Mit Vollgas Richtung Klimaneutralität
Die Innovationsfreude deutscher Industrieunternehmen zeigt sich nicht nur in der Bundesrepublik selbst. Manchmal entfaltet sie ihre Kraft auch an weit entfernten Orten, zum Beispiel in Puntas Arenas im Süden von Chile. In dieser Gegend ist es an rund 270 Tagen im Jahr sehr windig – der ideale Standort nicht nur für Windräder, sondern auch für ein Verfahren, das sich die Windkraft zunutze macht: die Power-to-Liquid-Technologie zur Herstellung synthetischer Kraftstoffe. Ende 2022 nahm der deutsche Automobilhersteller Porsche die Anlage mit dem Namen Haru Oni („der Ort, wo der Wind bläst“) in Betrieb. Es ist die weltweit erste ihrer Art. Mehr als 100 Millionen Euro hat Porsche in das Pilotprojekt und den Betreiber High Innovative Fuels Global (HIF) investiert.
Porsche setzt auf einen E-Mix
Synthetische Kraftstoffe sind ein Bestandteil der Nachhaltigkeitsstrategie des Sportwagenherstellers, zusätzlich zur Elektromobilität. „Porsche setzt auf ein doppeltes E: Elektromobilität und ergänzend E-Fuels“, sagt Barbara Frenkel, Vorständin Beschaffung der Porsche AG. Aus gutem Grund: Weltweit gibt es heute rund 1,3 Milliarden Verbrennerautos. Ein Großteil von ihnen wird noch Jahre bis Jahrzehnte auf den Straßen unterwegs sein.
Um den Schadstoffausstoß im Verkehr zu senken und die europäischen Klimaziele zu erreichen, sind synthetische Kraftstoffe daher ein wichtiger Baustein. Sie können direkt in den bereits heute vorhandenen Verbrennungsmotoren eingesetzt werden und ermöglichen eine quasi CO2-neutrale Fortbewegung, wenn die Herstellung mit erneuerbaren Energien erfolgt. Das ist bei der Anlage von Porsche der Fall. Neben dem Individualverkehr bieten synthetische Kraftstoffe auch für jene Anwendungsfelder ein großes Potenzial, für die grüner Strom als Primärenergie nicht verfügbar ist, etwa die Luft- und Schifffahrt.
Das Verfahren: Power-to-Liquid
Zentraler Bestandteil von Haru Oni ist eine Elektrolyseanlage von Siemens Energy. Diese zerlegt mit Hilfe von Strom aus Windenergie Wasser in die Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff. In einem Zwischenschritt reichert sie den grünen Wasserstoff mit Kohlenstoffdioxid aus der Umgebungsluft an. Weitere Syntheseverfahren wandeln das so entstandene Synthesegas in Methanol um, den Grundstoff für flüssige synthetische Kraftstoffe. Dadurch, dass die Herstellung von E-Fuels auf Basis von Windkraft etwa so viel Kohlenstoffdioxid bindet, wie der Verbrennungsmotor später beim Verbrauch des Kraftstoffs wieder ausstößt, ist die Klimabilanz ausgeglichen.
In der ersten Phase des Pilotprojekts will Porsche in Chile rund 130.000 Liter E-Fuels produzieren. Diese werden zunächst im Rennsport, beim Porsche Mobile 1 Supercup, und in den Porsche Experience Centern zum Einsatz kommen. Bis Mitte des Jahrzehnts soll die Menge auf 55 Millionen Liter jährlich anwachsen, der nächste Schritt etwa zwei Jahre später liegt bei 550 Millionen Litern E-Fuels pro Jahr – abhängig von den laufenden Genehmigungsverfahren.
Für die Produktion im größeren Maßstab ist auch der unmittelbare Weitertransport der E-Fuels gesichert, denn die Anlage liegt strategisch günstig in unmittelbarer Nähe der Magellanstraße. Von dort können Schiffe den neuen Kraftstoff in alle Welt transportieren und direkt an die bestehende Infrastruktur für herkömmliche Treibstoffe anknüpfen.