Engpässe als Risikofaktoren für Aufschwung und Wertschöpfung
Die Entstehungsfaktoren der Lieferengpässe erweisen sich als vielschichtig und verstärken sich teilweise gegenseitig. An erster Stelle stehen die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Maßnahmen wie Lockdowns haben angebotsseitig zu einer temporären Reduktion von Produktions- und Transportkapazitäten beigetragen. Dadurch wurden die globalen Lieferketten zeitweise empfindlich gestört. Diese Effekte werden durch strukturelle Faktoren verstärkt. Hier spielen neben kurzfristig rigiden Produktionskapazitäten auch eine langfristig steigende Nachfrage, beispielsweise nach elektronischen Ausrüstungen, sowie ein zunehmender Fachkräftemangel im Transportwesen (z. B. fehlende LKW-Fahrer) eine entscheidende Rolle. Zusätzlich haben politische Faktoren – wie bestehende Handelskonflikte zwischen China und den USA – eine weitere Verschärfung begünstigt.
Engpässe manifestieren sich in unterschiedlichen Bereichen
Einerseits hat sich die angebotsseitige Verfügbarkeit von Roh- und Vorprodukten im Verlauf des vergangenen Jahres substanziell verschlechtert. Hierzu zählen in erster Linie Eisen, Metalle und Kunststoffe. Das Verarbeitende Gewerbe ist von der mangelnden Verfügbarkeit nahezu vollständig und branchenübergreifend betroffen. Als besonders schwerwiegend erweist sich – vor allem für die Automobilindustrie – der Mangel an Halbleitern und Chips.
Andererseits haben sich auch im Transportwesen, insbesondere im Schiffswarenverkehr, nennenswerte Engpässe herausgebildet, die sich in Wartezeiten und sprunghaft steigenden Transportkosten widerspiegeln. Sinnbildlich hierfür sind die Warteschlangen vor den Toren wichtiger Frachthäfen in den USA und China. Infolge der Wartezeiten im Schiffsverkehr waren zeitweise über zehn Prozent der weltweiten Container-Kapazitäten gebunden.
Produktion und Auftragseingänge klaffen auseinander
Auch die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland wird spürbar von den Engpässen beeinträchtigt. Diese trugen – trotz positiver Entwicklung der Auftragslage – maßgeblich zu einer rückläufigen Produktion bei, sodass Produktion und Auftragseingänge in der zweiten Jahreshälfte 2021 zunehmend auseinanderklafften. Vor diesem Hintergrund hätte die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe Ende 2021 schätzungsweise um sieben bis zehn Prozentpunkte über dem tatsächlichen Niveau gelegen.
Zusätzlich begünstigen die Engpässe den dynamischen Preisanstieg von Vor- und Rohprodukten. Die Unternehmen sind diesem Preisanstieg branchenübergreifend ausgesetzt. Der Preisanstieg der Inputfaktoren ist im Verlauf des Jahres 2021 verstärkt auf die Erzeugerpreise durchgeschlagen. Ende 2021 sind die Erzeugerpreise mit einer Rate von weit über 15 Prozent so stark gestiegen wie seit vielen Jahrzehnten nicht mehr. Die Preisdynamik dürfte sich kurzfristig fortsetzen und im Laufe des Jahres 2022 langsam beruhigen.
Substanzielle Verbesserung erst im Jahr 2023
Insgesamt ist nicht mit einer schnellen Entschärfung der Engpass-Problematik zu rechnen. Dies ist neben anhaltenden Unsicherheitsfaktoren infolge der Corona-Pandemie, wie beispielsweise regionale Lockdowns in China, auch darauf zurückzuführen, dass strukturelle Entstehungsfaktoren und bestehende Engpässe zunächst abgebaut werden müssten. Hierfür ist teilweise eine Ausweitung von Angebots- und Transportkapazitäten notwendig, die sich als zeit- und kostenintensiv herausstellen dürfte. Zu einer substanziellen Verbesserung wird es deshalb erst im nächsten Jahr kommen.
Publikation, BDI, Angebotsengpässe und Störungen der globalen Lieferketten, Januar 2022