Gasmangellage: Wie gut ist Deutschland vorbereitet?
„Richtig kalt“ war es zuletzt im Winter 2009/2010. In Berlin gab es damals zwei Monate lang eine geschlossene Schneedecke, wenig Sonne und die Temperaturen lagen 2,5 Grad unter dem langjährigen Mittel. Dies ist zwar bereits 14 Jahre her, doch es zeigt, dass solche Ausreißer auch heutzutage möglich sind. Die aktuelle Temperaturvorhersage des Deutschen Wetterdienstes für den Winter 2023/2024 zeigt eine moderate Wahrscheinlichkeit für einen normalen bis wärmeren Winter im Vergleich zum langjährigen Mittel. Die Bundesnetzagentur (BNetzA) schätzt die Gefahr einer angespannten Gasversorgung in einem normal kalten Winter als gering ein und hat dies in ihren Gas-Winterszenarien 2023/2024 näher untersucht.
Was geschieht in der Notfallstufe?
Aktuell gilt noch immer die zweite der drei Warnstufen des Notfallplans Gas, die sogenannte Alarmstufe, die Mitte Juni 2022 ausgerufen wurde. Die dritte Stufe, die Notfallstufe, für die eine „erhebliche Störung der Gasversorgung“ vorliegt und die von der Bundesregierung beschlossen werden müsste, kam in dieser Gaskrise bislang nicht zum Einsatz. Die Bundesnetzagentur erhebt und aktualisiert laufend zahlreiche Daten zur Gasversorgung, um stets ein möglichst belastbares Bild der aktuellen Situation zu haben.
In der Notfallstufe würde die BNetzA zum sogenannten Bundeslastverteiler und kann dann in enger Abstimmung mit den Netzbetreibern beispielsweise die Reduktion von Gasbezügen verfügen. Hierfür kann sie entweder eine Allgemeinverfügung erlassen, die alle Gaskunden verpflichtet oder aber eine Individualverfügung, die sich an einzelne Endverbraucher aus der gasintensiven Industrie richtet.
Im Zuge der aktuellen Gaskrise hat die BNetzA eine neue, digitale Informationsplattform aufgebaut, die sogenannte Sicherheitsplattform Gas, auf der relevante Akteure am Gasmarkt ihre Daten zur Verfügung stellen. Sie ist Ende September 2022 gestartet und wurde auch schon bei zwei praxisnahen Übungen getestet.
Berücksichtigung von Industrie-Interessen
Ein nicht einfacher Diskussionspunkt bei den Vorkehrungen für eine Gasmangellage war es, wie die Interessen von industriellen Endverbrauchern bestmöglich berücksichtigt werden können. Im Ergebnis ist es gelungen, für Unternehmen mit mehreren Standorten ein sog. „Pooling“ zu ermöglichen, bei dem die Verfügung an das Unternehmen geht, dieses aber selbst entscheiden kann, wie es die verfügte Gasverbrauchsreduzierung auf seine einzelnen Standorte aufteilt.
Ebenfalls gelungen ist es, dass Unternehmen ihre bisher erbrachten Gas-Einsparungen, wie etwa durch Brennstoffwechsel auf eine Verfügung anrechnen können. Eine starke Reduktion des Gasverbrauchs vor Ausrufung der Notfallstufe soll also dazu führen, dass eine Einsparverfügung das Unternehmen dann weniger stark trifft als ein anderes Unternehmen, das seinen Verbrauch bislang nicht reduziert hat.
Die Zusammenarbeit zwischen BNetzA, BDI und BDEW hat sich als äußerst vertrauensvoll und effektiv erwiesen. Ein enger Austausch zwischen den Akteuren wird auch im unwahrscheinlichen Fall einer Gasmangellage von entscheidender Bedeutung sein.