und offene Test- und Produktionsumgebungen für Start-ups und KMU.
Auf europäischer Ebene ist eine gemeinsame Roadmap und Standardisierung entscheidend, um Fragmentierung zu vermeiden und internationale Sichtbarkeit zu schaffen. Nationale Initiativen müssen eng mit der Quantum-Europa-Strategie sowie mit den Programmen wie dem Quantum Flagship, EuroQCI oder der Quantum Chips Industrialisation Roadmap verzahnt werden.
Ergänzend ist eine breit angelegte Fachkräfteoffensive erforderlich: interdisziplinäre Studiengänge, praxisnahe Industrieprojekte und Weiterbildungsangebote sollen sicherstellen, dass genügend Expertinnen und Experten zur Verfügung stehen.
Schließlich bedarf es einer vorausschauenden geopolitischen Strategie: eigene IP-Positionen aufbauen, Exportkontrollen gezielt einsetzen und Open-Source-Standards fördern, um Abhängigkeiten zu reduzieren und technologische Resilienz zu stärken.
Fazit: Standards setzen, Quantenökonomie gestalten
Deutschland hat die Chance, im globalen Quantenrennen eine Schlüsselrolle einzunehmen – nicht durch den Nachbau kompletter Quantenplattformen, sondern durch die gezielte Kontrolle von Enabling-Technologien. Dafür braucht es jetzt Investitionen, enge europäische Zusammenarbeit und klare industriepolitische Leitplanken. Denn wer heute Standards und Schlüsseltechnologien setzt, bestimmt morgen die Spielregeln der Quantenökonomie.