Ausbau digitaler Infrastruktur ist entscheidender Standortfaktor (© AdobeStock)

Digitale Infrastrukturen: Weißbuch setzt wichtige Impulse

Konnektivität ist für die Zukunft unserer Gesellschaft und Wirtschaft von zentraler Bedeutung. Digitale Geschäftsmodelle, die in Verbindung mit dem Internet der Dinge (IoT), autonomen Fahrzeugen, KI sowie dem industriellen Metaverse stehen, erfordern leistungsfähige digitale Netze. Das neue Weißbuch der EU-Kommission setzt nun wichtige Impulse um die digitale Infrastruktur der Zukunft Realität werden zu lassen.

Der Jahresbericht Telekommunikation 2023 der Bundesnetzagentur (BNetzA) zeigt, dass aktuell 7,3 Millionen Haushalte an das Glasfasernetz angeschlossen sind (Homes Connected). Das entspricht einem Wachstum von 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Deutschland liegt mit einer Anschlussrate von 19 Prozent damit weiterhin weit hinter dem EU-Durschnitt von 56 Prozent, zeigt der Digital Decade Country Report 2023 der Europäischen Kommission. Auch international ist Deutschland auf den hinteren Plätzen. In den USA liegt die Abdeckung bei 48,8 Prozent während in Japan und Südkorea die Abdeckung bei jeweils 99,7 Prozent liegt. Diese Zahlen zeigen deutlich den in Deutschland und der EU notwendigen Ausbaubedarf auf, um in Zukunft flächendeckend hochwertige Infrastruktur zur Verfügung stellen zu können.

Denn der Ausbau moderner digitaler Infrastrukturen ist volkswirtschaftlich von höchster Relevanz: Die Europäische Kommission schätzt, dass sich der kumulative zusätzliche BIP-Beitrag neuer digitaler Technologien in den EU-28 (EU-27 und Vereinigtes Königreich) bis 2030 auf 2,2 Billionen Euro belaufen könnte. Dies entspricht einem Wachstum von 14,1 Prozent im Vergleich zu 2017. Allerdings wird sich ein Großteil dieses Wachstums auf die weiter entwickelten Volkswirtschaften konzentrieren – die sogenannten „digitalen Vorreiter“. In diesen Ländern würde das BIP-Wachstum zwischen 2017 und 2030 insgesamt 18,5 Prozent betragen. Um diese ökonomischen Potenziale der digitalen Transformation heben zu können, sind hochwertige digitale Infrastrukturen eine Grundvoraussetzung.

Leistungsfähige digitale Infrastrukturen Voraussetzung für das Industrial Metaverse

Ein Beispiel einer solchen neuen digitalen Technologie stellt das industrielle Metaverse dar. Es beschreibt, wie durch die Integration modernster digitaler Technologien die Verschmelzung digitaler und physischer Industrieprozesse stattfindet. Hierzu gehören digitale Zwillinge, Künstliche Intelligenz, das Internet der Dinge und Augmented Reality (VR/AR). Diese Integration optimiert die Wertschöpfungsketten, erhöht die Effizienz, senkt Produktions- und Planungskosten und verbessert die Anpassungsfähigkeit an sich veränderte Marktanforderungen. Eine nahtlose und effektive Interaktion zwischen den Geräten des industriellen Metaverse und damit die Ausschöpfung seines vollen Potenzials ist jedoch nur möglich, wenn die erforderliche Konnektivität vorhanden ist. So wie eine zuverlässige physische Infrastruktur für eine funktionierende Wirtschaft unabdingbar ist, so ist eine moderne digitale Infrastruktur, welche über eine hohe Bandbreite und zugleich geringe Latenz verfügt, eine Voraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg im 21 Jahrhundert.

Das White Paper der Europäischen Kommission – Die digitale Infrastruktur von morgen schaffen

Vor diesem Hintergrund beschreibt die Europäische Kommission in ihrem jüngst veröffentlichten Weißbuch „Wie kann Europa den Bedarf an digitaler Infrastruktur decken?“ zwölf Szenarien, mit denen sie in der nächsten Legislaturperiode den Telekommunikationssektor zukunftsfest aufstellen will. Es soll die notwendigen politischen Reformen aufzeigen, um Investitionsklima und strukturelle Marktbedingungen zu verbessern, damit die Ziele der digitalen Dekade der EU erreicht und die digitalen Netze der Zukunft geschaffen werden können. Die EU-Kommission argumentiert, dass die heutige digitale Infrastruktur in Europa nicht in der Lage ist, die an sie gestellten zukünftigen Bedarfe zu bewältigen. Der europäische Markt sei zu zersplittert und habe eine zu große Zahl an Anbietern. Zusätzlich verfügt er nicht über die notwendige Finanzkraft, um die erheblichen Investitionen zu finanzieren, die zur Bewältigung der technologischen Herausforderungen erforderlich sind.

Was es für eine starke digitale Infrastruktur braucht: Fünf Handlungsempfehlungen der Industrie

Die von der Leyen-Kommission hat zahlreiche neue Regulierungen im Digitalbereich hervorgebracht. Unternehmen sind mit einem erheblichen Mehraufwand zur Umsetzung und Einhaltung dieser belastet. Vor diesem Hintergrund muss der Fokus der nächste EU-Kommission darauf liegen, bereits beschlossenen Gesetze erfolgreich zu implementieren und daraus resultierende Rechtsunsicherheiten zu beseitigen. Zusätzlich ist angesichts des sich verschärfenden globalen Wettbewerbs eine stärker Förderung von Schlüsseltechnologien dringend notwendig.

In Anerkennung der Bedeutung digitaler Netzwerke für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie sollte das Gesetz über digitale Netzwerke (DNA) deswegen die zentrale digitale Politikinitiative der nächsten Europäischen Kommission sein. Der BDI erkennt an, dass die Potenziale digitaler Infrastrukturen durch regulatorische Initiativen, Fördermaßnahmen sowie strategische Entscheidungen gehoben werden müssen. Allerdings müssen einige Vorschläge des Weißbuchs vor einer Aufnahme in einen zukünftigen DNA überarbeitet werden. Der BDI empfiehlt daher:

  • Europäische Fördermaßnahmen für digitale Infrastruktur ausbauen: Die deutsche Industrie befürwortet die Schaffung von Pilotinfrastrukturen, um neue Technologien zu testen und den Austausch zwischen verschiedenen Akteuren der Wertschöpfungskette zu fördern. Darüber hinaus begrüßen wir den Vorschlag, ein neues, infrastrukturfokussierten Important Project of Common European Interests (IPCEI) zu schaffen sowie europäische Fördermaßnahmen zu vereinfachen, um eine effiziente Ressourcennutzung zu fördern.
  • Verzicht auf ein obligatorisches Abschaltdatum für Kupfernetze: Die deutsche Industrie lehnt eine verpflichtende Abschaltung von Kupfernetzen bis 2030 entschieden ab, da dies überambitioniert ist und die heute bestehenden, unterschiedlichen Voraussetzungen in den Mitgliedstaaten völlig außer Acht lässt. Es würde zu übermäßigen Kosten, einem völligen Stillstand des Ausbaus der digitalen Infrastruktur in einigen Mitgliedstaaten sowie zur Abschaltung funktionsfähiger, hochwertiger Netze auf Kosten der Kunden führen.
  • Koordinierung der Frequenzvergabe auf Unionsebene stärken: Die deutsche Industrie unterstützt generell eine besser koordinierte Zuweisung von Frequenzen in Europa. Es ist jedoch wichtig, ein Gleichgewicht zwischen einem stärker zentralisierten Ansatz und vollständig unabhängigen Entscheidungen in den Mitgliedstaaten zu finden. Dabei müssen sowohl die Anforderungen der Telekommunikationsbetreiber als auch von Anwenderindustrien berücksichtigt werden.
  • Investitionen in grüne digitale Infrastruktur erleichtern: Die deutsche Industrie unterstützt nachdrücklich die Förderung grüner Investitionen in elektronische Kommunikationsnetze und insbesondere den Vorschlag, diese in die EU-Taxonomie aufzunehmen. Dies fördert nicht nur die Nachhaltigkeit des Telekommunikationssektors durch effizientere Netze (greening of networks), sondern ermöglicht auch die Nutzung grüner Technologien in anderen Branchen (greening by networks) und ist damit entscheidend für die ökologische Transformation.
  • Stärkung der europäischen Resilienz durch den Ausbau der Unterseekabelinfrastruktur: Die deutsche Industrie begrüßt die Schaffung von Kabelprojekten von europäischem Interesse (CPEIs), da Konnektivität und eine widerstandsfähige Unterseekabelinfrastruktur für die Wirtschaft von zentraler Bedeutung sind. So verlaufen heute ca. 98 Prozent des weltweiten Datenverkehrs über Unterseekabel. Als Rückgrat des weltweiten Datenverkehrs sind sie damit auch Sabotageversuchen ausgesetzt, wie mutmaßliche Angriffe auf Unterseekabel durch die Huthi-Miliz im Roten Meer zeigen. Die Anerkennung von Unterseekabeln als strategisch relevante Sicherheitsinfrastruktur und daraus folgende Maßnahmen wie eine gemeinsame EU-Governance für Unterseekabelinfrastruktur werden deswegen vom BDI ausdrücklich unterstützt.