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Arbeitnehmer im Zentrum: Handelspolitik unter Joe Biden

Kaum ein Land hat das multilaterale Handelssystem so geprägt wie die USA. Mit seiner „America First”-Politik untergrub der 45. US-Präsident Donald Trump jedoch internationales Handelsrecht – mit erheblichen Kosten auch für die USA und ihre Verbündeten. Unter Joe Biden werden nun andere handelspolitische Prioritäten deutlich.

Die transatlantische Handelspolitik hat in den vergangenen Jahren Höhen und Tiefen und vor allem einige extreme Wendungen erfahren. Während unter US-Präsident Obama und Vizepräsident Joe Biden noch zwei große Freihandelsabkommen vorangetrieben wurden – die transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft TTIP mit der Europäischen Union (EU) und die Transpazifische Partnerschaft TPP mit einer Reihe von Pazifikanrainern –, kam es nach Amtsantritt von Donald Trump zur Kehrtwende. Die TTIP-Verhandlungen, die schon zuvor ins Stocken geraten waren, wurden abgebrochen. Außerdem zog Trump die Beteiligung der USA an der ausverhandelten TPP zurück.

Nach der Devise „America First” begriff Donald Trump den internationalen Handel als Nullsummenspiel. Für ihn bedeutete eine negative Handelsbilanz, dass die jeweiligen Handelspartner die geltenden Regeln des Handelssystems nicht respektierten. Ganz oben auf der Agenda stand China, jedoch war der Präsident ebenso kritisch gegenüber der Handelspolitik enger Partner wie der der EU und Japans. Die Trump-Administration stellte außerdem nationale Sicherheitsinteressen in den Vordergrund ihrer Handelspolitik. Mit dem Argument der nationalen Sicherheit begründete sie beispielsweise die Zölle auf Stahl und Aluminium und drohte mit Zöllen auf Autos und mobile Kräne. Freihandelsverhandlungen führte die Trump-Administration insbesondere, um bestehende Abkommen nachzubessern, wie im Fall von NAFTA (jetzt USMCA) oder auch dem Abkommen mit Südkorea. Zudem begann sie in wenigen Fällen neue Verhandlungen, welche jedoch nicht abgeschlossen wurden: mit dem Vereinigten Königreich und Kenia.

Joe Bidens handelspolitische Prioritäten und die „2023 Trade Policy Agenda“

Inzwischen sind eigene Akzente der Biden-Administration deutlich geworden – insbesondere in den folgenden Feldern:

  • „Worker-centered trade policy“: Im Zentrum der Handelspolitik der Biden-Administration stehen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Dies bekräftigt einmal mehr die Anfang März erschienene handelspolitische Agenda des Büros der US-Handelsbeauftragten (USTR) für das Jahr 2023. Diese knüpft insgesamt an die Dokumente aus den Jahren 2021 und 2022 an und enthält keine überraschenden neuen Schwerpunkte. So soll Handel laut der „2023 Trade Policy Agenda“ insbesondere dazu dienen, die Mittelschicht zu vergrößern, Ungleichheit zu reduzieren, die Klimakrise zu bekämpfen und faire Wettbewerbsbedingungen herzustellen. Die US-Administration möchte für Arbeitnehmerrechte eintreten, beispielsweise im Verhältnis zu Mexiko über das USMCA, aber auch in Foren wie der G7 und über Gesetze wie den „Uyghur Forced Labor Prevention Act“. Auch die Förderung der US-Landwirtschaft mit ihren verschiedenen Arbeitergruppen auch in der Fischerei und Lebensmittelproduktion wird als Maßnahme genannt. US-Landwirtinnen und Landwirte sollen beispielsweise durch die Durchsetzung der Regeln bestehender Handelsabkommen unterstützt werden. Darüber hinaus setzt die Biden-Administration ihr Ziel der vergangenen beiden Jahre fort, mit Hilfe von Handelspolitik Ungleichheit zu reduzieren und ein gerechtes und resilientes Wirtschaftswachstum zu unterstützen. Benachteiligte und marginalisierte Gruppen und Gemeinden („underserved communities“) sollen gefördert werden. Daneben soll genauer auf die Auswirkungen des internationalen Handels auf die unterschiedlichen Gruppen in der Gesellschaft geschaut und auf die Einbindung unterschiedlicher Stakeholder geachtet werden.

  • Klima- und Umweltschutz als Ziel der Handelspolitik: Während der Klimaschutz in der Handelspolitik der Trump-Administration keine Rolle spielte, möchte die Biden-Administration die Handelspolitik explizit dazu nutzen, die Dekarbonisierung voranzutreiben und eine nachhaltige Wirtschaft zu fördern, sowohl bi- als auch multilateral. Als Beispiele werden in der „2023 Trade Policy Agenda“ unter anderem das „Global Arrangement on Sustainable Steel and Aluminum“ genannt, welches die USA derzeit mit der EU verhandeln, sowie das 2022 abgeschlossene WTO-Abkommen zu Fischereisubventionen. Die Vereinbarungen zum Umweltschutz in bestehenden Freihandelsabkommen der USA sollen effektiv durchgesetzt werden.

  • Zusammenarbeit mit wichtigen Partnern und multilateralen Organisationen: Im Gegensatz zu Donald Trumps „America First“-Ansatz ist die internationale Zusammenarbeit mit Verbündeten und internationalen Organisationen für die Biden-Administration wieder ein wichtiges Ziel und Element ihrer Arbeit, welches auch in der handelspolitischen Agenda 2023 hervorgehoben wird. Die Handelsstreitigkeiten mit der EU über US-Zölle auf Stahl und Aluminium und die Strafzölle aufgrund von Subventionen für die Flugzeugbauer Airbus und Boeing wurden nach Amtsantritt von Joe Biden relativ zügig geschlichtet, wenn auch nicht endgültig beigelegt. Inzwischen führen die USA mit zahlreichen Ländern handelspolitische Verhandlungen, beispielsweise mit der EU im Rahmen des Trade and Technology Council (TTC). Jedoch handelt es sich hierbei nicht um die Verhandlung klassischer Freihandelsabkommen (FTAs). Insgesamt zeigt sich die aktuelle US-Regierung deutlich offener für die Belange von Handelspartnern als ihre Vorgängerregierung.