Digiplomacy
Internationale Verhandlungen bringen Vertreter von Staaten und Organisationen aus aller Welt zusammen; verschiedene Normen, Werte und Verständnisweisen prallen aufeinander. Der diplomatische Kodex half über Jahrzehnte zuverlässig dabei, trotz der Unterschiede gemeinsame Entscheidungen zu finden. Heute reicht ein Tweet, um geopolitische Gewissheiten infrage zu stellen oder um Börsen nervös zu machen.
Diplomatie über digitale Tools macht Vieles möglich und gleichzeitig unmöglich: Noch nie war Außenpolitik so transparent, so anschaulich und in Echtzeit nachvollziehbar wie heute. Jedoch wurden auch noch nie vorher Verhandlungsergebnisse öffentlich seitens der Verhandler via Twitter ad absurdum geführt.
Diplomatie für Jedermann?
Diplomatie auf allen zentralen Online-Kanälen erweitert den Resonanzraum. Im Ausland, um über Deutschland zu informieren, um für Handelsbeziehungen zu werben und um einen Dialog mit der Zivilgesellschaft zu führen. Aber auch zuhause: Außenpolitik kann direkt erklärt werden, ohne den Umweg der Medienhäuser. Sie kann auf Fragen und Bedenken der Bürger unmittelbar eingehen. Idealerweise bildet das Netz ein attraktives Deutschland-Bild und eine engagierte Außenpolitik ab – mit Mut zu Emotionen, um im Informationsfluss nicht unterzugehen.
Doch die Außenpolitik im digitalen Raum hat ihren Preis: Sie macht sich angreifbar. Die bisweilen toxische Netzkultur ist nicht immer bereit, das diplomatische Spiel mitzuspielen. Sie hört oft nicht zu und fordert Klartext. Inhalte sind anfällig für „Shitstorms“. Diplomatie aber lebt von kleinen Schritten und dem Betonen von Gemeinsamkeiten, selbst wenn gravierende Unterschiede bestehen.
Kultureller Kontext entscheidend
Sofern es sich um Kulturen mit ähnlichem Media-Verhalten handelt, ist zu erwarten, dass der Trend der Digiplomacy weiter zunimmt. Beispielsweise werden die Dienste der großen US-Plattformen gleichermaßen in Europa politisch genutzt. Menschen dieser Kulturkreise werden sich auch zukünftig darauf verlassen können, dass Twitter ein führendes politisches Medium bleibt.
Aber wie sieht es in anderen Regionen aus? Menschen im asiatischen Raum beispielsweise, insbesondere in China, dürfte es weitaus weniger tangieren, was beispielsweise ein US-Präsident twittert. Zum einen, weil der Dienst gesperrt ist, und zum anderen, weil eigene Dienste wie WeChat oder TikTok eine stark wachsende Durchdringung haben.
Es zeichnet sich weltweit ab, dass Soziale Medien noch wichtiger werden. Schon zum jetzigen Zeitpunkt dürfte das Ranking der Länder mit höchster durchschnittlicher Nutzungsdauer von Online-Kanälen weltweit überraschen: Die Plätze 1 bis 5 belegen: Philippinen, Brasilien, Kolumbien, Indonesien und Argentinien (Jahr 2018, Quelle: Statista). Spannend bleibt, die Korrelation zwischen politischen Umbrüchen und die Nutzung sowie den Einfluss Sozialer Medien zu beobachten.