Wohlstand durch Arbeitsteilung
Leonard E. Read, Gründer der Foundation for Economic Education (FEE), schrieb 1958 eine schöne Geschichte auf, die vom Wunder des Bleistifts berichtet. Sein Text handelt von den unzähligen Menschen rund um den Globus, die an der Entstehung eines Bleistifts beteiligt sind: Vom Bergbauarbeiter, der Graphit in Sri Lanka abbaut, vom Holzfäller in Oregon, vom Arbeiter auf der Ölraffinerie, vom LKW-Fahrer, vom Fabrikchef, vom Chemiker und von vielen, vielen anderen.
Die Geschichte erzählt auch von Menschen, die sich untereinander nicht kennen und die keine Ahnung davon haben, wie ein Bleistift in allen seinen Produktionsschritten hergestellt wird. Sie wissen bisweilen nicht einmal, dass sie mit ihrer Arbeit dazu beitragen, ihn herzustellen.
Wie durch eine unsichtbare Hand geleitet, gelangt ein Bleistift in die sichtbare Hand eines Schulkinds – das damit etwa ein schönes Bild zeichnet.
Es ist offensichtlich: Kein Mensch allein könnte alle Roh- und Werkstoffe abbauen sowie Maschinen und Werkzeuge erfinden, produzieren und bedienen, um einen Bleistift entwickeln, herstellen, transportieren und vermarkten zu können – schon gar nicht für einen Euro pro Stück. Kein Mensch allein hat so viele Ideen, so viel Arbeitskraft und so viel Wissen.
Der Bleistift ist, genau wie Tausende andere Waren des täglichen Gebrauchs auch, ein Ergebnis der internationalen Arbeitsteilung. Sie führt das Wissen der Menschen und die Rohstoffe der Welt zusammen. Wenn wir in Gedanken auf einem Bleistift kauen, dann kauen wir auf einem Stück gelebter und erfolgreicher Außenwirtschaft, Arbeitsteilung und Globalisierung.
Umgekehrt heißt das: Wird die Arbeitsteilung an Landesgrenzen blockiert, kann sie ihre positive Wirkung nicht mehr entfalten. Jeder Zoll und jedes Handelshemmnis auf der langen Wertschöpfungskette des Bleistifts behindert seine Entstehung. Der Bleistift wird teurer und/oder minderwertiger. Ist die Zahl der Handelshemmnisse zu groß, lohnt es sich nicht mehr, ihn herzustellen.
Mit jedem neuen Eingriff in den freien Handel bleiben nicht nur Waren und Dienstleistungen am Grenzzaun hängen, sondern auch die Ideen, die Arbeitskraft und das Wissen jener Menschen, die hinter diesen Produkten stehen.
Die Zahl der Patente und unser hohes Bruttosozialprodukt beweisen es: Die Menschen in Deutschland bringen besonders viele Ideen, viel Arbeitskraft in Waren und Dienstleistungen ein. Etwa die Hälfte der deutschen Wertschöpfung fließt in den Export. Fast jeder vierte Arbeitsplatz hängt direkt oder indirekt vom Export ab. Autos, Maschinen sowie Medizin- und Elektrotechnik sind deutsche Exportschlager.
Der Export ist freilich kein Selbstzweck. Der Handel ermöglicht uns den Absatz von Waren im Ausland und schafft damit Wachstum und Arbeitsplätze. Wir profitieren aber auch von Importen. Das geschieht nicht immer auf Gegenseitigkeit, denn in manche Länder exportieren wir mehr, als wir importieren und umgekehrt. Dennoch profitieren alle Seiten in allen Teilen der Welt vom Freihandel – sofern sie mitmachen. Und die meisten machen mit: Unsere wichtigsten Handelspartner sind die Nachbarn in Europa, aber auch in Nordafrika sowie im Nahen und Mittleren Osten nehmen die wirtschaftlichen Verflechtungen zu.
Und mit den dynamischen Wirtschaftsräumen im Asien-Pazifik-Raum und mit den afrikanischen Staaten südlich der Sahara baut die deutsche Wirtschaft die Handels- und Investitionsbeziehungen ebenfalls aus. Vergessen werden darf dabei nicht, dass überall auf der Welt deutsche Unternehmen hohe Investitionen leisten. In Lateinamerika ist Deutschland bereits der drittgrößte Investor. Diese Internationalisierung deutscher Firmen bewirkte, dass die industrielle Basis in Deutschland erhalten blieb. Sie katapultierte Deutschland außerdem mitten hinein in den verflochtenen Weltmarkt.
Das zeigen auch die Bestände der deutschen Direktinvestitionen im Ausland. Sie haben sich zwischen 1990 und 2018 mehr als verfünffacht. Deutsche Unternehmen beteiligen sich vor Ort, erschließen damit neue Absatzmärkte und verkaufen auf diese Weise noch einmal doppelt so viele Güter im Ausland, wie sie exportieren.
Aber auch hier gilt das Prinzip der Gegenseitigkeit: In Deutschland hatten 2017 rund drei Million Menschen aufgrund ausländischer Investitionen einen Arbeitsplatz.
Und was bringt die Zukunft? Den Weg frei für mehr Handel von deutschen Waren und Dienstleistungen haben eine Vielzahl präferentieller Handelsabkommen der EU und der Welthandelsorganisation gemacht. Die Europäische Kommission listet zurzeit 38 Handelsabkommen, die voll in Kraft sind (einschließlich drei Zollunionen), 48 Abkommen, die teilweise in Kraft sind (z.B. das Abkommen mit Kanada), 25 Verträge, die noch ratifiziert werden müssen, und fünf bestehende Abkommen, die gerade modernisiert werden (z.B. mit Chile und Mexiko). Mit 21 Staaten verhandelt die EU derzeit Handels- und Investitionsabkommen (z.B. mit den vier Mercosur-Staaten und den USA). 129 deutsche Investitionsförder- und -schutzverträge sowie Investitionskapitel in EU-Handelsabkommen sichern deutsche Investitionen im Ausland gegen politische Risiken ab.
An diese Erfolge müssen wir anknüpfen, etwa wenn wir mit unserem wichtigsten Wirtschaftspartner außerhalb der EU ein Freihandelsabkommen abschließen. Es geht bei solchen Abkommen nicht darum, unsere hohen Qualitäts- und Sicherheitsstandards zu senken, sondern darum, sie zu exportieren. Und: Bei der internationalen Arbeitsteilung geht es nicht nur um Wohlstand und Arbeitsplätze in Deutschland, sondern um die begründete Hoffnung auf ein besseres Leben für Milliarden Menschen rund um den Globus.
Ansprechpartner
Matthias Krämer
Abteilungsleiter Außenwirtschaftspolitik
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M.Kraemer@bdi.euFriedolin Strack
Abteilungsleiter Internationale Märkte
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Bilaterale Wirtschaftsbeziehungen zu Asien-Pazifik, Lateinamerika, Naher und Mittlerer Osten, Nordafrika; Koordinator Deutschland und Sprecher der Geschäftsführung Asien-Pazifik-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft (APA)