Nach der Europawahl: Was sich nun in der EU- Energie- und Klimapolitik ändern muss
Wettbewerbsfähige Strompreise und Versorgungssicherheit gewährleisten
Der erhebliche Ausbau der erneuerbaren Stromversorgung, synchronisiert mit dem Ausbau von Netzen und Speichern, kann langfristig die Strompreise senken. Kurzfristige Maßnahmen zur Senkung der Stromkosten bleiben jedoch unerlässlich, um die Zwischenzeit zu überbrücken. Außerdem sollte die EU zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit eine umfassende Flexibilitätsstrategie entwickeln, die über Energiespeicherung und Nachfragesteuerung hinausgeht.
Notwendige Infrastruktur für grüne Transformation bereitstellen
Der Erfolg der grünen Transformation der europäischen Wirtschaft hängt entscheidend von der rechtzeitigen Bereitstellung essenzieller Energie- und CO2-Infrastrukturen ab. Allein auf hohe CO2-Preise im EU ETS zu setzen, wirkt wie eine Strafe für Produktionsanlagen, wenn die notwendige (grenzüberschreitende) Infrastruktur für kohlenstoffarmen Strom, Wasserstoff und CO2-Transport fehlt.
Hochlauf des Wasserstoffmarkts schnell und kosteneffizient gestalten
Für den Ausbau der Produktion von erneuerbarem Wasserstoff in der EU ist ein erhöhtes Budget für die Europäische Wasserstoffbank unerlässlich. Erneuerbarer Wasserstoff allein wird jedoch kurzfristig den industriellen Bedarf nicht decken können und bleibt wohl zumindest bis 2030 deutlich teurer als kohlenstoffarmer (z.B. blauer) Wasserstoff. Daher muss die Rolle von kohlenstoffarmem Wasserstoff auf EU-Ebene gestärkt werden, um einen schnellen und kosteneffizienten Hochlauf des europäischen Wasserstoffmarkts sicherzustellen.
Carbon Leakage verhindern und Wettbewerbsfähigkeit sichern
Der neu eingeführte CO2-Grenzausgleichsmechanismus der EU (CBAM) weist diverse Schwächen auf, die die globale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie gefährden könnten, sollten sie nicht zeitnah behoben werden. Daher sollte die Option einer Rücknahme des CBAM notfalls nicht ausgeschlossen werden, wobei gleichzeitig die Abschaffung der kostenlosen Zuteilung im EU ETS bis zur Gewährleistung angemessener Carbon Leakage-Schutzmaßnahmen zurückgestellt werden müsste.
Private Investitionen in neue Produktionsprozesse anreizen
Um klimafreundliche Produktionsprozesse zu fördern, die für absehbare Zeit (deutlich) teurer bleiben werden als ihre fossilen Alternativen, sollte Investitions- und vor allem Betriebskostenunterstützung ermöglicht werden, beispielsweise durch Klimaschutzverträge.
Grüne Leitmärkte schaffen
Um eine verlässliche Nachfrage nach kohlenstoffarmen und klimaneutralen Gütern zu gewährleisten, sollte der öffentliche Sektor mit EU-weit verbindlicher grüner öffentlicher Beschaffung den Weg weisen. Zusätzliche Anreize in der EU-Produktpolitik sollten folgen.
Geschäftsmodelle zur Herstellung sauberer Technologien stärken
Der kürzlich von der Kommission angekündigte „Industrie-Dekarbonisierungs-Deal“ sollte eine umfassende Überprüfung der EU-Umweltgesetzgebung beinhalten, die maßgeblich die Dauer der Genehmigungsverfahren in den Mitgliedstaaten beeinflusst. Darüber hinaus sollte er eine Strategie zur Mobilisierung öffentlicher und privater Ressourcen beinhalten, um die Finanzierungslücke für saubere Technologien zu schließen.
Nachhaltigen Transport technologieoffen fördern
Nachdem die EU ehrgeizige Klimaschutzziele im Transportsektor festgelegt hat, muss sie nun die notwendigen Rahmenbedingungen für die schnelle Einführung alternativer Antriebssysteme und kohlenstoffneutraler Kraftstoffe schaffen. Besonderes Augenmerk sollte hierbei auf der Entwicklung der notwendigen Lade- und Betankungsinfrastruktur liegen. Zudem sollten technologieoffene Anreize zur Emissionsreduktion eingeführt und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Luft- und Seefahrt sichergestellt werden.
Bausektor mit innovativer Technologie dekarbonisieren
Um den Netto-Null-Pfad der EU im Bausektor zu erreichen, bedarf es weiterer Fortschritte. Daher ist die rechtzeitige und vollständige Umsetzung der kürzlich verabschiedeten europäischen Gesetzgebung, einschließlich des ETS 2 für Gebäude und Straßenverkehr und der Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden, von entscheidender Bedeutung.
Europäische Kreislaufwirtschaft weiterentwickeln
Der Aufbau einer EU-weiten Kreislaufwirtschaft bietet eine Möglichkeit, Produkte über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg nachhaltiger zu gestalten, Abfall zu minimieren und Emissionen zu reduzieren, während gleichzeitig neue Geschäftsmöglichkeiten entstehen. Daher sollte das europäische Modell einer umfassenden Kreislaufwirtschaft im Kontext der (internationalen) Klimapolitik weiterentwickelt werden.
Die Neuwahl zum EU-Parlament gibt die Gelegenheit für eine Zwischenbilanz: Wo steht die EU-Energie- und Klimapolitik heute und wie gut ist sie für die aktuellen Anforderungen von globaler Wettbewerbsfähigkeit, Versorgungssicherheit und Resilienz gewappnet? Der BDI stehet bereit, diese Fragen mit der künftigen EU-Kommission zu diskutieren und auf Korrekturen bei den aktuell dringendsten Handlungsfeldern hinzuwirken.