Neue Lösungen für nachhaltige Lieferketten
Gemeinsam mit seinem globalen Lieferantennetzwerk strebt das Technologie- und Dienstleistungsunternehmen eine hohe Nachhaltigkeit in den Lieferketten an. In enger Zusammenarbeit mit seinen rund 24 000 Lieferanten will die Bosch-Gruppe bis 2030 den CO2-Ausstoß im so genannten Scope 3 um 15 Prozent gegenüber 2018 reduzieren. Insbesondere im Transportmanagement setzt Bosch auch auf Vermeidung und Optimierung von Fahrten und Verkehrsmitteln. Vor allem gehört dazu aber auch die Förderung des Einsatzes alternativer Antriebe und Kraftstoffe bei seinen Logistikdienstleistern. Ein Beispiel dafür ist der Einsatz von erneuerbarem Kraftstoff bei ausgewählten Routen im Werk-zu-Werk Verkehr. Seit April 2022 werden ausgewählte Routen nicht mehr mit Diesel-Treibstoff, sondern mit dem erneuerbaren Kraftstoff HVO100 (Hydrotreated Vegetable Oils) gefahren. Laut Herstellerangaben sinken die CO2- Emissionen in der Betrachtung von der Quelle bis zum Rad dabei um 90 Prozent.
Herr Knorr, Sie verantworten bei Bosch den Einkauf von Transportdienstleistungen weltweit für den Bereich Overland Kurier, Express, Parcel (KEP). Klimaschutz wird häufig mit damit einhergehenden CO2 Vermeidungskosten in Verbindung gesetzt. Steht der Einsatz von Klimakraftstoffen nicht im Widerspruch zu den üblichen Einkaufszielen, die Kosten zu senken?
Wir bei Bosch sind überzeugt – Klimaschutz rechnet sich für die Gesellschaft und die Wirtschaft. Nichts zu tun, ist keine Lösung. Als Unternehmen haben wir zudem nicht nur den Anspruch, mit Produkten und Dienstleistungen die Lebensqualität der Menschen zu verbessern, sondern auch natürliche Ressourcen zu schonen. Das Supply Chain Management bei Bosch liefert dazu einen wichtigen Beitrag. Einkauf und Logistik arbeiten weltweit an wettbewerbsfähigen und nachhaltigen Lieferketten, die dafür ein hohes Maß an Produktqualität, sozialen Standards und Klimaschutz hervorbringen sollen. Wir setzen auf nachhaltige Mobilität – auch bei unseren Transportdienstleistern. Gerade weil es auch um wettbewerbsfähige Preise geht, testen wir im Projekt HVO100 eine Lösung, die sich unmittelbar einsetzen lässt. Unsere Speditionen ersetzen fossilen Dieselkraftstoff durch eine klimafreundlichere Lösung: Der aus mindestens 92 Prozent Rest- und Abfallstoffen erneuerbaren Ursprungs hergestellte Dieselkraftstoff HVO100.
Genau diese Wirtschaftlichkeit ist doch der springende Punkt. Sparen Sie in diesem Projekt oder zahlen Sie ein Premium für Ihre Klima-Lösung?
Diese Frage stellt sich für Bosch im ersten Schritt so nicht, denn wir selbst betreiben zum Beispiel keinen eigenen Fuhrpark, sondern arbeiten weltweit mit Transportdienstleistern zusammen – etwa für den Werk-zu-Werk-Verkehr. Uns geht es bei dem Projekt zunächst darum, mehr Bewusstsein für bereits vorhandene Lösungen zu schaffen und andere Unternehmen oder Speditionen zu motivieren, Praxiserfahrung zu sammeln. Neben dem Projekt beschäftigen wir uns auch mit Batterie-elektrischen und Brennstoffzellen-betriebenen Lösungen. Heute wollen wir aber auf die bereits verfügbaren und sofort einsetzbaren Lösungen aufmerksam machen. Das genannte Pilotprojekt basiert auf einer langjährigen Zusammenarbeit mit einem Partner bei der Entwicklung bestandskompatibler Klimakraftstoffe und konnte in diesem Jahr sofort umgesetzt werden. Dadurch stand schnell ein Kraftstoffprodukt zur Verfügung, das ohne Anpassungen an den Fahrzeugen der beteiligten Spediteure eingesetzt werden konnte. Keiner der Beteiligten musste im Vorfeld Investitionen tätigen – ein klarer wirtschaftlicher Pluspunkt für die HVO100-Lösung. Natürlich zeigt unser Pilotprojekt ebenso, welche Preisbestandteile nicht vom Markt, sondern durch traditionelle Besteuerung gestaltet werden.
Das ist spannend. Sie sagen Klimakraftstoffe wie ein HVO100 könnten nicht nur gut fürs Klima sein, sondern auch einen wirtschaftlichen Vorteil bringen?
Klimaschutz rechnet sich auch in diesem Fall, weil erneuerbare Energien Transportdienstleister und ihre Kunden unabhängiger von den enormen Preissteigerungen bei fossilen Energien werden lassen. Denn auf der Angebotsseite stecken wir in großer Abhängigkeit von den Produktionsmengen, die durch OPEC+ festgelegt werden. Diese Unsicherheit ist schon in den Lieferverträgen für Logistikdienstleistungen eingepreist. Würden diese Kraftstoffe künftig aber nicht weiter wie bisher fossile Kraftstoffe besteuert, könnten erneuerbare Alternativen wettbewerbsfähiger werden. Für die geleistete CO2 Reduktion bei Einsatz von Batterie- und Brennstoffzellenfahrzeugen gibt es längst Maut-Befreiungen. Wenn innovative Kraftstoffprodukte mit vergleichbarer Wirkung wie HVO100 ebenso gefördert würden, erreichen wir einen wichtigen Beitrag zu einer wirkungsvollen Klimapolitik.
Wie geht es denn nun nach dieser Pilotphase weiter? Was sind Ihre nächsten Schritte?
Zunächst wollen wir die Erkenntnisse der Projektphase weiter auswerten und prüfen, wie wir diese in künftige Ausschreibungen und Vergaben mit einfließen lassen. Bereits heute ist die CO2-Emission ein Vergabekriterium gegenüber unseren Lieferanten und gewinnt weiter an Bedeutung. Im weiteren Schritt wollen wir das Projekt auf andere Länder ausweiten. Hier wird sich zeigen, wie unterschiedliche nationale und regionale Regularien den Praxiseinsatz ermöglichen, fördern oder einschränken. Für unseren europäischen Fertigungsverbund ist es zum Beispiel wichtig, auch unter verschärften Klimaschutzanstrengungen die Wettbewerbsvorteile einzelner Standorte zu wahren. Durch die Ausweitung des HVO100 -Pilotprojektes auf weitere EU-Staaten wollen wir zudem Erkenntnisse gewinnen, mit denen wir auch konstruktive Impulse für die politische Gestaltung eines klimafreundlichen Binnenmarktes liefern können.