Feld mit Windrädern

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Der Deutsche Corporate Governance Kodex 2022

Die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex hat im Mai 2022 die Neufassung des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK 2022) veröffentlicht. Mit der Ende Juni 2022 erfolgten Bekanntmachung der geänderten Fassung des DCGK im Bundesanzeiger bildet dieser nun die neue Grundlage für die jährliche Entsprechenserklärung nach dem Aktiengesetz. Inhaltlich setzt der neue Kodex einen Fokus auf Nachhaltigkeit.

Ende Januar 2022 hatte die Regierungskommission einen neuen Entwurf des Deutschen Corporate Governance Kodex 2022 beschlossen, die geplanten Änderungen veröffentlicht und zu einer öffentlichen Konsultation bis Mitte März 2022 eingeladen. Der BDI hat eine Stellungnahme zu den Reformvorschlägen erarbeitet. 

Nachhaltigkeit als Schwerpunkt

Der neue Kodex betont in besonderem Maße die Bedeutung von Umwelt, Sozialem und Unternehmensführung (Environmental Social Governance, kurz „ESG“). Börsennotierte Unternehmen sollen in ihrer Unternehmensstrategie und Unternehmensplanung auch soziale und ökologische Nachhaltigkeit berücksichtigen. Die Verantwortung von Vorständen und Aufsichtsräten insbesondere für Nachhaltigkeit und Soziales wird dadurch weiter verstärkt. Die Kodexbegründung erläutert, dass sich die Unternehmen bei der Auslegung der Nachhaltigkeitsbegriffe an den 17 Zielen der UN für nachhaltige Entwicklung orientieren können. Zudem wurden durch das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) und das Zweite Führungspositionen-Gesetz (FüPoG II) Änderungen im Kodex erforderlich.

Die neuen Regelungen im Einzelnen

Mit Inkrafttreten des DCGK 2022 ergeben sich gegenüber der bislang geltenden Fassung folgende wesentliche Änderungen:

  • Sozial- und Umweltfaktoren in der Unternehmensleitung: Die Präambel präzisiert die Rolle des Unternehmens in der Gesellschaft und dessen gesellschaftliche Verantwortung sowie die Auswirkungen von und auf Sozial- und Umweltfaktoren. Vorstand und Aufsichtsrat haben dies bei der Führung und Überwachung im Rahmen des Unternehmensinteresses zu berücksichtigen. Außerdem kommt der Schwerpunkt sehr deutlich in der neuen Empfehlung A.1 des Kodex zum Ausdruck.
  • Nachhaltigkeitsbezug der Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats: Der ESG-Schwerpunkt des neuen Kodex betrifft auch die Empfehlungen bzgl. des Aufsichtsrats. Der Kodex stellt fest, dass die Überwachung und Beratung des Vorstands durch den Aufsichtsrat auch Nachhaltigkeitsfragen umfasst.
  • Kompetenzprofil und Qualifikationsmatrix für den Aufsichtsrat: Darüber hinaus wird das Kompetenzprofil des Aufsichtsrats mit Expertise zu den für das Unternehmen bedeutsamen Nachhaltigkeitsfragen ergänzt. In die Erklärung zur Unternehmensführung soll eine Qualifikationsmatrix aufgenommen werden.
  • Internes Kontrollsystem und Risikomanagementsystem: Bereits mit dem FISG hat der Gesetzgeber verdeutlicht, dass die Risikobetrachtung des bislang primär finanzorientierten Internen Kontroll- und Risikomanagement-Systems auf operative Risiken gemäß der Risikolage des Unternehmens auszuweiten ist. Der neue Kodex knüpft hieran an und stellt klar, dass es zur Sicherstellung der Angemessenheit und Wirksamkeit der Systeme deren interner Überwachung bedarf. In der Begründung zum DCGK 2022 weist die Kodexkommission zusätzlich auf die Möglichkeit externer Prüfungen hin.
  • Zudem empfiehlt der neue Kodex, dass das Interne Kontroll- und Risikomanagementsystem künftig auch nachhaltigkeitsbezogene Ziele abdecken soll.
  • Im Lagebericht sollen die wesentlichen Merkmale des Internen Kontroll- und Risikomanagement-Systems umfassend beschrieben werden und der Vorstand soll im Lagebericht eine Stellungnahme zur Angemessenheit und Wirksamkeit der Management-Systeme abgeben.
  • Compliance Management System: Im Kodex wird klargestellt, dass die Einrichtung eines internen Kontroll- und Risikomanagement-Systems auch ein Compliance-Management-System einschließt, das der Risikolage des Unternehmens angemessen sein muss.
  • Einrichtung des Prüfungsausschusses: Grundsatz 14 nimmt die Einrichtung eines Prüfungsausschusses auf; die bisherige bloße Empfehlung entfällt. Hintergrund ist der durch das FISG neu eingeführte § 107 Abs. 4 Satz 1 AktG, wonach der Aufsichtsrat einer börsennotierten Gesellschaft einen Prüfungsausschuss einzurichten hat.
  • Qualifikation der Finanzexperten im Prüfungsausschuss: Hinsichtlich der Qualifikation der Finanzexperten im Prüfungsausschuss muss nach Grundsatz 15 mindestens ein Mitglied des Prüfungsausschusses über Sachverstand auf dem Gebiet Rechnungslegung und mindestens ein weiteres Mitglied über Sachverstand auf dem Gebiet Abschlussprüfung verfügen. Eine weitergehende Empfehlung sieht vor, dass zu den Kenntnissen und Erfahrungen in der Anwendung von Rechnungslegungsgrundsätzen und interner Kontroll- und Risikomanagementsysteme sowie den Kenntnissen und Erfahrungen in der Abschlussprüfung auch Kenntnisse zur Nachhaltigkeitsberichterstattung und deren Prüfung gehören.
  • Mindestbeteiligung der Geschlechter: Grundsatz 9 nimmt die gesetzliche Regelung des FüPoG II zur Mindestbesetzung im Vorstand bzw. zu den vorzunehmenden Zielgrößen auf.
  • Bericht über Form der Aufsichtsratssitzungen: Im Bericht des Aufsichtsrats soll angegeben werden, wie viele Sitzungen von Aufsichtsrat und Ausschüssen in Präsenz oder als Video- oder Telefonkonferenzen durchgeführt wurden.

Herausforderungen für Unternehmen

Insgesamt wird mit der neuen Fassung des Kodex sehr deutlich, in welchem Umfang Nachhaltigkeitsaspekte auch die Unternehmensführung und den Aufsichtsrat erreicht haben. Insbesondere die neuen Anforderungen an die Kompetenzprofile von Aufsichtsräten mit Blick auf Nachhaltigkeitsfragen werden die Unternehmen vor große Herausforderungen stellen. Denn eine generische Qualifikation dürfte kaum hilfreich sein. Nur ein spezifischer Bezug zu Unternehmen, Geschäftstätigkeit und aktueller Lage ermöglicht dem Aufsichtsrat eine effektive Beratung und Überwachung bei strategischen Nachhaltigkeitsthemen und konkreten Einzelfragen.