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Künstliche Intelligenz revolutioniert das Besteuerungsverfahren in Echtzeit

Künstliche Intelligenz (KI) steht an der Schwelle, das Besteuerungsverfahren grundlegend zu verändern. Die sehr weitreichenden Einsatzmöglichkeiten von KI-basierten Systemen eröffnen sowohl den Steuerpflichtigen als auch der Finanzverwaltung enorme Potenziale zur Effizienzsteigerung. Der BDI geht in einem neuen Positionspapier „Einsatz künstlicher Intelligenz im Besteuerungsverfahren“ näher dazu ein.

Das Besteuerungsverfahren ist geradezu prädestiniert für den Einsatz von KI, insbesondere wegen der großen Datenmengen, der typischerweise strukturierten Prozesse und Berechnungen. Zudem kann KI, sofern sie adäquat programmiert und trainiert wird, Entscheidungen objektiv und ohne Diskriminierung treffen. Dies sind wichtige Parameter im Besteuerungsverfahren. Die Abgabenordnung (AO) enthält bereits Rechtsgrundlagen für die Nutzung von Steuerdaten durch KI-Systeme in der Finanzverwaltung und für die vollautomatische Fallbearbeitung (§§ 29c Abs. 1, 155 Abs. 4 AO).

Angesichts des sich verschärfenden Fachkräftemangels und der Komplexität im Steuerrecht lautet nicht die Frage ob, sondern wie KI im Besteuerungsverfahren Einzug hält. In einem ersten Schritt kann KI Menschen bei der Erfüllung der steuerrechtlichen Pflichten unterstützen, was zu einer effizienteren, kostengünstigeren und zielgerichteteren Aufgabenerfüllung führt. In einem zweiten Schritt ist vorgesehen, dass KI bestimmte Aufgaben selbstständig übernimmt. Jedoch werden insbesondere Kontrollaufgaben auf absehbare Zeit den Einsatz menschlicher Intelligenz und Arbeitskraft erfordern.

Künstliche Intelligenz bietet im Besteuerungsprozess vielfältige und stetig fortschreitende Anwendungsmöglichkeiten:

  • Verbesserung der Kommunikation zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung, z. B. durch den Einsatz von virtuellen Dialogassistenten (Chatbots).
  • Entlastung von sich wiederholenden Aufgaben und Routinetätigkeiten, z. B. bezüglich der Überprüfung steuerlicher Sachverhalte auf Vollständigkeit, Stimmigkeit und sonstige Form- und Fristerfordernisse.
  • Übernahme von Recherchetätigkeit und verbessertes Wissensmanagement, z. B. durch den Aufbau leistungsstarker Suchfunktionen, die automatisch Antwort- und Textvorschläge generieren.
  • Unterstützung bei der Datenanalyse und Entscheidungsfindung, z. B. durch verbesserte Analyseinstrumente im Bereich der steuerlichen Betriebsprüfung.
  • Verbesserung der steuerrechtlichen Compliance, z. B. durch das Erkennen von Fehlern, Anomalien und Inkonsistenzen in Echtzeit und durch automatisierte Warnfunktionen.
  • Vollautomatisierte Entscheidungsfindung und Kontrolle, wobei hierzu noch rechtliche Fragestellungen zu klären sind.

Rechtliche Rahmenbedingungen anpassen und weiterentwickeln

Entscheidungen von KI-basierten Systemen im Besteuerungsverfahren müssen nachvollziehbar und transparent sein. Dies gilt insbesondere für Systeme, die auf Seiten der Finanzverwaltung zum Einsatz kommen. Es bedarf daher rechtlicher Anpassungen und neuer Vorgaben hinsichtlich der Überprüfung von KI-Systemen und in Bezug auf einen wirksamen Rechtschutz der Steuerpflichtigen.

Um den Steuerpflichtigen einen wirksamen Rechtsschutz zu gewährleisten – sei es durch Einspruchsverfahren oder gerichtliche Überprüfung – ist es unerlässlich, dass sowohl die Funktionsweise der eingesetzten KI-Systeme als auch die Grundlagen ihrer Entscheidungsfindung offengelegt werden. Dies erfordert klare rechtliche Vorgaben über die Art und Reichweite solcher Offenlegungspflichten, die in enger Zusammenarbeit mit der Praxis entwickelt werden müssen. Zudem sollte der Aufbau von KI-Kompetenz ein wesentlicher Aspekt der Aus- und Weiterbildung in den steuerrechtlichen Berufen sein.

Darüber hinaus bietet der Einsatz von KI in der Gesetzgebung großes Potenzial. Im Rahmen des Digitalchecks von Gesetzinitiativen kann KI eine bedeutende Rolle bei der Überprüfung neuer Regelungen auf ihre Digitaltauglichkeit spielen.

Internationale Harmonisierung der KI-Regelungen

Zahlreiche Anwendungen von KI im Besteuerungsverfahren betreffen auch grenzüberschreitende und internationale Sachverhalte. Beispielsweise kann KI als Analyseinstrument und zur Entscheidungsunterstützung in der steuerlichen Betriebsprüfung auch bei gemeinsamen Prüfungen mit den Finanzverwaltungen anderer Staaten (joint audits) zum Einsatz kommen. Ein weiteres Beispiel sind die Buchführung und die Belegverarbeitung, die durch KI weiter automatisiert und oft (auch) im Ausland durchgeführt werden.

Angesichts der globalen Aktivitäten der deutschen Wirtschaft ist ein ausschließlich national ausgerichteter KI-Einsatz nicht zielführend. Nationale Regelungen zu KI im Besteuerungsverfahren greifen daher zu kurz. Vielmehr bedürfen die Regelungen und Standards für den Einsatz von KI im Besteuerungsverfahren internationaler Abstimmung und Harmonisierung, zumindest auf EU-Ebene, besser noch auf Ebene der OECD.  

Das Papier wird zeitnah veröffentlicht.