Wettbewerbsfähigkeits-Check

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Ein verpflichtender Wettbewerbsfähigkeits-Check für europäische Gesetze

Die EU-Gesetzgebung sollte die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen künftig stärker berücksichtigen, fordert der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) in einer aktuellen Stellungnahme. Der BDI hat sich die Vorschläge näher angesehen.

Schon seit Längerem fordert die Wirtschaft, dass Wettbewerbsfähigkeit neben klima-, umwelt- und sozialpolitischen Zielsetzungen in der Entscheidungsfindung der EU (wieder) eine ebenbürtige Rolle spielen muss. Viele der jüngeren Gesetzesvorhaben aus Brüssel wie das Fit-for-55-Paket, das EU-Lieferkettengesetz oder die Taxonomie-Verordnung haben aus Sicht der Industrie die Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit zu wenig berücksichtigt. Spätestens die wirtschaftlichen Verwerfungen durch die Covid-Pandemie und Russlands Krieg gegen die Ukraine haben dieser Debatte wieder neuen Aufwind verliehen.

Auf Ersuchen des tschechischen Ratsvorsitzes 2022 hat der EWSA konkrete Verbesserungsvorschläge ausgearbeitet und in einer aktuellen Stellungnahme veröffentlicht. Anstoß dafür war der Bericht der Konferenz zur Zukunft Europas. Die zentrale Forderung: Die EU solle neue Gesetzesinitiativen vorab einem verpflichtenden „Wettbewerbsfähigkeits-Check“ unterziehen, um die internationale Stellung und Widerstandsfähigkeit der europäischen Wirtschaft zu stärken. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen griff diese Forderung auf und kündigte die Einführung eines „standard competitiveness check in our regulation“ an. Der EWSA hat nun Vorschläge für die praktische Ausgestaltung geliefert.

Verbesserungsbedarf bei Folgenabschätzungen

Grundsätzlich muss die EU-Kommission alle Gesetzesinitiativen, die voraussichtlich erhebliche wirtschaftliche, soziale oder ökologische Auswirkungen haben werden, einer Folgenabschätzung unterziehen. Die Verträge messen wirtschaftlichen Aspekten dabei die gleiche Bedeutung bei wie sozialen und ökologischen. Zudem besitzt die Kommission ein umfangreiches internes „Instrumentarium für bessere Rechtsetzung“, das konkrete Vorschriften für die Erstellung von Folgenabschätzungen festlegt.

Wie der EWSA allerdings richtig feststellt, besteht bei der Um- und Durchsetzung dieser Vorschriften Verbesserungsbedarf. Das hat auch der kommissionseigene Ausschuss für Regulierungskontrolle, der die Qualität der Folgenabschätzungen prüft, mehrfach bestätigt. Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit und vor allem auf kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) sind aktuell nicht angemessen berücksichtigt.

Die Vorschläge des EWSA im Detail

Der EWSA schlägt daher die Einführung eines Wettbewerbsfähigkeits-Checks auf zwei Ebenen vor: auf der technischen beziehungsweise der Arbeitsebene durch verbesserte Folgenabschätzungen und auf der politischen Ebene durch eine „spezifische EU-Agenda für Wettbewerbsfähigkeit“.

Verbesserte Folgenabschätzungen

Die Wettbewerbsfähigkeit der EU hängt von vielen verschiedenen Teilaspekten ab: Sektorale Wettbewerbsfähigkeit, KMU und Innovation zählen ebenso dazu wie Wettbewerb, Binnenmarkt, Handel und Investitionen. Statt diese Bereiche wie bisher eher isoliert zu analysieren, müssen Folgenabschätzungen die Wettbewerbsfähigkeit als Gesamtprodukt betrachten und auch das gesamte verfügbare Instrumentarium für bessere Rechtsetzung nutzen.

Agenda für Wettbewerbsfähigkeit

Auf politischer Ebene sollte die EU-Kommission eine spezifische EU-Agenda für Wettbewerbsfähigkeit ausarbeiten, um ein stärkeres „Mindset“ für Wettbewerbsfähigkeit zu schaffen. Diese Agenda sollte langfristig angelegt sein und insbesondere die folgenden grundlegenden Maßnahmen vorantreiben:

  1. Entwicklung des Binnenmarktes und Abbau von Markthindernissen
  2. Verbesserung der Investitionen und des Zugangs zu Finanzierungen und Finanzmitteln
  3. Erleichterung des Außenhandels und der externen Zusammenarbein
  4. Innovationsförderung
  5. Spitzenkräfte und -forschung; Verbesserung der Kompetenzen durch Bildung, Ausbildung und lebenslanges Lernen
  6. Beschleunigung der Genehmigungsverfahren
  7. Verringerung des Verwaltungsaufwands, Senkung der Befolgungskosten und anreizorientierte Steuersysteme

Der BDI unterstützt die Forderungen des EWSA

Die Industrie hält die Vorschläge des EWSA für sinnvoll. Folgenabschätzungen der Kommission müssen Auswirkungen von EU-Gesetzesinitiativen auf die Wettbewerbsfähigkeit systematischer und ganzheitlicher erfassen. Die europäische Wirtschaft kann nur mit intelligent ausgearbeiteten Rechtsrahmen international wettbewerbsfähig bleiben. Eine entsprechende Überarbeitung des Instrumentariums für eine bessere Rechtsetzung ist daher notwendig. Die EWSA-Stellungnahme enthält hierfür einige relevante Überlegungen.

Die Idee, alle Legislativvorschläge der EU auch einem politischen Wettbewerbsfähigkeits-Check zu unterziehen, deckt sich ebenfalls mit Forderungen des BDI. Neben den ambitionierten klima- und umweltpolitischen Zielsetzungen muss die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit (wieder) ein übergeordnetes politisches Leitmotiv europäischer Politik werden. Dies erscheint nicht zuletzt vor dem Hintergrund der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen dringender denn je. Die vom EWSA vorgeschlagene Agenda liefert wichtige Impulse zur Umsetzung.