Verwaltungsverfahren müssen digital erfolgen können (©Priscilla Du Preez CA auf Unsplash)

Bürokratiearm. Digital. Industriefokussiert. – Leitbild öffentliche Verwaltung 2030.

Eine effiziente Verwaltung ist für die Industrie ein Standortfaktor. Doch schon 2030 könnte die Leistungsfähigkeit der deutschen Verwaltung durch den sich zuspitzenden Fachkräftemangel und die Zunahme an Verfahren zum Erliegen kommen. Um den Staat zukunftsfest aufzustellen, müssen die Verwaltung digitalisiert, Verfahren beschleunigt und Bürokratie abgebaut werden. Der BDI legt daher ein „Leitbild öffentliche Verwaltung 2030“ vor.

Mit durchschnittlich mehr als 200 Behördenkontakten pro Jahr sind Industrieunternehmen die Poweruser der öffentlichen Verwaltung. Von der Zulassung von Kfz-Flotten über Bauanträge für neue Fertigungshallen bis hin zu umfangreichen Planungs- und Genehmigungsverfahren für die Errichtung Kritischer Infrastrukturen hat das Verwaltungshandeln weitreichende Implikationen für die Leistungsfähigkeit der Industrie als auch die Attraktivität des Standorts. Aktuell entscheiden sich Unternehmen – zunehmend auch Mittelstand und Familienunternehmen – gegen Investitionen in Deutschland, da neben hohen Energiekosten, einem zunehmenden Fachkräftemangel sowie einer großen Skepsis der Bevölkerung gegenüber Industriestandorten im eigenen Wohnumfeld langwierige und hochgradig bürokratische Verwaltungsverfahren die Standortattraktivität negativ beeinflussen.

Ohne zügige Genehmigungen keine flächendeckende 5G-Abdeckung

Ein Beispiel für mangelnde Effizienz im Verwaltungshandeln sind Genehmigungsverfahren für digitale Infrastrukturen. Durchschnittlich dauert die Genehmigung eines Mobilfunkmastes 19 Monate. Die Bundesnetzagentur hat unlängst die Betreiber von Telekommunikationsnetzen verpflichtet, ab dem Jahr 2030 99,5 Prozent der gesamten Fläche Deutschlands mit mindestens 50 Mbit/s zu versorgen. Aktuell versorgt jeder der drei Netzbetreiber eine Fläche von 99 Prozent mit dieser Bandbreite. Zwar fehlt nur eine Abdeckung von 0,5 Prozentpunkte, doch die zur Erreichung der fehlenden 0,5 Prozent Abdeckung notwendigen Standorte liegen in teils schwer zu erreichenden oder unter Naturschutz stehenden Gebieten. An diesen Stellen werden noch umfangreichere Umweltgutachten benötigt, wodurch Genehmigungsverfahren nochmals länger dauern werden.

Da die Zahl an Planungs- und Genehmigungsverfahren sich bis 2030 insgesamt verdoppeln wird, müssen Behörden noch effizienter arbeiten, um die Lawine an Verfahren bewältigen zu können. Nur mit einem Mix aus weniger Bürokratie, dem Rückgriff auf Genehmigungsfiktionen und einer konsequenten Digitalisierung von Prozessen wird die öffentliche Verwaltung in der Lage sein, die für den Ausbau digitaler Infrastrukturen notwendigen Verfahren zügig bearbeiten zu können.

Maßnahmen zur Erreichung des „Leitbilds öffentliche Verwaltung 2030“

Effiziente, bürokratiearme und Ende-zu-Ende digitalisierte Verwaltungsverfahren sind Grundvoraussetzung für eine verbesserte Funktionsfähigkeit des Staates, mehr Vertrauen der Öffentlichkeit in die Behörden sowie ein entscheidender Standortfaktor. Allein für die deutsche Wirtschaft belaufen sich die Bürokratiekosten laut Normenkontrollrat aktuell auf 65 Mrd. Euro pro Jahr. Um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland zu stärken, muss die Verwaltung digitalisiert, Verfahren beschleunigt und Bürokratie abgebaut werden. Folgende sieben Maßnahmen müssen bis 2030 implementiert werden:

  1. Kompetenzen zwischen Bund, Ländern und Kommunen zukunftsfest aufstellen: Die aktuelle Kompetenzaufteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen stößt bei der Verwaltungsdigitalisierung zunehmend an die Grenzen der Leistungsfähigkeit und führt zu Blockaden, die der Wettbewerbsfähigkeit der InnoNation schaden. Zur Lösung dieser Blockaden wären eine umfassende Föderalismusreform, mehrere Grundgesetzänderungen oder Staatsverträge denkbar.
  2. EU-Recht bundesweit einheitlich umsetzen: Damit Unternehmen europäische regulatorische Anforderungen effizient umsetzen können, sollte EU-Recht zwingend EU-weit einheitlich implementiert werden. Die uneinheitliche Auslegungspraxis der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) durch die 16 Landesdatenschutzbeauftragten sorgt beispielsweise für Rechtsunsicherheit und unnötige Zusatzkosten bei den Unternehmen, ohne den Datenschutz zu fördern.
  3. Verwaltungsdigitalisierung fokussiert vorantreiben: Eine Ende-zu-Ende digitalisierte Verwaltung aufbauend auf einer vollumfänglichen Registermodernisierung ist Grundvoraussetzung für effiziente Verwaltungsverfahren. Wichtige Schritte sind die 575 OZG-Maßnahmenbündel endlich bundesweit volldigital anzubieten, die Modernisierung der 19 Prio-Register bis 2025 abzuschließend und das Organisationskonto bundesweit als Schnittstelle zwischen Staat und Wirtschaft zu etablieren.
  4. Haushaltsmittel für Verwaltungsmodernisierung langfristig sichern: Es gilt der Verwaltungsdigitalisierung bei den Haushaltsberatungen die notwendige ressortübergreifende Priorität einzuräumen. Andernfalls droht Deutschland beim DESI-Ranking der EU-Kommission noch weiter an Boden zu verlieren und würde als Investitionsstandort weiter merklich an Attraktivität verlieren. Wir regen an, dass ca. 0,5 Prozent des Bundeshaushalts mindestens pro Jahr in die Verwaltungsdigitalisierung fließen sollten. Wir sind davon überzeugt, dass eine solche konsequente und kontinuierliche Investition nicht allein ein finanzieller Posten ist. Vielmehr wäre es eine fundierte Weichenstellung für die digitale Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes und eine wichtige Stütze für einen funktionierenden Staat.
  5. Smarte Regulierung als Standard etablieren: Der Ruf der Unternehmen nach Rechtssicherheit darf durch den Gesetzgeber nicht länger mit einem Aufwuchs an Bürokratie gleichgesetzt werden. Andernfalls fällt der Standort in seiner Wettbewerbsfähigkeit zurück, da Unternehmen immer häufiger gezwungen sind, gesondert Personal für das Einhalten von Melde- und Dokumentationspflichten einzustellen, anstatt das Geld in die Entwicklung innovativer Lösungen zu investieren.
  6. Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen: Es besteht ein breiter politischer Konsens, dass wir ein neues Deutschlandtempo für Planungs- und Genehmigungsverfahren brauchen. Das Ziel ist damit klar. Es gilt zu diskutieren, welcher Weg den größten Erfolg verspricht, um effiziente Planungs- und Genehmigungsverfahren, Umweltschutz und Geschwindigkeit in Einklang zu bringen. Damit die digitale und ökologische Transformation gelingen kann, müssen die Verfahren in ihrer Komplexität und Dauer drastisch reduziert werden
  7. Ambitionierten Bürokratieabbau über das vierte Bürokratieentlastungsgesetz hinaus forcieren: Der Entwurf der Bundesregierung zum Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) aus März 2024 bleibt – trotz erster Änderungen – allzu kleinteilig und mit geringer Wirkung für die unternehmerische Praxis. Obwohl längst zahlreiche Entlastungsvorschläge aus der Wirtschaft vorlagen, wurden im Entwurf zum Bürokratieentlastungsgesetz nur elf von 442 Vorschlägen adressiert. Es braucht dringend ein Belastungsmoratorium.