Johannes F. Kirchhoff © Johannes Kirchhoff

„Rohstoffe werden nicht verbraucht, sondern gebraucht“

Johannes F. Kirchhoff ist geschäftsführender Gesellschafter der Kirchhoff-Gruppe und damit Entwicklungspartner der Automobilindustrie für komplexe Metall- und Hybridstrukturen für Rohkarosserie und Fahrwerk sowie führender Anbieter von Lösungen für Entsorgungslogistik und Straßenreinigungstechnologien. Im Interview spricht er über geschlossene Rohstoffkreisläufe, die Herausforderungen der Industrie im Umgang mit Rohstoffen und was die BDI-Initiative Circular Economy dazu beiträgt.

Herr Kirchhoff, welche Potenziale bietet die Circular Economy Ihrer Branche, und beschäftigt sich die Kirchhoff-Gruppe bereits mit Anwendungsmöglichkeiten auf diesem Gebiet?

Die wichtigsten Rohstoffe Stahl und Aluminium für unsere Produktion verfügen heute schon über einen hohen Anteil zirkulärer Materialien. Bei den übrigen Rohstoffen, insbesondere bei Kunststoffen, beschäftigen wir uns sehr intensiv mit den passenden Qualitätskriterien, um kreislauffähige Rohstoffe zu verwenden. Hinsichtlich unserer fertigen Produkte steht die spätere Demontierbarkeit der Bauteile und die Verwendbarkeit der enthaltenen Rohstoffe zunehmend im Vordergrund. Das bietet uns große Chancen, gemeinsam mit unseren Vorlieferanten durch gezieltes Aufbereiten spezifische Stoffe wieder in den Kreislauf zurückzuführen. Hierbei steht nicht nur die Verringerung unseres CO2-Fußabdrucks, sondern auch die Möglichkeit der Kostenentlastung durch gezieltes Aufbereiten der gebrauchten Stoffe zu wiedereinsetzbaren Rohstoffen, im Vordergrund.

Die BDI-Initiative Circular Economy tritt für einen EU-weiten Markt für aufzubereitende Rohstoffe und Materialien ein. Welche Kompetenzen zeichnen den Industriestandort Deutschland aus, um dieses Zukunftsprojekt in die Wege zu leiten?

Rohstoffe werden nicht verbraucht, sondern gebraucht und einige bei Gebrauch auch umgewandelt. Unser Industriestandort profitiert von der sehr gut verzahnten Forschung und Fachkräftequalifizierung hiesiger Unternehmen und der Industrie. Weltweit sind wir führend in mechanischen, thermischen und chemischen Verfahrenstechniken. Gerade diese Verfahrenstechniken spielen bei der Kreislaufführung gebrauchter, beziehungsweise umgewandelter, Rohstoffe die entscheidende Rolle. Hinzu kommt eine inzwischen auch schon in der Schule als Grundlage gebildete, aber natürlich noch ausbaufähige Haltung, Stoffe getrennt zu sammeln. Was nicht vermischt in der Tonne landet, lässt sich leichter dem Kreislauf zuführen!

Die Initiative will Ziele, Vorschläge und Erfolge u.a. in den politischen Raum kommunizieren. Welche Rolle spielt die Politik in dem Vorhaben, und wie könnten die Instrumente und Anreize zur Förderung der Circular Economy jetzt aussehen?

Aus Mutter Erde entnommene Rohstoffe müssen mit einem fairen Preis belegt sein, der alle Folgekosten auch abbildet. Es gilt, den Zielkonflikt zwischen möglichst preiswerter Rohstoffversorgung für unsere Industrien und der weltweiten Nachhaltigkeit zu lösen. Dieses Thema kann nur mit einem globalen politischen Ansatz der Bepreisung von Rohstoffen unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten – also ökologisch, ökonomisch und sozial ausgewogenen Preisbildungsfaktoren – angegangen werden. So gebildete Preise an den Rohstoffmärkten benötigen politischen Rückhalt. Dazu gehört auch die mit marktwirtschaftlichen Instrumenten gesteuerte Bepreisung der Belastung des Wassers, Bodens und der Luft mit Schadstoffen bei der Rohstoffförderung, -nutzung und -aufbereitung. Weniger Regulatorik hingegen brauchen wir bei den Stoffströmen zur Kreislaufführung und mehr Technologieoffenheit bei Aufbereitungsverfahren, um alle Marktteilnehmer im Sinne der Kreislaufwirtschaft initiativ werden zu lassen. Die Herstellerverantwortung für die verkauften Produkte nach der Nutzung ist stärker gesetzlich zu verankern. Hierzu gehört auch die Beauftragungsmöglichkeit von professionellen Rücknahme- und Aufbereitungsunternehmen durch die Hersteller und damit deren Entlastung.

Die deutsche Industrie will der zentrale Treiber der Entwicklung einer Circular Economy sein. Wie erreicht sie das?

Wir müssen es schaffen, die rohstoffverarbeitende Industrie und die Nutzer der Rohstoffe sowie der fertigen Produkte im Sinne der Kreislaufführung enger zusammenzubringen. Der offene Austausch über den Produktzustand nach der Nutzung, über Trenn- und Zerlegemöglichkeiten und den Qualitätsanforderungen wiederverwendbarer Rohstoffe sind wichtige Schlüsselpunkte, um wirkliche Kreislaufführung umzusetzen. Die Produktentwicklung, ausgerichtet auf die Materialkreislaufführung nach dem Gebrauch, muss ebenso in den Mittelpunkt der Entwicklungs- und Designabteilungen gerückt werden. Zur Ingangsetzung bedarf es klarer gesetzlicher Regelungen und fairer, mit entsprechenden Nachhaltigkeitsfaktoren belegte, natürlicher Rohstoffpreise und keine Überregulierung. Zudem brauchen wir technologieoffene Aufbereitungsverfahren zur Kreislaufführung und frei laufende Stoffströme.