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Klimapfade nach der Zeitenwende

Klimapolitik und das Ziel der Klimaneutralität haben weiterhin höchste Priorität. Zugleich gibt es mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und der daraus folgenden schweren Energiekrise neue Rahmenbedingungen mit Lieferstopps russischer Energie und horrend steigenden Energiekosten. Die BDI-Studie „Klimapfade 2.0“ und ihre Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele sind unverändert aktuell, sie sind aber in den Kontext der neuen Umstände zu stellen. Es muss nun darum gehen, die Wirtschaft resilient zu machen und zugleich die Klimaziele weiterzuverfolgen.

Die Meldungen über stark steigende Energiepreise reißen nicht ab, hinzu kommen wachsende Sorgen vor Blackouts im Winter. Debatten über eine notwendige Stärkung der Resilienz unserer Energieversorgung angesichts außenpolitischer Risiken nehmen Fahrt auf: mit der Rückkehr von Kohlekraftwerken in den Markt, mit einer neuen Diskussion zur Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke, mit neuen staatlichen Entlastungen bei den Energiekosten.

Zugleich stehen die EU bis 2050 und Deutschland bis 2045 mit ihren ehrgeizigen Klimaneutralitätszielen unverändert vor gewaltigen Herausforderungen für Gesellschaft, Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft. Denn der Umbau zu einem klimaneutralen Industrieland erfordert eine Transformation in allen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft. Deutschland muss bis 2030, also innerhalb von acht Jahren, seine Emissionen fast halbieren. Die BDI-Studie „Klimapfade 2.0“ untersucht, welche Instrumente hierfür nötig sind. Sie zeigt, dass die Industrie mit ihren Technologien der zentrale Wegbereiter für erfolgreichen Klimaschutz ist. Damit deutsche Unternehmen international wettbewerbsfähig bleiben, sind folgende Punkte aus Sicht des BDI nach wie vor zentral: 

  • Für die Klimaziele 2030 sind die erforderlichen klimafreundlichen Technologien überwiegend bekannt, jedoch für Unternehmen und Verbraucher noch nicht wirtschaftlich und/oder noch nicht im industriellen Maßstab verfügbar. Bis 2045 besteht hingegen noch ein erheblicher Forschungs- und Innovationsbedarf.
     
  • Insgesamt gibt es bis 2030 – also über die nächsten neun Jahre – einen Bedarf von 860 Milliarden Euro Mehrinvestitionen. Angesichts von Inflation und gestiegenen Energiekosten dürfte diese Summe inzwischen noch höher liegen.
     
  • Als Voraussetzung für Investitionen brauchen die Unternehmen an ihrem Standort einen Zugang zu klimafreundlichen Energien, wie zum Beispiel Grünstrom oder Wasserstoff. Solange dieser Zugang fehlt, ist auch kurzfristig in der Krise ein Fuel Switch zu grünen Alternativen nicht möglich. Steigende CO2-Preise nur zu einer finanziellen Belastung ohne Klimaschutzwirkung.
     
  • Dafür ist ein massiver Infrastrukturausbau über die bestehenden Planungen hinaus in Höhe von 145 Milliarden Euro für Strom-, Wasserstoff-, Fernwärme- und CO2-Netze, Lade- und Wasserstofftankinfrastruktur, Verkehrswege, v. a. Schiene, notwendig.
     
  • Für die Industrie stellen bei Investitionsentscheidungen nicht allein die Kapitalkosten, sondern vor allem die deutlich höheren Betriebskosten von klimafreundlichen Technologien die größte Herausforderung dar. Daher müssen die Nutzungskosten CO2-armer Produktionsverfahren und Energieträger wettbewerbsfähig gemacht werden gegenüber den fossilen Energieträgern und bestehenden Prozessen.
     
  • Der BDI fordert angesichts der horrenden Energiepreise starke staatliche Maßnahmen, die die Industrie durch die Krise bringen. Nur mit einer intakten Industrie und geschlossenen Wertschöpfungsketten kann Deutschland weiter Motor und Innovator hin zur Klimaneutralität sein. Als kurzfristige Hilfen sind weitere Schritte zur Kostenentlastung, eine staatliche Kofinanzierung der Netzentgelte und die Verlängerung des Spitzenausgleichs um zwei Jahre erforderlich. Daneben braucht es in den kommenden Jahren verlässliche Betriebskostenzuschüsse für den Markthochlauf von Wasserstoff und strombasierten Kraftstoffen.
     
  • Für jahrelange Planungs- und Genehmigungsverfahren lassen die ehrgeizigen Klimaziele keine Zeit mehr. Deshalb ist eine Revolution bei Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie eine erhebliche Verkürzung von Gerichtsverfahren zu Infrastrukturprojekten notwendig.
     
  • Der in der Studie vorgelegte Instrumentenmix ist wettbewerbsneutral umzusetzen, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen zu sichern. Carbon Leakage Schutz kann zum Beispiel über mehr freie Zuteilungen und eine Strompreiskompensation im EU ETS sicher gestellt werden. Daneben sind auf EU-Ebene auch die beihilferechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, , beispielsweise durch die Zulassung von Betriebskostenzuschüssen.

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