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In Forschung investieren, Innovationskraft sichern. Für eine wettbewerbsfähige Zukunft Europas

Eine starke Wirtschaft braucht starke Innovationen. Deshalb ist es in Zeiten geopolitischer Unsicherheiten und Umbrüche jetzt entscheidend, eine strategisch ausgerichtete und aufeinander abgestimmte Industrie- und Innovationspolitik aufzustellen, um Europa für die Zukunft als Innovations- und Wirtschaftsstandort stark zu machen. Denn Forschungsstärke und Innovationskraft sind nicht nur die Basis für Wachstum und Wohlstand. In Zukunft bestimmen sie auch darüber, ob die Europäer ihre Werte im globalen Wettbewerb der Regionen verteidigen können und in Demokratie, Freiheit und Stabilität leben werden. Längst ist Innovationspolitik auch ein geopolitisches Instrument geworden, welches zunehmend strategisch eingesetzt wird. Der Blick in die Vereinigten Staaten und China weisen klar die Richtung auf: Beide Nationen geben hunderte Milliarden US-Dollar aus, um sich in bestimmten Kernbereichen einen Innovations- und Technologievorsprung zu verschaffen.

Forschungsausgaben gezielt erhöhen

Der Blick in die USA (3,5 % ihres Bruttoinlandsprodukts für F&E), nach China (ca. 2,4 %), Israel (5,6 %), Südkorea (4,9 %) oder Japan (3,5 %) verdeutlichen dramatisch, dass Europa mit 21% BIP1 im Jahr 2021 deutlich mehr in Forschung und Entwicklung investieren muss, wenn wir uns weiterhin als Innovations- und Industriestandort verstehen wollen. Es braucht ein klares Bekenntnis der EU und der EU-Mitgliedstaaten dazu, massiv in Forschung, insbesondere in Zukunfts- und Schlüsseltechnologien zu investieren, damit ein nachhaltiger, resilienter und wettbewerbsfähiger europäischer Forschungsraum erreicht werden kann. Die kommenden Jahre sind entscheidend, um den Anschluss an die Länder, die mit Milliardensubventionen und attraktiven Standortbedingungen werben, nicht zu verlieren und eine Neuausrichtung der Kompetenzen und der Wahrung technologischer Souveränität in Europa zu gewährleisten. Die Europäische Forschungs- und Innovationspolitik ist dabei ein entscheidender Hebel, der durch eine ganzheitliche Industriestrategie ergänzt werden muss. Ziel muss dabei sein, Europas Technologieführerschaft in der Welt zu sichern, um einerseits unsere globale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und gleichzeitig die zentralen Herausforderungen wie Klimawandel, demographischer Wandel, Ressourcenknappheit und Urbanisierung gemeinsam anzugehen.

Industrielle Forschung in der gesamten Entwicklungskette stärken

Unternehmen stemmen zwei Drittel aller Forschungsaufwendungen Europas. Die Unterstützung durch öffentliche FuE-Förderung erweist sich dabei als zentraler Hebel für das gesamte Forschungsökosystem und setzt Anreize für unternehmensübergreifende Kooperationen im vorwettbewerblichen Rahmen und für eine enge Verzahnung mit der Wissenschaft sowie dem Mittelstand. Die forschenden deutschen Unternehmen sind in ihren Investitionen im europäischen Vergleich führend. Im Jahr 2022 stemmten deutsche Unternehmen 46,4% der industriellen Forschungsausgaben in der EU insgesamt2. Gleichzeitig sind wir aber vergleichsweise schwach, was den Transfer der Forschung in die Wertschöpfung angeht. Die Schnittstelle zwischen staatlich geförderter Forschung und marktfähiger Produktion und Skalierung – also der „Transfer“ – muss in Deutschland und Europa dringend in Schwung gebracht werden. Zentraler Fokus muss sein, die Forschungsprojekte in die Breite der industriellen Anwendungspraxis zu bringen. Durch flankierende industriepolitische Maßnahmen muss die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Industrie, die vielfach im Rahmen der Transformation vor immensen Herausforderungen steht, gesichert werden. Denn es geht am Ende darum, ein Forschungsergebnis auch zur Marktreife zu führen. Deshalb muss in Zukunft die gesamte Entwicklungskette miteinbezogen und verknüpft werden – von der ersten Idee beziehungsweise Entdeckung bis zur Marktreife des fertigen Produktes und zur Entwicklung von Standards.

Die kommenden Jahre werden entscheidend dafür sein, ob wir in Europa als Innovator oder lediglich als Regulator am Tisch der Weltnationen sitzen. Um unsere Innovationskraft zu sichern, brauchen wir jetzt ein klares Engagement für Forschung und Innovation. Für das zehnte Forschungsrahmenprogramm empfehlen wir daher folgende Eckpfeiler:

  • Forschungsausgaben gezielt erhöhen: Es braucht ein klares Bekenntnis der EU und der EU-Mitgliedstaaten dazu, massiv in Forschung, insbesondere in Zukunfts- und Schlüsseltechnologien auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene zu investieren. Forschungsprogramme und Forschungsinitiativen müssen auf allen Ebenen besser verzahnt werden, um Synergien zu schaffen. Das Budget des zehnten Forschungsrahmenprogramms sollte auf 200 Milliarden Euro verdoppelt und effektiv eingesetzt werden.
  • Transfer stärken und Innovationskraft in Europa sichern: Die Schnittstelle zwischen staatlich geförderter Forschung und marktfähiger Produktion und Skalierung muss durch flankierende industriepolitische Maßnahmen gestärkt werden, damit aus Forschung innovative Lösungen entstehen, die die Wertschöpfung hier in Europa sichern.
  • Industrieforschung in der gesamten Entwicklungskette stärken: Innovationen müssen ganzheitlich gedacht werden. Insbesondere Schlüssel- und Zukunftstechnologien spielen dabei eine herausragende Rolle als Basis für wirtschaftliche und gesellschaftliche Transformationsprozesse. Die öffentlichen und privaten Kooperationen in den Public Private Partnerships (PPP) müssen beibehalten und durch unbürokratische Ausgestaltung agiler aufgestellt werden.
  • Komplexität reduzieren und auf Agilität setzen: Die Komplexität und der administrative Aufwand bei der Antragsstellung und Durchführung der Forschungsprogramme muss reduziert, Verfahren beschleunigt und effizienter ausgestaltet werden.

1 Quelle: Statista Ausgaben für Forschung und Entwicklung in ausgewählten Ländern | Statista
2 Quelle: EU Industrial R&D Investment Scorebord 2023, European Commission, Figure 29, Seite 65