Bürokratieabbau ist kein Selbstzweck
Ein guter Regulierungsrahmen und der Abbau von Bürokratie sind gerade für den Mittelstand essenziell. Vielleicht kann die aktuelle Wachstumsabschwächung in diesem Punkt als Weckruf für die Bundesregierung dienen. Denn der Mittelstand bildet mit 99,5 Prozent aller Unternehmen, die ca. 54 Prozent der Nettowertschöpfung auf sich vereinigen, das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Ein Großteil der bürokratischen Belastungen liegt auf den Schultern der fast 3,5 Millionen kleinen und mittleren Unternehmen.
Fast zwei Jahre nach der letzten Bundestagswahl scheint es nun endlich einen neuen Anlauf der Bundesregierung für ein Bürokratieentlastungsgesetz III zu geben, was zu begrüßen ist. Damit dieses wirklich ein großer Wurf wird, sollte sich die Koalition auf Maßnahmen verständigen, die eine große Reichweite besitzen und viele Unternehmen entlasten können. Dabei sind grundsätzlich zwei Wege zielführend: Zum einen der Abbau unnötiger Regeln und zum anderen die Vereinfachung von Verfahrensabläufen in der Interaktion mit der öffentlichen Verwaltung. In einer aktuellen Studie hat das Institut der deutschen Wirtschaft deshalb zehn Thesen zum Abbau von Bürokratie und zur Vereinfachung von Verfahren vorgestellt, welche eine spürbare Entlastung bringen.
Dokumentationspflichten begrenzen und Schwellenwerte anheben
Bürokratieträchtig sind die Dokumentationspflichten bei der Arbeitszeiterfassung. Derzeit müssen Arbeitgeber Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit von geringfügig Beschäftigten und von Beschäftigten in bestimmten Wirtschaftsbereichen festhalten. Durch das Mindestlohngesetz hat sich der Dokumentationsaufwand merklich erhöht. Abhilfe schaffen würden eine Begrenzung der Dokumentationspflichten auf die Dauer der täglichen Arbeitszeit und eine Verlängerung der Aufzeichnungsfrist auf einen Monat, so dass eine Gesamterfassung im Kontext mit der monatlichen Lohnabrechnung erfolgen könnte. Nach dem jüngsten Urteil des Europäische Gerichtshof wäre hier aber noch eine Überprüfung der europarechtlichen Konformität notwendig.
Ebenso führen die Aufzeichnungspflichten bei einer Verlängerung der Arbeitszeit und die Aufbewahrung dieser Nachweise nach dem Arbeitszeitgesetz zu erheblichen Bürokratiekosten. Im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung und Flexibilisierung der Arbeitswelt sollten die Unternehmen die Möglichkeit erhalten, Arbeitnehmern mit Vertrauensarbeitszeit oder flexiblen Arbeitsformen wie Homeoffice diese Dokumentationspflichten rechtssicher übertragen zu können.
Auch eine Anhebung der Schwellenwerte bei der Buchführungspflicht könnte große Kosteneinsparungen bewirken. Die Heraufsetzung der Gewinnschwelle von 60.000 Euro auf 100.000 Euro Jahresgewinn bzw. der Umsatzgrenze von 600.000 Euro auf eine Million Euro Jahresumsatz könnte rund 1,3 Millionen Unternehmen bei ihren Buchführungspflichten entlasten.
Aufbewahrungsfristen im Steuerrecht verkürzen
Eine ähnliche Breitenwirkung würde die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege und weitere steuerrelevante Unterlagen entfalten. Eine Halbierung der Fristen auf fünf Jahre könnte die Lagerungs- und Vorhaltekosten auf 1,7 Milliarden Euro halbieren. Flankiert werden sollte dies durch eine ebenso deutliche Verkürzung der Frist zur Aufbewahrung von Unterlagen für Außenprüfungen.
Unternehmensgründungen vereinfachen
Mit einer Entbürokratisierung und Digitalisierung der Verwaltungsprozeduren für Unternehmensgründungen könnten die Hürden für neue Unternehmen gesenkt und dem seit Jahren anhaltenden Rückgang des Gründungsgeschehens entgegengewirkt werden. Hierzu würde auch das flächendeckende Angebot eines einheitlichen Ansprechpartners beitragen.
Umsetzung von E-Government beschleunigen
Die Fortschritte Deutschlands im Bereich des E-Governments sind noch immer bescheiden. Die digitale Modernisierung der Register und mehr E-Government bergen aber große Einsparpotenziale: Allein durch eine vollständige Digitalisierung der 30 wichtigsten Verwaltungsleistungen würden die Unternehmen etwa eine Milliarde Euro pro Jahr weniger ausgeben. Auch die Vereinfachung und Digitalisierung des Vergaberechts beinhaltet erhebliche Einsparpotenziale
Eine weitere Möglichkeit, die Entstehung neuer Bürokratie durch neue Gesetze zu adressieren, ist die Weiterentwicklung der „One-in, one-Out“-Regel für die Bundesgesetzgebung. Diese Belastungsbremse ist zwar seit 2015 in Kraft, jedoch sind europäische Normen und der einmalige Erfüllungsaufwand ausgenommen. Eine Schließung dieser „Schlupflöcher“ für Zusatzbelastungen könnte den Bürokratieaufwand jährlich um 640 Millionen Euro reduzieren.