In der Welt der kleinsten Teilchen

Am Hamburger Stadtrand entsteht der größte Röntgenlaser der Welt: In kilometerlangen, unterirdischen Tunnelröhren wird im September 2017 der European XFEL den Betrieb aufnehmen. Forscher aus aller Welt erkunden dann die Geheimnisse der subatomaren Welt.

 

Eines der aufregendsten wissenschaftlichen Experimente unserer Zeit findet unter idyllischen grünen Wiesen in Schleswig-Holstein statt. Das Bürogebäude in Schenefeld vor den Toren Hamburgs ist eher unscheinbar. Umso spektakulärer ist, was sich unterirdisch zeigt. In bis zu 38 Metern Tiefe haben die Forscher eine Anlage geschaffen, die weltweit ihresgleichen sucht. Der European XFEL (X-Ray Free-Electron Laser, zu Deutsch: Freie-Elektronen-Laser für Röntgenlicht) ist der größte und leistungsfähigste Röntgenlaser der Welt – und eines der internationalsten Experimente Deutschlands.

Elf Länder sind am Bau beteiligt, um in einem 3,4 Kilometer langen Tunnelsystem Gastwissenschaftlern zu ermöglichen, die Geheimnisse des Nano-Kosmos zu erforschen. Hier werden ab September 2017 Elektronenpakete beschleunigt und laserartige Röntgenblitze erzeugt, die Aufschluss geben sollen über winzigste Strukturen oder ultraschnelle chemische Reaktionen. Eine verborgene wissenschaftliche Welt tief unter den Straßen und Häusern des Hamburger Alltagslebens.

Grundlagenforschung als Innovationsmotor

Die Großversuchsanlage zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein ist ein wichtiger Meilenstein für die Innovationsstimulierung am Industriestandort Deutschland. Ohne Innovationen können wir unseren Wohlstand nicht steigern und sind den sich wandelnden globalen Herausforderungen nicht gewachsen. Wissenschaftliche Grundlagenforschung ist eine wesentliche Quelle für Innovationen.

Der European XFEL schafft eine Umgebung, in der Forscher die dreidimensionale Struktur von Biomolekülen, Zellen und Viren entschlüsseln können als Grundlage für Medikamente der Zukunft. Sie können filmen, wie sich Moleküle verhalten, bilden und trennen und damit zu Verbesserungen bei der Produktion chemischer Stoffe beitragen. Untersuchungen über Magnetisierung oder Materie in extremen Zuständen können wichtige Erkenntnisse liefern, um z. B. Bauteile für die Datenspeicherung zu optimieren oder neue Technologien zur Energieerzeugung zu entwickeln.

Jenseits der menschlichen Vorstellungskraft

Noch ist die Anlage in Vorbereitung. Seit 2009 wird am European XFEL gebaut. In den Tunneln stehen, auf Stahl und Beton, schränkeweise Präzisionsgeräte – Hightech, wohin das Auge reicht. Im laufenden Betrieb wird der 1,7 Kilometer lange Linearbeschleuniger die Elektronen auf Energien von 10 bis 17,5 Milliarden Elektronenvolt bringen, später sind sogar 20 Milliarden Elektronenvolt geplant.

Der Röntgenlaser wird es auf eine Zahl von 27.000 Blitzen pro Sekunde bringen – auf einer Wellenlänge von 0,05 bis 4,7 Milliardstel Meter (Nanometer). Die kürzeste Blitzdauer beträgt wenige Billiardstel Sekunden (Femtosekunden). Es sind Dimensionen, die sich der menschlichen Wahrnehmung und Vorstellungskraft entziehen.

Zwischen Kabeln und Gefühlen

Unter der Erde dient die achtstöckige Halle HERA-Süd, ein Experimentiergebäude des 2007 stillgelegten DESY-Teilchenbeschleunigers HERA, als Lagerhalle für zu verbauende Teile, als Forschungsstätte und als Vorbereitungsort für technische Installationen des European XFEL. Auch hier überall Hightech: entlang der Wände endlose Kabellandschaften, zwischendrin mal ein Reinraum, dann wieder Kisten und Kästen mit technischer Ausrüstung.

Und wie zur Erinnerung, dass hier Menschen tätig sind, die mit Leidenschaft und Begeisterung arbeiten, und nicht etwa Roboter, die sich selbst beschäftigen, stößt der Besucher inmitten von Messgeräten auf ein verträumtes Stoff-Rentier und einen Spiderman, die in stiller Eintracht auf einem der Reinräume sitzen.

Slideshow: Der leistungsfähigste Röntgenlaser der Welt

Ein Superlativ: der European XFEL  © Projekt „Superlative – Made in Germany“

Ein Superlativ: der European XFEL  © Projekt „Superlative – Made in Germany“

Ein Superlativ: der European XFEL  © Projekt „Superlative – Made in Germany“

Ein Superlativ: der European XFEL  © Projekt „Superlative – Made in Germany“

Ein Superlativ: der European XFEL  © Projekt „Superlative – Made in Germany“