Ein Quantensprung für Europas Industrie
Er sieht aus wie ein goldener Kronleuchter und ist nur so groß wie ein Kühlschrank. Dahinter verbirgt sich eine der Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts. Ein Quantencomputer funktioniert nach den Gesetzen der Quantenphysik, welche sich wiederum mit dem Verhalten und der Wechselwirkung kleinster Teilchen beschäftigt. Quantentechnologien sind mittlerweile ein fester Bestandteil unseres Lebens geworden und finden in vielen unterschiedlichen Bereichen Anwendung; beispielsweise in der Elektronik, Nukleartechnik, modernen Chemie oder der medizinischen Diagnostik. Und auch in unserem Alltag nutzen wir viele Geräte, die mittels Quantentechnologie operieren wie Mobiltelefone, Satelliten, Fernseher oder Radios.
Europa investiert zunehmend in die Erforschung und Anwendung von Quantentechnologien und Deutschland nimmt im internationalen Vergleich der staatlichen Förderung von Quantencomputing einen Spitzenplatz ein. Es ist wichtig, dass diese Entwicklung konsequent weiter vorangetrieben wird, um mittel- und langfristig im internationalen Vergleich nicht abgehängt zu werden und um sich die eigenen Technologiekompetenzen zu sichern.
Quantentechnologie als Teil des Alltags
Große Forschungserfolge konnten zuletzt im Quantencomputing erzielt werden. Dank Quantencomputern wird es zukünftig möglich sein, große Datenmengen schneller als zuvor auszuwerten und hochkomplexe Berechnungsverfahren anzuwenden. Davon wird die Industrie profitieren: u. a. beim autonomen Fahren, da Quantencomputer Muster und Zusammenhänge auch in riesigen unstrukturierten Datensätzen erkennen, was die Objekterkennung verbessert. Volkswagen setzte 2019 Quantencomputing in einem Pilotprojekt zur Verkehrsoptimierung ein.
Eine sichere Kommunikation und der Schutz von vertraulichen Informationen ist für Unternehmen von hoher Bedeutung. Die Technologie der Quantenkommunikation birgt hier einige industrielle Potenziale, da es physikalisch unmöglich ist, sie unbemerkt abzuhören.
Deutsche Unternehmen gründen Allianz für Quantencomputing
Um die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen hierzulande weiterhin zu stärken, will die deutsche Industrie die digitale Zukunft nicht nur Konzernen aus Amerika oder Asien überlassen. Zehn deutsche Konzerne haben sich deshalb zusammengeschlossen und Qutac gegründet – das „Quantum Technology and Application Consortium". Ziel der Allianz ist es, gemeinsam Fortschritte im Bereich des Quantencomputings zu erzielen und diese industriell in den Branchen Chemie, Pharma, Versicherung und Automobil anzuwenden.
Auch im Bereich der Batterieerforschung spielt Quantencomputing eine große Rolle. Sowohl Volkswagen als auch BMW setzen auf die Schlüsseltechnologie bei der Materialforschung innerhalb der Batteriezellchemie. Darüber hinaus können mittels Quantensimulation leistungsfähigere Batterien entwickelt und dann in E-Fahrzeugen verbaut werden.
Medizintechnik profitiert von Quantensensorik
Eine der am weitest entwickelten Technologien ist die Quantensensorik. In der industriellen Fertigung können mit Hilfe von Quantensensoren Halbleiter oder Schaltkreise sehr zuverlässig auf Fehler überprüft werden. Und in der Medizintechnik sind deutlich präzisere Diagnosen dank Quantensensorik möglich. Bosch forscht an Quantensensoren, die in der neurologischen Diagnostik eingesetzt werden und deutlich kostengünstiger und handlicher sind als die derzeitigen supraleitenden Magnetfeldsensoren. Dies ermöglicht eine noch genauere Diagnose von Alzheimer, Epilepsie und Parkinson in den kommenden Jahren.
Potenziale von Quantentechnologien für die Industrie
Lange Zeit galt es als schwierig, Quantentechnologien in die Praxis umzusetzen. Doch zuletzt konnte die Forschung einige aufsehenerregende Fortschritte erzielen wie z.B. im Bereich des Quantencomputings oder der Quantensimulation. Die Anwendung dieser Schlüsseltechnologien birgt für die Industrie viele Potenziale in unterschiedlichen Anwendungsbereichen wie dem autonomen Fahren oder der Herstellung von Batterien. Aber die Industrie ist nicht nur Anwender, sondern leistet auch einen aktiven Beitrag bei der Entwicklung von Quantentechnologien. So betreibt IBM in Ehningen bei Stuttgart Europas leistungsstärksten Quantencomputer im industriellen Kontext. BDI-Präsident Siegfried Russwurm hat gemeinsam mit Gregor Pillen, Vorsitzender der Geschäftsführung von IBM Deutschland, hinter die Kulissen geblickt.
Durch den Einsatz von Quantentechnologien kann die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen langfristig gesichert werden. Europa ist in der Lage, eine führende Rolle im Bereich der Quantentechnologien einzunehmen. Nicht zuletzt deshalb, muss das Ziel der EU sein: „Die europäische Kompetenz in diesem Bereich langfristig zu sichern und dauerhaft selbstbestimmt zu handeln“, so Iris Plöger, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung. Nur mit einer konsequenten Förderung kann die Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts ein langfristiger Quantensprung für Europas Industrie werden.
Publikation, BDI, Europa zum führenden Standort für Quantentechnologien entwickeln, Dezember 2021