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Industrie sieht umfassendes PFAS-Verbot mit Sorge

Derzeit wird in den Ausschüssen der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) ein Vorschlag zur umfassenden Beschränkung von per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) unter der Chemikalienverordnung REACH diskutiert. Ohne detaillierte Bewertung sollen im Rahmen eines Verfahrens mehrere tausend Stoffe mit unterschiedlichsten Eigenschaften pauschal verboten werden.

Die für REACH zuständigen Behörden der Niederlande, Deutschlands, Dänemarks, Schwedens und Norwegens haben im Januar 2023 bei der Europäischen Chemikalienagentur ECHA einen Vorschlag zur umfassenden Beschränkung von PFAS eingereicht. Dieser wurde im März 2023 veröffentlicht. Der Beschränkungsvorschlag zielt darauf ab, die Herstellung, das Inverkehrbringen sowie die Verwendung aller PFAS (als Stoffe und als Bestandteile von Gemischen und Erzeugnissen ab einer bestimmten Konzentration) zu verbieten. Im Dossier sind (zeitlich begrenzte) Ausnahmen für wenige Verwendungen für 6, 5 bzw. 13,5 Jahre vorgesehen. Für den Großteil der Anwendungen sind jedoch keine Ausnahmen geplant, sodass diese bereits 18 Monate nach Inkrafttreten der Beschränkung verboten wären.

Die vorgeschlagene Beschränkung wurde von den federführenden Behörden sehr breit gefasst und es handelt sich um eines der umfangreichsten Beschränkungsdossiers seit Inkrafttreten der REACH-Verordnung. Der Anwendungsbereich des Beschränkungsvorschlags entspricht der OECD-Definition von PFAS (2021). Er umfasst alle Stoffe, die mindestens eine vollständig fluorierte Methylgruppe (-CF3) oder Methylengruppe (-CF2-) ohne weitere H-, Cl-, Br- oder I-Atome enthalten (insgesamt mehr als 10.000 Stoffe). Dazu gehören auch Fluorpolymere und Polymere mit fluorierten Seitenketten.

Als Begründung für den Beschränkungsvorschlag führen die Behörden Gefahreneigenschaften wie Persistenz, hohe Wasserlöslichkeit, Bioakkumulierbarkeit sowie die Toxizität einiger Stoffe an und weisen darauf hin, dass diese unter Anwendung des Vorsorgeprinzips eine umfassende Beschränkung notwendig machen.

Risikobasierte Regulierung muss beibehalten werden

Der BDI unterstützt uneingeschränkt das Ziel der Nachhaltigkeitsstrategie für Chemikalien (CSS), den Schutz der Menschen und der Umwelt vor Risiken durch Chemikalien zu verbessern und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Industrie zu erhöhen. Im Rahmen einer nachhaltigen Chemikalienregulierung sollten die Stoffe, von denen aufgrund ihrer Eigenschaften und ihres Verwendungsprofils nicht beherrschbare Risken ausgehen auf Basis wissenschaftlicher Bewertungen reguliert werden. Die breite Regulierung ganzer Stoffgruppen, unabhängig vom tatsächlichen Risiko der einzelnen Substanzen, ist aus Sicht der Industrie jedoch nicht angemessen.

Regulatorischer Präzedenzfall mit hoher Relevanz

Mit dem vorliegenden Vorschlag wird ein Präzedenzfall geschaffen, bei dem viele sehr unterschiedliche Stoffe und deren Verwendung pauschal und ohne Bewertung des Risikos verboten werden sollen. Mit dem Wegfall von mehreren tausend PFAS könnten jedoch viele dringend benötigte Anwendungen nicht mehr in der EU hergestellt werden, da derzeit keine geeigneten Alternativen existieren.

PFAS kommen in vielen Anwendungsbereichen zum Einsatz und sind aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften gerade im Bereich der Zukunftstechnologien von großer Bedeutung für Innovationen und technische Weiterentwicklungen, beispielsweise in der Halbleiterherstellung, in Brennstoffzellen etc. PFAS werden in vielen Branchen immer dann eingesetzt, wenn extreme Rahmenbedingungen wie hohe oder niedrige Temperaturen, hohe Reibungswiderstände oder aggressive chemische Bedingungen dies erfordern. Aufgrund Ihrer Eigenschaften tragen PFAS in Anlagen und Erzeugnissen zur Verlängerung der Lebensdauer, Reduzierung der Wartungsintensität und zur Erhöhung der Sicherheit bei.

Massive Auswirkungen auf gesamte Industrie zu erwarten

Ein umfassendes Verbot der PFAS hätte erhebliche Auswirkungen auf die gesamte Industrie und deren Innovationsfähigkeit. Für eine nachhaltige Regulierung der Substanzen ist daher eine differenzierte Vorgehensweise geboten. Hierbei muss dringend berücksichtig werden, ob eine PFAS-Substanz bzw. deren Verwendung ein nicht beherrschbares Risiko für die Umwelt oder die menschliche Gesundheit darstellt und ob geeignete Alternativen existieren. Geschieht dies nicht, besteht die Gefahr, dass dringend benötigte Chemikalien nicht mehr auf dem Markt verfügbar sind und innovative Zukunftstechnologien nicht entwickelt werden können. Dies hätte sowohl massive Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Europa als auch auf das Erreichen von Umwelt- und Klimaschutzzielen des EU-Green Deal.

Ablauf des Beschränkungsverfahrens

Zum Beschränkungsvorschlag muss von der ECHA eine öffentliche Konsultation durchgeführt werden. Dieses läuft noch bis September 2023. An der öffentlichen Konsultation können sich Stakeholder (Firmen, Verbände, Organisationen, Privatpersonen und weitere Behörden) beteiligen. Die Beteiligung betroffener Unternehmen und Lieferketten ist dringend empfohlen, insbesondere, wenn keine Alternativen verfügbar sind und Ausnahmen für die jeweilige Verwendung benötigt werden.

Positionen und Handlungsempfehlungen des BDI

Der BDI hat bereits im Jahr 2021 ein umfassendes Positionspapier erarbeitet. In diesem wird anhand von Anwendungsbeispielen aus der Praxis dargestellt, welche Auswirkungen eine umfassende PFAS-Beschränkung auf die Industrie und deren Innovationsfähigkeit hätte. Außerdem haben die im BDI zuständigen Gremien eine Handlungsempfehlung entwickelt, die aufzeigt, welche Möglichkeiten zur Beteiligung der Industrie an der öffentlichen Konsultation zur PFAS-Beschränkung bestehen.

In seinem Positionspapier aus dem April 2023 bewertet der BDI den Beschränkungsvorschlag und stellt die zentralen Forderungen und Lösungsvorschläge der Industrie zusammen. Diese liegt nun auch in der Kurzfassung vor.