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Auswirkungen von Klimaklagen auf die Unternehmen?

Erstmals hatte eine „Klimaklage“ vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Erfolg. Auf eine Beschwerde von Schweizer Seniorinnen stellte der EGMR im April 2024 fest, dass sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ein Recht der Bürgerinnen und Bürger auf wirksame staatliche Schutzmaßnahmen vor den nachteiligen Auswirkungen des Klimawandels ergibt. Was bedeutet dies Urteil für Unternehmen?

Gerichtliche Verfahren im Zusammenhang mit dem Klimawandel sind längst keine Seltenheit mehr. Zunehmend gewinnen – auch in Deutschland – Klimaklagen an Popularität. Der BDI verfolgt diese Entwicklung seit längerem aufmerksam. So klagt derzeit ein peruanischer Bergführer und Landwirt beim Landgericht Essen gegen RWE. Der Konzern müsse sich nach Ansicht des Klägers an den erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor dem Klimawandel beteiligen. Vor dem Hintergrund, dass nunmehr eine „Klimaklage“ vor dem EGMR erfolgreich war, stellt sich aus Sicht der Industrie die Frage, ob und inwiefern das Verfahren Auswirkungen auf die Unternehmen hat. Ist davon auszugehen, dass zahlreichen deutschen Unternehmen eine Verurteilung vor den Zivilgerichten droht? Fraglich ist zudem, ob auch der deutsche Staat weitere „Klimaklagen“ zu erwarten hat.

Was verbirgt sich hinter „Klimaklagen“?

Grundsätzlich handelt es sich bei „Klimaklagen“ um gerichtliche Verfahren, bei denen Privatpersonen oder Nichtregierungsorganisationen (NGOs) Klimaschutzmaßnahmen gegen Unternehmen oder Regierungen durchsetzen wollen. Klimaklagen gegen einen Staat zielen in der Regel darauf ab, den jeweiligen Staat zu stärkeren klimapolitischen Maßnahmen zu bewegen. Im Gegensatz dazu sind Klimaklagen gegen Unternehmen häufig auf das Unterlassen klimaschädlichen Verhaltens gerichtet. Zusätzlich verbinden die Klagenden sie regelmäßig mit einem Schadensersatzbegehren für die Beseitigung von Schäden, die aus vergangenem klimaschädlichem Verhalten resultieren sollen.

Bundesverfassungsgericht sieht einen weiten Spielraum des Gesetzgebers

Die bekannteste „Klimaklage“ in Deutschland führte zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom März 2021. Eine Gruppe Jugendlicher hatte mit der Hilfe einer NGO geltend gemacht, dass der Staat mit dem Klimaschutzgesetz (KSG) keine dem Klimaschutz genügende Rechtsgrundlage geschaffen habe. Insbesondere fehle es an einer Regelung, die über das Jahr 2030 hinaus geht. In § 3 KSG ist lediglich geregelt, dass bis zum Jahr 2030 eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um mindestens 55 Prozent erfolgen muss (Vergleichsjahr 1990).

Das Bundesverfassungsgericht urteilte, dass das Grundgesetz die Bürgerinnen und Bürger grundsätzlich vor Beeinträchtigungen durch Umweltbelastungen schützt. Ferner sei die Herstellung der Klimaneutralität sogar ein verfassungsrechtlich verankertes Staatsziel (Art. 20a GG). Das Gericht konnte jedoch keine grundsätzliche Verletzung dieser Schutzpflichten durch das KSG erkennen. Seiner Ansicht nach steht dem Gesetzgeber ein sehr weiter Spielraum zu. Eine Grundrechtsverletzung läge vielmehr deshalb vor, weil nach der gesetzlichen Regelung kaum noch Restemissionen nach dem Jahr 2030 verbleiben. Die Grundrechte schützten als intertemporale Freiheitssicherung vor einer einseitigen Verlagerung der Treibhausgas-minderungslast in die Zukunft.

Jüngst verhandelte auch das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg weitere Klimaklagen. Gegenstand war hier unter anderem das „Klimaschutzprogramm 2023“ der Bundesregierung. Das Gericht kam im November 2023 zu dem Ergebnis, dass das von der Regierung vorgelegte Programm nicht den Anforderungen an ein Sofortprogramm gemäß dem KSG entspricht. Ein solches müsse kurzfristig wirksame Maßnahmen enthalten, welche die Einhaltung der im KSG ausgewiesenen Jahresemissionsmengen für die folgenden Jahre im jeweiligen Sektor garantieren. Im Mai 2024 gab das OVG Berlin-Brandenburg zwei weiteren Klimaklagen statt. Es sei bereits absehbar, dass in vielen Sektoren die zulässigen Mengen an Treibhausgasen überschritten werden. Das Klimaschutzprogramm entspreche daher nicht vollständig den gesetzlichen Vorgaben.

Letztlich ändern jedoch auch diese Entscheidungen nichts daran, dass der Gesetzgeber grundsätzlich einen sehr weiten Spielraum hat.

OLG München stärkt rechtstreue Unternehmen

Neben der eingangs erwähnten Klage des peruanischen Bergführers hat in Deutschland vor allem das Verfahren der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen den Automobilhersteller BMW Popularität erlangt. Gegen den Autokonzern Mercedes-Benz und den Energieversorger Wintershall Dea hatte die DUH ähnliche Klagen erhoben.

Im Wesentlichen macht die DUH gegenüber den Unternehmen einen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend. Diesen stützt siekonkret auf das „allgemeine Persönlichkeitsrecht“. Der zuvor erwähnte Klimaschutzartikel (Art. 20a GG) sei – so die DUH - auch für privatrechtliche Unternehmen bindend und nicht nur für den Staat. Mit dieser Klage scheiterte die DUH jedoch in zwei Instanzen. Das OLG München urteilte sehr klar, dass eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht vorliege. Es fehle bereits an einem rechtswidrigen Eingriff. Zudem erfülle der Automobilhersteller die für den Unterlassungsanspruch notwendige Störereigenschaft nicht.

Das OLG München unterstrich, dass die genannte Rechtsprechung des Bundesverfassungs-gerichts ausschließlich eine Verpflichtung des Gesetzgebers begründet. Sofern ein Unternehmen – wie hier BMW – seine Produktion im geltenden gesetzlichen Rahmen (EU-Emissionsverordnungen und nationale Regelungen) realisiert, erfülle es auch seine Verkehrssicherungspflicht.

Zudem setze die Störereigenschaft voraus, dass das Unternehmen einen bestimmten Einfluss auf die Rechte des Klägers nimmt. Im streitigen Fall überschreite BMW die Schwelle jedoch nicht. Mit einem Anteil von 0,2 Prozent an den globalen Emissionen würde sich auch eine vollständige Einstellung der Produktion ohne große Wirkung zeigen. Weitere gesetzgeberische Maßnahmen seien ohnehin notwendig.

Auswirkungen des EGMR-Urteils auf die Rechtslage in Deutschland?

Die Auswirkungen des oben genannten EGMR-Urteils zu den Schweizer Seniorinnen dürften sowohl für den Staat als auch für die Unternehmen nur gering sein.

Zum einen geht das Urteil nicht über die zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hinaus. In Deutschland war bereits vorher geklärt worden, dass es sich um eine Grundrechtverletzung handelt, wenn der Staat es unterlässt, geeignete Maßnahmen gegen den Klimawandel zu treffen.

Zum anderen handelt es sich Falle des EGMR-Urteils gerade nicht um ein zivilrechtliches Verfahren. Für deutsche Unternehmen und die Frage nach etwaigen zukünftigen Klimaklagen ist daher die Entscheidung des OLG München von größerer Bedeutung. Bisher machen die Zivilgerichte in Deutschland deutlich, dass Klimaschutzmaßnahmen primär in die Sphäre des Gesetzgebers und gerade nicht in die der Privatwirtschaft fallen. Dies ist insbesondere auch vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der richtige Weg. Eine abschließende Entscheidung des Bundesgerichtshofes für diese zivilrechtlichen Fälle ist vorerst nicht zu erwarten. Die Revision zum Bundesgerichtshof wurde bisher nicht zugelassen.