Europas Platz in der Welt
Investitionen, Wissensaustausch und Arbeitsteilung verbinden moderne Volkswirtschaften eng miteinander. Sie nutzen gemeinsame Stärken in einer globalisierten Welt, um wirtschaftliches Wachstum zu erreichen und staatliche Wohlfahrt finanzieren zu können.
Seit einigen Jahren gerät dieses Erfolgsmodell zunehmend unter Druck: Der Systemkonflikt mit autokratisch regierten Staaten, der Hegemonialkonflikt zwischen den USA und China, die Folgen der Corona-Pandemie sowie die Transformation Energiesektor stellen die Industrie in Deutschland und Europa vor große Herausforderungen. Unternehmen müssen sich künftig intensiver als bisher mit dem Risiko und den Folgen geopolitischer Spannungen auseinandersetzen.
Darüber hinaus verdeutlicht der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands in der Ukraine auf grausame Weise, dass militärische Auseinandersetzungen - selbst in Europa – wieder in geoökonomische Überlegungen miteinbezogen werden müssen.
Die Bundesregierung muss Außenwirtschaftspolitik aktiver koordinieren
Das weltweite Bruttoinlandsprodukt (BIP) lag im Jahr 2019 bei 87,65 Billionen US-Dollar. Davon entfielen 16,6 Billionen US-Dollar auf die Europäische Union (rund 18,9 Prozent), 18,3 Billionen US-Dollar auf die USA (rund 19 Prozent) und 11,5 Billionen US-Dollar auf China (rund 13,1 Prozent). Im Jahr 1970 lag der Anteil der EU-28 (inklusive Vereinigtes Königreich) am Welt-BIP noch bei 35,2 Prozent – also 16,3 Prozentpunkte höher.
Allein dieser Kennzahlenvergleich verdeutlicht die Veränderung der Rolle der Europäischen Union in der Welt als bisheriger Motor für Wohlstand und Innovation. Der BDI sieht auch deswegen die Bundesregierung stärker in der Pflicht, künftig Sicherheitsinteressen und wirtschaftspolitische Ziele gemeinsam – übergreifend – zu verfolgen. In der Außenwirtschaftspolitik muss die Prosperität des deutschen und europäischen Industriestandortes wieder auf die Tagesordnung.
EU-Binnenmarkt und Industriestandort Deutschland stärken
Der Systemkonflikt und die ökologische Transformation der Industrie zur Erreichung der Klimaziele werden die prägenden Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte sein. Diesen müssen wir entschlossen und einheitlich begegnen. Um eine bessere Sicht auf die derzeit diffuse Entwicklung zu erhalten, hat der BDI gemeinsam mit der Bertelsmann Stiftung im Jahr 2021 eine Studie zu unterschiedlichen Globalisierungsszenarien durchgeführt. Diese Szenarien liefern zwar keine präzisen Prognosen, sie stellen allerdings „Möglichkeitsräume“ dar. Damit beschreiben sie, „welche Entwicklungen vorstellbar und wahrscheinlich sind, und veranschaulichen, wie Politik und Unternehmen unter den jeweils variierenden Rahmenbedingungen agieren können.“
Im Ergebnis zeigt sich, dass ein geeintes Europa, das die Stärken seines Binnenmarktes nutzt, als globaler Akteur auf Augenhöhe mit China und den USA um eine reformierte Global Governance verhandeln kann.
Globalisierung strategisch gestalten
Mit der BDI-Position „Neues Momentum für die Globalisierung“ möchte der BDI die öffentliche Diskussion für eine übergreifende Strategie anstoßen, die neben international konkurrenzfähigen Anreizen für aus- und inländische Direktinvestitionen - sowohl nationale als auch globale Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen miteinbezieht. Deutschlands wirtschaftlicher Erfolg hängt in hohem Maße vom Außenhandel ab. Gleichzeitig erfordern die aktuellen geoökonomischen und geopolitischen Ereignisse erfordern von der Politik konkretes Handeln.