USA

Die Vereinigten Staaten sind massiv von den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise betroffen. Der IWF schätzt, dass das US-BIP im Jahr 2020 um minus 5,9 Prozent schrumpfen wird. Die gesamte Industrieproduktion brach im April 2020 um minus 11,2 Prozent ein. 

Obwohl die Arbeitslosenrate im Mai leicht um 1,4 Prozentpunkte auf 13,3 Prozent fiel (April: 14,7 Prozent), liegt die Arbeitslosigkeit weiterhin deutlich über dem Höchstwert der letzten Wirtschaftskrise (10 Prozent im Oktober 2009).12. Ein bedeutender Rückgang im US-Außenhandel (Waren und Dienstleistungen) war im April 2020 bemerkbar: die US-Exporte gingen deutlich um minus 20,5 Prozent im Vergleich zum Vormonat zurück; die US-Importe sanken um minus 13,7 Prozent im Vergleich zu März 2020.

Rechtsunsicherheit Hilfsprogramme: Die Kriterien, nach denen Unternehmen Gelder aus staatlichen Hilfsprogrammen, etwa dem PPP (Paycheck Protection Program), beanspruchen können, waren anfangs an vielen Stellen unklar. So war zuerst nicht klar definiert, wie die Betriebsgröße für deutsche Tochterunternehmen in den USA berechnet wird. In einem FAQ von Anfang Mai 2020 wurde klargestellt, dass zur Betriebsgröße auch die ausländischen Tochtergesellschaften zählen. Trotz eines Bedarfs beantragen manche Unternehmen daher keine Gelder oder geben die Gelder nicht aus, bis geklärt ist, ob es zu Rückforderungen kommt. Hinzu kommen stark erhöhte Kosten für die Rechtsberatung.

Rechtsunsicherheit, Zivilklagen, Arbeitsschutz: Die Vorgaben für den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz unterscheiden sich nach Bundesstaaten und werden im Kontext der Pandemie häufig angepasst und nicht eindeutig definiert. Dies erzeugt bei Arbeitgebern Angst vor zivilrechtlichen Klagen auf Schadensersatz und Schmerzensgeld seitens der Arbeitnehmer. Diese zivilrechtlichen Klagen können in den USA schnell Rechtsrisiken in hohen Millionenbeträgen erzeugen. Manche Unternehmen halten ihre Produktionsstätten und Büros aus diesem Grund länger als nötig geschlossen, bis eindeutig geklärt ist, mit welchen Schutzmaßnahmen der Betrieb rechtssicher wieder aufgenommen werden kann.

Wertschöpfungsketten Luftfracht: Durch den Wegfall der Luftfrachtkapazität in Passagier-maschinen ist Luftfrachttransport unzuverlässiger geworden und nur zu einem Vielfachen ursprünglicher Frachtraten möglich. Die Folgen sind massive Verwerfungen in den Wertschöpfungsketten und eine stockende Produktion. Dies gilt insbesondere für deutsche Tochterunternehmen in den USA, die auf unverzichtbare Komponenten ihrer Mutterkonzerne angewiesen sind.

Wertschöpfungsketten Bundesstaaten: Die Regelungen zu pandemiebedingten Einschränkungen für Produktion und Logistik werden in den USA auf Bundesstaaten-Ebene getroffen. Die Heterogenität und ständige Anpassung der Regelungen in 50 Bundesstaaten erzeugt eine für Unternehmen kaum zu durchschauende Planungsgrundlage. Produktionsabläufe geraten wegen mangelnder Vorprodukte oder Unklarheiten in der Lieferlogistik bei Abnehmern ins Stocken.

Wertschöpfungsketten Mexiko: Da Mexiko seine Pläne zum Shutdown und zu „essenziellen Sektoren“ unabhängig von den USA erarbeitete und umsetzte, kam es zu starken Verwerfungen inden aufs Engste verzahnten grenzüberschreitenden Wertschöpfungsketten. Nach eindringlichen Appellen aus Wirtschaft und US-Politik erlaubte Mexiko schließlich der besonders betroffenen Automobilindustrie ab dem 1. Juni 2020 die Produktion unter Auflagen wieder aufzunehmen.

Exportrestriktionen und Verfügbarkeit PSA: Am 3. April 2020 veröffentliche das Weiße Haus ein Memorandum, in dem der Präsident die Katastrophenschutzbehörde (FEMA) als nachgeordnete Verwaltungsstelle des Heimatschutzministeriums anweist, in Absprache mit dem Gesundheits-ministerium die Verfügbarkeit von Atemschutzfiltern, Gesichtsmasken, Schutzhandschuhen und Beatmungsgeräten sicherzustellen.14 Eine entsprechende vorübergehende Verordnung (temporary final rule) der FEMA wurde im Amtsblatt der USA am 10. April 2020 veröffentlicht und ist bis zum 10. August 2020 in Kraft.15 Hierin ist festgelegt, dass die oben genannten medizintechnischen Güter nicht ohne eine Genehmigung der FEMA ausgeführt werden dürfen (Genehmigungsvorbehalt). Damit ist die Ausfuhr praktisch untersagt. Ausnahmen gibt es nur für bestehende Verträge, die bis zum 1. Januar 2020 abgeschlossen wurden. Zudem müssen im entsprechenden Vorjahreszeitraum 80 Prozent der übrigen Produktion zur Verwendung in den Vereinigten Staaten verblieben sein.
Am 21. April 2020 veröffentlichte die FEMA mit Wirkung vom 17. April 2020 eine Liste weiterer Ausnahmen. Sie dient der Klarstellung zum Deckungsbereich der Exportbeschränkungen der FEMA. Beispielsweise fallen Lieferungen in US-Territorien wie Guam, in US-Militäreinrichtungen außerhalb der Vereinigten Staaten oder auch diplomatische Sendungen ausdrücklich nicht in den Geltungsbereich der Verordnung. Darüber hinaus stellte die FEMA klar, dass Exportbeschränkungen weder die internationalen Verpflichtungen der Vereinigten Staaten beeinträchtigen noch die für die amerikanischen Wirtschaftsinteressen wichtigen Lieferketten unterbrechen dürfen. Zudem gewährte die FEMA Ausnahmeregelungen für Lieferungen an Nichtregierungsorganisationen, erlaubte innerbetriebliche Transporte an firmeneigene Werke und Tochtergesellschaften im Ausland und genehmigte Lieferungen der genannten Produkte im Transit durch die Vereinigten Staaten.

Erhöhte Lagerhaltung: Um den beschriebenen Problemen bei Zulieferprodukten entgegenzuwirken, setzen Unternehmen auf erhöhte Lagerhaltung von kritischen Komponenten. Dies bindet Liquidität und führt zu erhöhten Kosten – insbesondere, da viele Branchen nun gleichzeitig ihre Nachfrage nach Lagerkapazität steigern.

Einreisebeschränkungen: Bereits vor der Pandemie berichteten Unternehmen in den Vereinigten Staaten zunehmend, dass (temporäre) Arbeitsvisa, deren Beantragung vor wenigen Jahren nur einige Tage beanspruchte, nun Monate dauern würden. Mit der Pandemie hat sich diese Problematik noch einmal um ein Vielfaches verschärft. Visumhaltern in den USA (z. B. L1 Visum) ist es aktuell nicht erlaubt, wieder in die USA einzureisen, wenn sie sich in den vorangegangenen 14 Tagen in der Schengen-Region aufgehalten haben. Die Einreise in die USA ist aktuell laut Proklamation von Präsident Trump nur „permanent residents“, das heißt Staatsbürgern und beispielsweise Greencard Haltern, erlaubt sowie einigen weiteren Untergruppen. Konkret heißt dies, dass deutsche Manager, die mit einem L1 Visum in den USA arbeiten, nicht nach Deutschland/Schengen reisen dürfen und anschließend wieder zurück in die USA – sie würden an der US-Grenze abgewiesen werden. Damit sind Businessreisen oder Familienbesuche in Deutschland aktuell unmöglich. Eine zeitliche Begrenzung der US-Einreiseverbote ist aktuell nicht abzusehen. Die EU handhabt es weniger strikt und erlaubt weiterhin die Einreise von Menschen, die einen Aufenthaltstitel in der EU haben (z. B. Blue Card oder ICT Card), also das Äquivalent eines L1 Visums.Mittelfristig droht eine weitere Einschränkung bei US-Arbeitsvisa, da Präsident Trump „Vorfahrt für US-Bürger beim Wiederanlaufen des Arbeitsmarktes“ sicherstellen möchte. Um dies zu erreichen, hat Trump seit April die Gewährung von Green Cards für 60 Tage ausgesetzt und die US-Minister für Auswärtiges, Arbeit und Innere Sicherheit beauftragt, die zukünftige Erteilung aller „nonimmigrant visas“ innerhalb von 30 Tagen zu überprüfen. Unter diese Prüfung fallen auch solche Visa, die bevorzugt von deutschen Unternehmen in den USA benutzt werden (wie beispielsweise L1 und B1)16. Die Ergebnisse der Überprüfung wurden nicht veröffentlicht (Stand 26.05.2020).

Trend zur Re-Lokalisierung: Die Produktion für den US-Markt verlagert sich verstärkt in die USA selbst. Dies ist politisch von der Trump-Administration gewünscht: Volle Rechts- und Planungs-sicherheit soll es erklärtermaßen nur für die Produktion in den USA geben. Die Corona-Krise bestärkt diesen Trend. Ein Problem für Unternehmen ist, dass Komponenten im US-Markt oft nicht in der Quantität und Qualität (Stichwort: Fachkräftemangel) verfügbar sind wie auf dem Weltmarkt. Dies erzeugt Zusatzkosten, weil neue (US-) Zulieferer teilweise neu zertifiziert werden müssen, etwa um gesetzliche Sicherheitsvorgaben nachweislich zu erfüllen.

Nachfragerückgang: Teilweise direkt durch die pandemiebedingten Einschränkungen bedingt, insbesondere jedoch wegen der massiv gestiegenen Arbeitslosigkeit und wirtschaftlichen Unsicherheit, sinkt die Nachfrage sowohl im Konsum- wie auch im Investitionsbereich. Dies betrifft die Branchen sehr unterschiedlich. Die Verunsicherung bezüglich der mittelfristigen Kapazitätsplanung steigt jedoch bei vielen Unternehmen massiv. Aufgrund des Überschusses beim Warenhandel mit den USA wird der Nachfragerückgang auch starke Auswirkungen auf die EU-Exporte in die USA haben.