Neue BDI/VCI-Studie zeigt Wege aus der Krise
Bei der Steuerbelastung der Unternehmen liegt Deutschland im internationalen Vergleich an der Spitze. Das geht aus der Studie „Die Steuerbelastung der Unternehmen in Deutschland“ hervor, die der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und der Verband der Chemischen Industrie (VCI) am Dienstag in Berlin veröffentlicht haben. Nach mehr als zwölf Jahren des steuerpolitischen Reformstillstands bei den Unternehmen muss laut BDI und VCI endlich eine Modernisierung des Unternehmensteuerrechts erfolgen.
Die steuerliche Gesamtbelastung der Unternehmen erreicht in Deutschland durchschnittlich 31,3 Prozent. Hingegen liegt der Durchschnitt der OECD-Länder im Schnitt deutlich niedriger bei 23,5 Prozent. Zwar zeichnet sich durch die pandemiebedingte Wirtschaftskrise ein Rückgang der Steuereinnahmen ab, jedoch wird nach der aktuellen Prognose bereits ab 2024 das bisherige Rekordniveau von 2019 wieder übertroffen. Daher bedarf es eines wettbewerbsgerechten Steuerrechts.
„Es ist an der Zeit, dass die Bundesregierung den Reformstau auflöst“, sagte BDI-Präsident Dieter Kempf. „Sonst droht der Investitionsstandort Deutschland den Anschluss zu verlieren. Die Corona-Pandemie schwächt die Wirtschaft. Gerade jetzt brauchen unsere Unternehmen international wettbewerbsfähige Unternehmensteuern“, unterstrich Kempf.
„Die Steuerstruktur ist völlig veraltet und mit anderen Ländern kaum noch kompatibel“, kritisierte der BDI-Präsident. Die Gewerbesteuer sei an vielen Stellen ein Störfaktor. Das Außensteuergesetz stamme aus den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts und sei nicht mehr zeitgemäß. Gleichzeitig erhöht sich Kempf zufolge der staatlich verordnete Dokumentations- und Bürokratieaufwand der Unternehmen ständig. „Von einer Digitalisierung im Steuerrecht und cooperative compliance, wie sie sich beispielsweise in den Niederlanden bereits bewährt haben, sind wir noch meilenweit entfernt.“
Die steuerpolitische Forderung „Starke Schultern müssen mehr tragen als schwache“ sei in Deutschland längst erfüllt. So kamen nach Berechnungen des Bundesministeriums der Finanzen im Jahr 2019 die oberen zehn Prozent der Einkommensteuerzahler für fast 55 Prozent des Gesamtaufkommens der Lohn- und Einkommensteuer auf. Vor diesem Hintergrund bestehe kein Raum für Steuererhöhungsdebatten.
Auch für VCI-Präsident Christian Kullmann ist entschlossenes Handeln in der Steuerpolitik unverzichtbar: „Die Krise verstärkt die gravierenden Wettbewerbsnachteile des verkrusteten deutschen Steuerrechts: Die effektive Steuerbelastung der Unternehmen ist zu hoch. Die Investitionsanreize in Zukunftstechnologien sind im internationalen Standortvergleich unzureichend.“
Zudem bestehen laut Kullmann zahlreiche steuerpolitische Hemmnisse für die Stammhäuser in Deutschland: Unternehmen mit einer Zentrale in Deutschland haben im Vergleich mit europäischen Wettbewerbern etwa aus den Niederlanden, Belgien oder der Schweiz steuerliche Nachteile. Ein Stammhaus hält die Beteiligungen an nachgeordneten Gesellschaften innerhalb einer Konzernfamilie. Diese Funktion erfordere, dass es organisatorische und finanzielle Aufgaben übernimmt. Innerhalb dieses Rechtskreises könne so vorhandene Liquidität einer rechtlichen Einheit für eine andere genutzt werden, ohne Darlehen von Banken aufnehmen zu müssen. Werde das Stammhaus durch steuerliche Regelungen an der Ausübung seiner Funktionen gehindert, ergebe sich dadurch ein massiver Standortnachteil.
„Um die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen langfristig zu stärken, muss die Bundesregierung die richtigen Weichen stellen und endlich ein wettbewerbsfähiges, einfaches und krisenfestes Unternehmensteuerrecht frei von Innovationshemmnissen schaffen“, sagte der VCI-Präsident. „Deutschland braucht ein Steuerrecht, das die Unternehmen nicht überfordert und im Wettbewerb nicht schlechter stellt als im OECD-Vergleich.“
Notwendig ist demnach eine international wettbewerbsfähige effektive Gesamtbelastung von 25 Prozent, eine einheitliche Unternehmensteuer und strukturelle Modernisierungen, damit Zukunftsinvestitionen, Innovationen und Wachstum in Deutschland endlich Vorrang haben. Kullmann: „Deshalb müssen Corona-Verluste gänzlich berücksichtigt, die Forschungszulage weiterentwickelt, Wagniskapitalbedingungen verbessert und Investitionen in digitale Innovationsgüter gefördert werden.“