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Industrie sieht breite PFAS-Beschränkung mit Sorge
Die für REACH zuständigen Behörden der Niederlande, Deutschlands, Dänemarks, Schwedens und Norwegens haben im Juni 2021 mit einer Absichtserklärung im „Registry of restriction intentions“ (ROI) der Europäischen Chemikalienagentur ECHA die umfassende Beschränkung von PFAS angekündigt. Nun wurde der Beschränkungsvorschlag eingereicht und das Beschränkungsdossier veröffentlicht. Der Beschränkungsvorschlag zielt darauf ab, die Herstellung, das Inverkehrbringen sowie die Verwendung aller PFAS (als Stoffe und als Bestandteile von Gemischen und Erzeugnissen ab einer bestimmten Konzentration) zu verbieten. Im Dossier sind (zeitlich begrenzte) Ausnahmen für verschiedene Verwendungen vorgesehen. Unter anderem werden breite Ausnahmen für PFAS, die als Wirkstoffe in Pflanzenschutzmitteln, in Biozidprodukten und in Arzneimitteln verwendet werden, vorgeschlagen.
Die vorgeschlagene Beschränkung wurde von den federführenden Behörden sehr breit gefasst und es handelt sich um eines der umfangreichsten Beschränkungsdossier seit Inkrafttreten der REACH-Verordnung. Der Anwendungsbereich des Beschränkungsvorschlags entspricht der OECD-Definition von PFAS (2021). Er umfasst alle Stoffe, die mindestens eine vollständig fluorierte Methylgruppe (-CF3) oder Methylengruppe (-CF2-) ohne weitere H-, Cl-, Br- oder I-Atome enthalten (insgesamt mehr als 10.000 Stoffe). Dazu gehören auch Fluorpolymere und Polymere mit fluorierten Seitenketten.
Als Begründung für den Beschränkungsvorschlag führen die Behörden Gefahreneigenschaften wie Persistenz, hohe Wasserlöslichkeit, Bioakkumulierbarkeit sowie die Toxizität einiger Stoffe an und weisen darauf hin, dass diese unter Anwendung des Vorsorgeprinzips eine umfassende Beschränkung notwendig machen.
Risikobasierte Regulierung muss beibehalten werden
Der BDI unterstützt uneingeschränkt das Ziel der CSS, den Schutz der Menschen und der Umwelt vor Risiken durch Chemikalien zu verbessern und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Industrie zu erhöhen. Im Rahmen einer nachhaltigen Chemikalienregulierung sollten die Stoffe, von denen aufgrund ihrer Eigenschaften und ihres Verwendungsprofils nicht beherrschbare Risken ausgehen auf Basis wissenschaftlicher Bewertungen reguliert werden. Die breite Regulierung ganzer Stoffgruppen, unabhängig vom tatsächlichen Risiko der einzelnen Substanzen, ist aus Sicht der Industrie jedoch nicht angemessen.
PFAS kommen derzeit in vielen Anwendungsbereichen zum Einsatz und sind aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften gerade im Bereich der Zukunftstechnologien von großer Bedeutung für Innovationen und technische Weiterentwicklungen, beispielsweise in der Halbleiterherstellung, in Brennstoffzellen etc. PFAS werden in vielen Branchen immer dann eingesetzt, wenn extreme Rahmenbedingungen wie hohe oder niedrige Temperaturen, hohe Reibungswiderstände oder aggressive chemische Bedingungen dies erfordern. Aufgrund Ihrer Eigenschaften tragen PFAS in Anlagen und Erzeugnissen zur Verlängerung der Lebensdauer, Reduzierung der Wartungsintensität und zur Erhöhung der Sicherheit bei.
Massive Auswirkungen auf gesamte Industrie zu erwarten
Ein umfassendes Verbot der PFAS hätte erhebliche Auswirkungen auf die gesamte Industrie und deren Innovationsfähigkeit. Für eine nachhaltige Regulierung der Substanzen ist daher eine differenzierte Vorgehensweise geboten. Hierbei muss dringend berücksichtig werden, ob eine PFAS-Substanz bzw. deren Verwendung ein nicht beherrschbares Risiko für die Umwelt oder die menschliche Gesundheit darstellt und ob geeignete Alternativen existieren. Geschieht dies nicht, besteht die Gefahr, dass dringend benötigte Chemikalien nicht mehr auf dem Markt verfügbar sind und innovative Zukunftstechnologien nicht entwickelt werden können. Dies hätte sowohl massive Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Europa als auch auf das Erreichen von Umwelt- und Klimaschutzzielen des EU-Green Deal.
Ablauf des Beschränkungsverfahrens
Zum Beschränkungsvorschlag muss von der ECHA eine öffentliche Konsultation durchgeführt werden. Diese wird voraussichtlich im März 2023 starten. An der öffentlichen Konsultation können sich Stakeholder (Firmen, Verbände, Organisationen, Privatpersonen und weitere Behörden) beteiligen. Die Beteiligung betroffener Unternehmen und Lieferketten ist dringend empfohlen, insbesondere, wenn keine Alternativen verfügbar sind und Ausnahmen für die jeweilige Verwendung benötigt werden.
Positionen und Handlungsempfehlungen des BDI
Der BDI hat bereits im Jahr 2021 ein umfassendes Positionspapier erarbeitet. In diesem wird anhand von Anwendungsbeispielen aus der Praxis dargestellt, welche Auswirkungen eine umfassende PFAS-Beschränkung auf die Industrie und deren Innovationsfähigkeit hätte. Außerdem werden wesentliche Kritikpunkte der Industrie am vorgesehenen Verfahren aufgezeigt.
Des Weiteren haben die im BDI zuständigen Gremien eine Handlungsempfehlung entwickelt, die aufzeigt, welche Möglichkeiten zur Beteiligung der Industrie an der öffentlichen Konsultation zur PFAS-Beschränkung bestehen.