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50 Jahre BDI-Umweltausschuss: Ringen um Ausgleich von Ökonomie und Ökologie

Für den BDI-Ausschuss Umwelt, Technik und Nachhaltigkeit war 2022 ein besonderes Jahr. Ende Oktober 1972 wurde der BDI-Ausschuss für Umweltfragen und zwei Jahre später das Umweltbundesamt gegründet. Welchen Beitrag der BDI-Ausschuss in hochaktuellen Debatten rund um Fragen der deutschen und europäischen Umwelt-, Technik- und Nachhaltigkeitspolitik leistet, erklärt der Ausschussvorsitzende Andreas Theuer.

Ende Oktober 1972 war es soweit: Am damaligen Sitz des BDI in Köln wurde ein neuer Ausschuss, der BDI-Umweltausschuss, gegründet. Es war in den Jahren zuvor immer deutlicher geworden, dass über langfristige Entwicklungs- und Wachstumsperspektiven der Industrie in Deutschland nicht mehr diskutiert werden konnte, ohne die immer stärker werdenden politischen Diskussionen über deren Umweltauswirkungen miteinzubeziehen. Schon 1961 hatte Willy Brandt mit dem umweltpolitischen Slogan „Der Himmel über dem Ruhrgebiet muss wieder blau werden.“ Wahlkampf gemacht. Erst das Jahr 1972 erlebte aber den Start der politischen Umweltbewegung. Der Bericht „Grenzen des Wachstums“ des Club of Rome machte Schlagzeilen und lenkte die Aufmerksamkeit auf die Begrenztheit der Ressourcen. Die Umweltbewegung „Greenpeace“ wurde gegründet. 1974 nahm das Umweltbundesamt seine Arbeit auf und im Jahre 1986 folgte das Bundesumweltministerium.

Umweltfragen damals und heute

Das Umweltrecht wurde spürbar ausgeweitet. Nationale Meilensteine waren das Abfallgesetz von 1972, das Bundes-Immissionsschutzgesetz von 1974 und das Bundes-Naturschutzgesetz von 1976. In der Rechtsprechung kam es erst auf nationaler, später auch auf europäischer Ebene immer häufiger zu Urteilen, in denen Umweltbelange vor industriefreundlichen Positionen rangierten. Der Ausbau des Umweltschutzes, sowie der Beteiligungs- und Klagerechte, erreichte hohe Priorität. Gleichzeitig stieg die Zahl und der Einfluss von Umwelt-Organisationen (NGOs). Kampagnenstark und medial mächtig, sind die meisten von ihnen national wie europäisch aufgestellt und international gut vernetzt.

Dies gilt auch mit Blick auf das Verursacherprinzip im Umweltrecht, mit dem bestimmt wird, wem Umweltbeeinträchtigungen zuzurechnen sind und wer für die Beseitigung in die Pflicht genommen werden soll. Das Verursacherprinzip war schon ein zentrales Thema bei der Gründung des BDI-Umweltausschusses vor 50 Jahren. Das Verursacherprinzip hat inzwischen aber Weiterungen erfahren. Es kommt an seine Grenzen, wenn man sich die globalisierte Wirtschaftsordnung mit ihrer oft feingliedrigen Arbeitsteilung vor Augen hält, mit kaum überschaubaren Verschachtelungen von Ausgangs- und Rohstoffen, Vorprodukten und Teilelieferungen, grenzüberschreitenden Arbeitsleistungen und Transportwegen sowie der internationalen Auffächerung von Dienstleistungen. Hinzu kommt die Tendenz in der Politik, Verantwortung weg vom Verbraucher und hin zu wirtschaftlich gerade kritisch betrachteten oder als übermächtig wahrgenommenen Akteuren zu verlagern. Wir sehen diese Tendenz aktuell zum Beispiel bei der Diskussion um die Lieferkettenverantwortung sowie im Klimarecht, wo das Verursacherprinzip Klimaklagen gegen Unternehmen rechtfertigen soll.

Schauen wir auf diese 50 Jahre Umweltschutz, so ist er ohne die deutsche Wirtschaft und insbesondere die Industrie nicht denkbar. Viele Umweltschutzleistungen, viele Standards, bedeutende Umweltschutz-Technologien sind von deutschen Unternehmen entwickelt und etabliert worden. Die Industrie als wichtiger Teil der deutschen Volkswirtschaft wendet Umweltschutz täglich in ihren Produktionsbetrieben an, sie fördert die Umwelt-Innovationen und sie verdient das Geld, um sich die hohen Umweltstandards unseres Landes überhaupt leisten zu können.

Ein Gremium für alle Umweltmedien und eine wachsende Zahl an Themen

Was vor 50 Jahren mit dem „Ausschuss für Umweltfragen“ begann, hat inzwischen den breiteren Horizont „Umwelt, Technik und Nachhaltigkeit“. Wir sprechen heute nicht mehr nur über Wasser, Boden und Luft, sondern auch über Biodiversität, Kreislaufwirtschaft, Chemikalienrecht, Normung und Akkreditierung, über Produktsicherheit und technischen Arbeitsschutz, über Ressourceneffizienz, Ökodesign und den Green Deal.

Wir haben ständig um die fünfzig Themen in Bearbeitung und müssen laufend unsere Prioritäten an das aktuelle Geschehen anpassen. Zudem gilt es viele Schnittstellen zu anderen Themenfeldern zu bedienen, so etwa zum Klimaschutz, Energieeffizienz, Mobilität oder auch zur Digitalisierung.

Heute ist der Umweltschutz in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Er ist selbstverständlich geworden. Trotzdem ist unser BDI-Ausschuss nach fünfzig Jahren nicht überflüssig geworden. Wir begleiten mit Sachverstand und kritischem Wohlwollen die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen und werden sicher noch viele Jahrzehnte unsere Stimme erheben. Denn im demokratischen Ringen um die besten Lösungen ist die politische Interessenvertretung legitim und unverzichtbar. 

Das alles könnte der Ausschuss ohne die intensive Arbeit der vielen umweltpolitischen BDI-Arbeitskreise nicht leisten. So aber sind wir gut aufgestellt, damit der BDI auch zukünftig eine gewichtige und konstruktive Stimme in der umweltpolitischen Diskussion auf nationaler und europäischer Ebene sein kann.