Internationales öffentliches Beschaffungswesen: Neue Möglichkeiten für die EU?
Als im Jahr 2012 der ursprüngliche Vorschlag und 2016 ein geänderter Entwurf der „Verordnung über den Zugang von Waren und Dienstleistungen aus Drittländern zum EU-Binnenmarkt für öffentliche Aufträge“ vorgelegt wurde, sparten die EU-Mitgliedsstaaten nicht mit Kritik. Angesichts der großen Differenzen konnte der Rat der Europäischen Union bisher keine gemeinsame Position zum sogenannten International Procurement Instrument (IPI) finden. Im Februar 2019 sprachen sich jedoch Frankreich und Deutschland für eine Wiederaufnahme der Diskussion über das Instrument im Rat aus. Ein Grund für den Vorstoß ist, dass staatlich geförderte Unternehmen aus wichtigen Drittländern wie China zwar verstärkt auf dem europäischen Markt aktiv werden. Häufig werden dabei Angebote mit sehr niedrigen, potenziell gedumpten Preisen vorgelegt. Gleichzeitig lassen die Herkunftsländer keine Bereitschaft erkennen, das öffentliche Beschaffungswesen ihrer Staaten gleichermaßen für ausländische Bieter zu öffnen. Vor diesem Hintergrund nehmen auch europäische Wirtschaftsverbände wie der BDI, die zunächst ausgesprochene Kritiker des IPI waren, inzwischen eine offenere Haltung gegenüber dem Vorschlag ein.
Notwendige Anpassungen
Das IPI verfolgt das unterstützenswerte Ziel offener Märkte. Es stärkt das Prinzip des ausgewogenen gegenseitigen Marktzugangs, das im Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA) der Welthandelsorganisation (WTO) verankert ist. Daher begrüßt der BDI, dass das IPI der Europäischen Kommission Untersuchungen in Fällen von Diskriminierung von EU-Unternehmen in Drittländern ermöglichen würde. Allerdings bedarf auch der aktuelle IPI-Vorschlag der Kommission einer weiteren Überarbeitung, um negative Auswirkungen auf den Beschaffungsprozess zu vermeiden. Übermäßige Bürokratiekosten und Rechtsunsicherheit für EU-Unternehmen und Vergabebehörden müssen vermieden werden. Gleichzeitig gilt es, die Hebelwirkung gegenüber Drittstaaten zu erhöhen, zum Beispiel durch wirksamere Sanktionsmöglichkeiten. So sieht der BDI den vorgesehenen Preisaufschlag für Bieter aus sanktionierten Staaten von bis zu 20 Prozent für unzureichend an. Es gibt Beispiele, in denen das Angebot von chinesischen Staatsunternehmen rund 25 Prozent niedriger lag als das nächst beste. Da solche Unternehmen nicht ausschließlich nach wirtschaftlichen Erwägungen handeln, muss auch der komplette Ausschluss von Bietern möglich sein. Ziel muss immer bleiben, den Drittstaat zur Öffnung des Beschaffungswesens zu bewegen. Die Einschränkungen des EU-Marktes als letztes Mittel sollen gegebenenfalls möglichst gezielt und effektiv sein, um dem nahe zu kommen. Eine Abschottung des EU-Marktes, zum Beispiel auf ein genau reziprokes Niveau mit Drittstaaten, kann weder das Ziel des IPI noch das Interesse der Industrie oder der EU als Ganzes sein.
Die Europäische Kommission unter Präsidentin Ursula von der Leyen strebt eine baldige Ratifizierung des IPI im Europäischen Parlament an. Im Gesetzgebungsprozess befindet sich der Vorschlag noch in der ersten Lesung, in der keine Fristen gelten. Noch bleibt ungewiss, ob und wann der Rat der Europäischen Union in der Lage sein wird, die noch bestehenden Schwächen des Vorschlags zu überwinden und eine gemeinsame Position zu erarbeiten. Der BDI hat bereits eigene Vorschläge zum IPI vorgelegt und rechnet mit einer raschen Positionierung von BusinessEurope. Diese könnte einen wichtigen Impuls auch für die baldige Einigung unter den Gesetzgebern liefern.