Hannover Messe 2018: In der Wirtschaftspolitik bleibt jede Menge Arbeit
Die Kluft zwischen der regen Geschäftstätigkeit der deutschen Industrie und der weltpolitischen Lage hat sich vergrößert und erste Risiken sind eingetreten. Mit Blick auf den im März 2019 bevorstehenden Austritt der Briten aus der Europäischen Union (EU) forderte BDI-Präsident Dieter Kempf bis Oktober 2018 Klarheit: „Die Unternehmen auf beiden Seiten des Ärmelkanals brauchen dringend Orientierung, welche Regeln zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich dauerhaft gelten sollen.“
Gleichzeitig unterstrich Kempf die Bedeutung von Europa: „Die europäische Idee ist eine der wertvollsten Errungenschaften unserer Zeit. Auf den Wert dieser Idee müssen wir immer wieder aufmerksam machen und ihn verteidigen.“ Dabei nahm Kempf insbesondere Deutschland und Frankreich in die Pflicht, die sich über EU-Reformen austauschen. Dabei sei „am Ende nur eines wichtig: die Ergebnisse müssen mehr Stabilität für Gesellschaft und Wirtschaft in Europa bringen“. Europas Wachstum und wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit müsse durch einen zukunftstauglichen europäischen Haushaltsrahmen, eine Verdopplung der Forschungsanstrengungen und eine bessere Kohäsions- und Agrarpolitik erhöht werden. Auch gehe es unter anderem darum, die Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion wetterfest aufzustellen.
Europas Position auf dem Weltmarkt stärken
Die EU muss zudem gegenüber den Wirtschaftstitanen USA und China auf Kurs gebracht werden, z.B. in der digitalen Wirtschaft. Notwendige Voraussetzungen sind der digitale Binnenmarkt und ein einheitlicher Rechtsrahmen, so Kempf. Zwingend erforderlich seien höhere Forschungs- und Innovationsanstrengungen auf allen Ebenen.
Die EU ist unmittelbar an offenen Weltmärkten interessiert und dem multilateralen Regelwerk der Welthandelsorganisation (WTO) verpflichtet. Protektionistische Maßnahmen beunruhigen im Welthandel. „Die EU und die Bundesregierung müssen an die USA appellieren, die Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte, die die USA mit Sicherheitsbedenken begründen, komplett zurückzunehmen“, forderte Kempf. „Die Welthandelsorganisation muss der zentrale Ordnungsrahmen des Welthandels bleiben. Die USA selbst, aber auch so entscheidende Staaten wie China und Indien müssen die EU vielmehr dabei unterstützen, die WTO zu reformieren, ihre Regeln und Prozesse zeitgemäßer zu gestalten.“
Für Freihandel, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit
„Freihandel ist unverzichtbar“, betonte Kempf. „Wir alle wissen, dass in Deutschland jeder vierte Job vom Export abhängt, in der Industrie ist es mehr als jeder zweite. Ausländische Investoren sind für fast drei Millionen Arbeitsplätze in Deutschland verantwortlich. Deutsche Unternehmen tragen in anderen Ländern über ihre Auslandsinvestitionen für mehr als sieben Millionen Arbeitsplätze Verantwortung.“
Neben Protektionismus bereite die steigende Zahl autoritärer und populistischer Regierungen Sorgen: Laut Freedom House verzeichnen seit zwölf Jahren mehr Staaten Rückschritte in der politischen Freiheit als Fortschritte, 2017 ging es in 71 Staaten bergab und nur in 35 voran. Dies hat Auswirkungen auf die Rechtsstaatlichkeit und die wirtschaftliche Freiheit. „Einem Land wie Deutschland, dessen Wirtschaft so unmittelbar auf offene Weltmärkte und den Fortschritt in der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der wirtschaftlichen Freiheit in der Welt angewiesen ist, kann das nicht egal sein“, sagte Kempf. „Und unseren Unternehmen ist es auch nicht egal.“ Die Wirtschaftspolitik müsse sich diesen anti-demokratischen und freiheitsbedrohenden Trends entgegenstellen.