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Mid Caps – Bedeutung des größeren Mittelstands für die deutsche Wirtschaft

Die EU geht in ihrer Wirtschaftspolitik von einer klaren Trennung des Unternehmensbestandes zwischen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und Großunternehmen aus. Gerade die Industrie ist aber durch größere Mittelständler geprägt. Dieser Umstand sollte durch die Einbeziehung von Mid Caps in die KMU-Definition stärker berücksichtigt werden, meint Klaus-Heiner Röhl, Senior Economist des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln.

Während die KMU in der EU mit maximal 249 Beschäftigten und höchstens 50 Millionen Euro Umsatz exakt definiert sind, ist der Begriff „unternehmerischer Mittelstand“ nicht eindeutig abgegrenzt. Klar ist, dass KMU auch dem Mittelstand zuzurechnen sind. In Deutschland werden traditionell Unternehmen als mittelständisch angesehen, die weniger als 500 Mitarbeiter aufweisen. Darüber hinaus wird der Mittelstand hierzulande qualitativ definiert, und zwar über die Einheit von Eigentum und Leitung, wie sie insbesondere für Familienunternehmen gegeben ist.

KMU-Definition für mittelständische Wirtschaftsstruktur zu eng gehalten

Zwar sind die meisten der 3,6 Millionen KMU eigentümergeführt und damit den Familienunternehmen zuzurechnen. Doch einer Untersuchung des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn zufolge sind darüber hinaus auch 2.900 größere Unternehmen mit 250 oder mehr Beschäftigten familiengeführt oder zumindest mehrheitlich kontrolliert von einer Eignerfamilie. Auf Basis dieses qualitativen Kriteriums wird deutlich, wie wenig die enge KMU-Definition der EU zur mittelständischen Wirtschaftsstruktur in Deutschland passt. Eine Überarbeitung der KMU-Definition, die der Bedeutung des größeren Mittelstands Rechnung trägt, wäre deshalb sehr zu begrüßen.

Gerade in Deutschland fallen viele mittelständisch strukturierte Unternehmen aus der KMU-Definition heraus – weit mehr als im europäischen Durchschnitt. Die Kategorie Mid Caps bietet hier eine gute Abgrenzung zwischen KMU und Großunternehmen. Die Analyse zeigt, dass Mid Caps für die Beschäftigung, im Bereich der Exportaktivitäten und auch in der Forschung und Entwicklung (FuF) innerhalb der deutschen Wirtschaft eine herausragende Rolle spielen. Dieser wird die Wirtschaftspolitik durch ihre pauschale Zuordnung zu den Großunternehmen nur unzureichend gerecht.

Mid Caps in KMU-Definitionsdebatte mit einbeziehen

Der Begriff Mid Cap hat sich allgemein für mittelgroße Unternehmen eingebürgert, die weder den Konzernen noch den KMU zuzuordnen sind. Eine klare oder international kongruente Definition von Mid-Caps existiert allerdings nicht. Die EU bezeichnet Firmen mit einer Mitarbeiterzahl von 250 bis unter 500 als „Small Mid Caps“. Die Obergrenze für Mid Caps wird, auch wenn es keine gemeinschaftliche Definition gibt, im Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) bei 3.000 Beschäftigten gezogen.

Fokussiert man zunächst auf Mid Caps mit weniger als 1.000 Beschäftigten, so entfielen auf diesen Bereich im Jahr 2015 11.616 Unternehmen, von denen 3.546 (etwa 30 Prozent) dem Verarbeitenden Gewerbe angehörten. Mit fast 1,6 Millionen Mitarbeitern stellen diese Industriefirmen ebenfalls 30 Prozent der Beschäftigten. Selbst bei Einhaltung der europäischen KMU-Grenze für den Umsatz gibt es eine erhebliche Anzahl von Unternehmen, die die aktuelle Beschäftigtenschwelle zum Großunternehmen von 250 Mitarbeitern überspringen. 2015 waren dies immerhin 6.452, die mit 250 bis 999 Mitarbeitern unter 50 Millionen Euro Umsatz erzielten. Mit ca. 2.000 Einheiten entfiel der Großteil auf das personalintensive Gesundheits- und Sozialwesen, aber auch für 842 Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes traf dies zu.

Mid Caps stellen rund ein Drittel aller Arbeitsplätze in der Industrie

In der nächstgrößeren Klasse der großen Mid Caps mit 1.000 bis unter 2.000 Beschäftigten geht die Anzahl der Einheiten merklich zurück: Hier gibt es insgesamt 1.691 Unternehmen, davon 430 oder ein Viertel aus dem Verarbeitenden Gewerbe. Mit 592.000 Beschäftigten lag ihr Beschäftigungsanteil bei knapp 26 Prozent – die Industrieunternehmen beider Mid Cap-Klassen weichen in ihrer durchschnittlichen Größe also kaum von allen Unternehmen der jeweiligen Kategorie ab. Zieht man die Obergrenze wie die EU im EFSI erst bei 3.000 Beschäftigten, so kommen noch einmal 382 Unternehmen hinzu, davon 102 mit 246.000 Beschäftigten aus dem Verarbeitenden Gewerbe. Ein hohes Gewicht kommt den industriellen Mid Caps aber nicht nur innerhalb des größeren deutschen Mittelstands zu, sondern auch bei sektoraler Betrachtung innerhalb des Verarbeitenden Gewerbes: Die 3.976 Unternehmen mit 250 bis unter 2.000 Beschäftigten stellen zwar nur 1,6 Prozent aller Industrieunternehmen. Doch mit ihren knapp 2,2 Millionen Mitarbeitern stehen sie für ein Drittel aller Industriearbeitsplätze.

Mittelgroße Industrieunternehmen zeichnen sich durch hohen Internationalisierungsgrad aus…

Auf den Auslandsmärkten sind die mittelgroßen Industrieunternehmen stark präsent. Während der Exportanteil an den Umsätzen bei den KMU mit 100 bis 249 Beschäftigten 2016 bei 34,9 Prozent lag, waren es bei den Small Mid Caps mit bis zu 499 Beschäftigten bereits 41,2 Prozent und bei den Mid Caps mit 500 bis 999 Mitarbeitern 46,7 Prozent, was nahezu dem Durchschnitt für das gesamte Verarbeitende Gewerbe entspricht. Auch wenn sich diese Daten auf Betriebe statt Unternehmen beziehen, ist die große Exportstärke Deutschlands ohne die Internationalisierung der mittelgroßen Industrieunternehmen nicht zu erklären. Dies bewirkt einen erheblichen Strukturvorteil, denn die Firmen aus dem gehobenen Mittelstand können durch ihre Größe und Präsenz auf den Auslandsmärkten wirtschaftliche Schwächephasen besser abfedern als kleine Industrieunternehmen. Diese Ausnahmestellung hängt auch damit zusammen, dass es in Deutschland viele Hidden Champions gibt. Dabei handelt es sich um mittelgroße Unternehmen vorwiegend aus der Industrie, die stark wachsen und auf dem Weltmarkt zu den Top Drei in ihrem jeweiligen Marktsegment zählen. Der breiteren Öffentlichkeit sind sie aufgrund ihrer hohen Spezialisierung aber kaum bekannt. Fast die Hälfte der weltweit identifizierten 2.700 Hidden Champions ist in Deutschland beheimatet.

…und sind erheblich in Forschung und Entwicklung aktiv

Obwohl sich die Forschungs- und Entwicklungsausgaben (FuE) der Wirtschaft und insbesondere der Industrie stark auf die Großunternehmen konzentrieren, sind auch die Mid Caps in erheblichem Umfang in FuE aktiv. Sie profitieren von ihrem marktspezifischem Know-how und ihrem oft durch Patente abgesicherten Vorsprung im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung der Wirtschaft. Laut Stifterverband Wissenschaftsstatistik entfielen zuletzt 2,8 Milliarden Euro oder 4,6 Prozent des internen FuE-Aufwands auf kleine Mid Caps mit 250 bis unter 500 Beschäftigten, während die größeren Mid Caps mit weniger als 2.000 Beschäftigten 9,2 Milliarden Euro für interne FuE aufwendeten. Dies waren 15,1 Prozent der Summe für den Wirtschaftssektor insgesamt. Die Industrie war dabei – unabhängig von Größenklassen – mit gut 85 Prozent der FuE-Aufwendungen der Wirtschaft der dominierende Sektor.