New Space Revolution – Die Zukunft der Raumfahrt gehört den Visionären
Geschichtlich gesehen war die goldene Ära der Raumfahrt in den 1960er Jahren. 1957 wurde mit „Sputnik“ der erste künstliche Satellit in den Orbit geschossen, 1969 gelang die erste Mondlandung eines Menschen. Der Kalte Krieg war zwar für die Welt eine sehr gefährliche Zeit, er hat aber den Raumfahrt-Ambitionen der USA und der damaligen Sowjetunion einen richtigen Antrieb verliehen. Damals haben viele geglaubt, dass wir im Jahr 2000 in Siedlungen auf anderen Planeten leben werden. Doch so weit sind wir bis heute noch nicht gekommen, denn die Erkundung des Weltraums ist aufwändig, sie erfordert neue Technologien und Investitionen.
Raumfahrt ist technologie- und kostenintensiv
In meiner Zusammenarbeit und bei meinen Gesprächen mit führenden Wissenschaftlern und Astronauten höre ich ständig die gleichen Beschwerden (vor allem von meinen amerikanischen Freunden): Hätten wir in den 1970ern nicht aufgegeben, dann wären wir heute viel weiter. Damit ist meist das abrupte Ende des US-Raumfahrtprogramms „Apollo“ gemeint, welches im Dezember 1972 nach Apollo 17 eingestellt wurde. Das Projekt hat über 25 Milliarden US-Dollar gekostet, doch das Interesse der meisten Menschen nahm bereits nach der erfolgreichen Mondlandung der Apollo 11 rasant ab. US-Präsident Richard Nixon wollte das Programm schon nach Apollo 15 beenden. Das größte Problem: Die Raumfahrt wurde durch Steuergelder finanziert. Politiker wollen gewählt werden und tun meist das, was das Volk will – und das US-amerikanische Volk wollte Apollo nicht mehr.
Nach 1972 sind viele Nationen in die Raumfahrt mit eingestiegen und aus einem Wettkampf wurde ein Miteinander. Wir haben viele große Momente feiern können, der größte Post-Apollo-Triumph ist für mich die Internationale Raumstation (ISS). Dass Raumfahrtprojekte und -missionen aber ausschließlich vom Willen öffentlicher Institutionen, also Staaten und großer Raumfahrtagenturen, abhängen, sollte sich ändern. Immer mehr private Anbieter und kommerzielle Geschäftsmodelle treiben insbesondere in den letzten Jahren Technologieentwicklungen an. Im „New Space“ sammeln sich Startups und etablierte Unternehmen und entwickeln Anwendungen für die kommerzielle Weltraumnutzung, im Bereich digitale Informationstechnologien, Datenverarbeitung, Satellitentechnik, Start- und Trägersysteme oder Weltraumtourismus.
Von New Space zur New Space Revolution
Der Begriff „New Space“ stammt ursprünglich aus den 1980er Jahren und wurde von Organisationen wie der Space Frontier Foundation in den USA benutzt. Vor allem junge Ingenieure und Geschäftsleute mit einer Leidenschaft für Raumfahrt wollten weg von einer bürokratiegesteuerten Denkweise. Sie wollten das Universum lieber der Privatwirtschaft überlassen. Getrieben von Träumen und dem großen Geld, statt von Bürokratie und gegenseitiger Vernichtung. Anfangs handelte es sich um eine recht kleine Gruppe von Vordenkern. Sie wirkten auf viele gar skurril. Sie erlebten Apollo noch als Kinder und waren oft große Fans von den Star-Wars-Filmen. Obwohl sie es schafften, einige Menschen von ihren Ideen zu überzeugen, schien es meist unmöglich, Regierungen mit zu reißen. Denn die Raumfahrt wurde vor allem durch den kalten Krieg und den militärischen Wettbewerb angetrieben.
Als die luxemburgische Regierung beispielsweise Mitte der 1980er Jahre half, SES – die erste private europäische Satellitenfirma – zu gründen, hatten einige europäische Länder starkes Bedenken geäußert. Es gab auch schon damals einige Unternehmen, die in der Raumfahrt-Industrie aktiv waren. In den USA war Grumman (später zu Northrop Grumman geworden) schon zu Apollo-Zeiten tätig und wurde mit der Entwicklung der Apollo-Mondlandefähre („Apollo Lunar Module“) beauftragt. Die Bremer Technologiegruppe OHB entwickelte bereits in den 1980ern raumfahrttaugliche Zentrifugen für das Raumlabor „Spacelab“. Aber die meisten Weltraum-Projekte wurden von Regierungen finanziert. Es vergingen fast zwei Jahrzehnte bis es einen echten Durchbruch gab. Das größte Problem war sicherlich die Finanzierung und der schwere Einstieg in diese Branche. Jeder Aspekt von Raum- und Luftfahrt ist riskant und es kostet schnell viele Millionen, um ein Programm überhaupt durch die ersten Phasen zu bringen.
Erst Anfang der 2000er kam dem „New Space“ wieder eine große Bedeutung zu – vor allem dank Unternehmen wie SpaceX und der Hilfe der US-Regierung als Kooperationspartner. SpaceX schaffte es, die gesamte Industrie auf den Kopf zu stellen und die Preise in der Raumfahrt deutlich zu senken. Vor allem wenn es um den wohl teuersten Aspekt geht, den Raketenstart. Dies hat dazu geführt, dass es heutzutage deutlich mehr Unternehmen gibt, die mit relativ geringem Kapital in der Lage sind, kleine sogenannte „Cube Sats“ oder auch „Nano Sats“ in den Weltraum zu schicken. Sogar Universitäten und kleinere Startups können mit relativ wenig Kapital eine Weltraummission starten. So entstand binnen kürzester Zeit eine ganz neue Weltraum-Industrie. Man kann diesen Boom auch als „New Space Revolution“ beschreiben. Dies war schon länger der Traum von vielen, wurde aber erst durch SpaceX und die US-amerikanische Regierung möglich gemacht.
Innovationen brauchen Visionen und Vertrauen
Als der US-Entrepreneur Elon Musk die verrückte Idee hatte, SpaceX zu gründen – heute vor allem ein Weltraumtransporteur für Kunden wie NASA, aber auch für viele kleine Unternehmen und Regierungen – gab es nur sehr wenige und extrem teure Möglichkeiten, Raketen zu starten. Musk wollte eigentlich „nur“ eine Kolonie auf dem Mars errichten, aber als er begriff, wie überteuert es war, Raketen zu kaufen und zu starten, entschloss er den etablierten Marktführern wie United Launch Alliance den Kampf anzusagen. Aus einer verrückten Idee Mars zu besiedeln, wurde so Anfang der 2000er der New-Space-Sektor neugeboren.
Ein guter Bekannter von mir war in seiner damaligen Position für einen großen Teil des Weltraum-Budgets des US-Militärs verantwortlich. Er wurde damals von Elon Musk überzeugt, SpaceX einen Auftrag zu geben. Zwar waren die ersten Jahre schwer – die zweistufige Trägerrakete Falcon 1 hatte viele Probleme und abgebrochene Starts – aber Musk schaffte es, die Barrieren für den Einstieg in die Industrie für viele Unternehmen deutlich zu senken. Bis heute ist die US-Regierung der wichtigste Kunde von SpaceX. Dieser Moment ist in meinen Augen sehr wichtig. Denn ohne das Wohlwollen der US-Regierung hätte SpaceX nie eine Chance gehabt. Zwar war Musks Hauptargument schon damals sehr überzeugend: Raketenstarts sollten nur noch einen Bruchteil von dem kosten, was die Konkurrenz damals anbot. Allerdings brauchte er auch jede Menge Wohlwollen der Regierung, die einem unerfahrenen Internet-Milliardär große militärische Aufträge anvertraute.
Genau hier ist das große Problem unserer heutigen Zeit. Uns fehlt oft die Vision und uns fehlt das Vertrauen, diese Vision auch umsetzen zu können. Wir geben zu schnell auf, wenn wir überhaupt bereit sind an verrückte, aber eben auch revolutionäre Ideen zu glauben. Wie kann es sein, dass ein Land wie Deutschland, welches weltweit immer noch als „Innovation Hub“ angesehen wird, Ländern wie Luxemburg hinterherlaufen? Länder, die viel kleiner sind. Ist es der politische Wille, der fehlt? Ist es die Vision, die fehlt?
Dazu kommen veraltete Gesetze, die wir seit den 1960er Jahren kaum verändert haben. Nur einzelne Länder haben es gewagt, „New Space“-fördernde Gesetze zu verabschieden. In den USA und Luxemburg wird zum Beispiel „Asteroid Mining“, der Asteroidenbergbau im Weltraum, erlaubt. Doch reicht es nicht aus, dass ein paar Länder solch zukunftsorientierte Gesetzte verabschieden, wenn der Rest der Welt nicht mit machen will. Hier könnte Deutschland eine ganz entscheidende Rolle spielen. Aber derzeit gibt es hierzulande lediglich ein Satellitendatensicherheitsgesetz, das dafür sorgen soll, dass Daten von deutschen Satelliten nicht die Sicherheit gefährden.
Technologien mit Potential für Weltraumbergbau
Asteroidenbergbau ist ein wirklich interessantes Thema und wird in Zukunft eine entscheidende Rolle für die Menschheit spielen. Denn es ist extrem schwer und teuer, Rohstoffe von der Erde in den Weltraum zu transportieren. Mittlerweile ist bewiesen, dass unser Sonnensystem voller rohstoffreicher Asteroiden ist. Wenn wir technologisch in der Lage sind, diese Rohstoffe abzubauen, dann haben wir eine echte Möglichkeit zur intergalaktischen Spezies zu werden. Sollten wir also vorhaben, eine Raumstation oder Kolonie auf einem anderen Planeten wie unserem Mond zu errichten, dann sollten wir versuchen, die notwendigen Rohstoffe lokal zu beziehen. NASA und einige Startups sind bereits dabei, 3D-Technologien zu entwickeln, die dann aus den Materialien ganze Siedlungen „drucken“ werden. Wollen wir das? Ist dies auch ethisch vertretbar? Darüber kann man streiten, jedoch steckt in den meisten von uns ein Abenteurer oder eine Abenteurerin – und die uns bekannten Horizonte reichen für viele von uns schon lange nicht mehr.
Ich arbeite jetzt seit ein paar Jahren in Luxemburg. Als der Wirtschaftsminister Etienne Schneider im Februar 2016 die Spaceresources.lu-Initiative ins Leben rief, waren ich und meine Mitbegründer vom Asteroiden-Tag sehr angetan. Seine Vision war es, innerhalb kurzer Zeit Luxemburg zum zentralen Hub für den New-Space-Sektor zu machen. Die Regierung begeisterte junge und dynamische Startups wie iSpace und Spire, sich in Luxemburg groß aufzustellen. Vor allem das japanische Startup iSpace wird wahrscheinlich eine wichtige Rolle spielen, wenn wir eine Kolonie oder Station auf dem Mond errichten werden. Die luxemburgische Regierung brachte binnen kürzester Zeit das „Asteroid Mining“-Gesetz durch und die New-Space-Industrie boomt seitdem im Land: Allein 20 Firmen haben sich seither angesiedelt, die sich auf die Erforschung und Entwicklung von Weltraumbergbau-Technologien spezialisieren. Jedoch hat für viele die Regierung ein wenig zu früh in den Weltraumbergbau investiert. Denn den zwei führenden Unternehmen – Planetary Resources und Deep Space Industries – sind vor kurzem das Geld ausgegangen. Wir sind momentan technologisch einfach noch nicht da, wo wir sein müssen, um Asteroidenbergbau betreiben zu können. Dennoch haben sich in meinen Augen die Investments gelohnt, denn es hat der gesamten Branche Auftrieb gegeben und Luxemburg zu einem echten Pionier gemacht.
Wir werden in den nächsten Jahren einen großen Boom auf allen Ebenen in der New-Space-Branche erleben. Doch bevor es den echten Boom geben kann, müssen wir die weltweiten Gesetze unserer Zeit anpassen. In Deutschland müssen wir anfangen, Geld in die Digitalisierung zu investieren. Wir müssen es den Menschen ermöglichen, nicht nur zu träumen, sondern vor allem zu machen. Viele träumen bereits von Kolonien auf anderen Planeten und einem Wochenend-Ticket zum Mond, doch momentan ist schwer absehbar, wer als Erstes die Technologien der Zukunft entwickelt. Viele große Erfindungen verdanken wir dem Weltraum, wie das GPS, welches vom US-Militär entwickelt wurde. Wieso haben wir in Deutschland aufgehört, an das Unmögliche zu glauben? Noch ist es nicht zu spät, aber wenn wir nicht bald die Wende einleiten, dann wird uns kaum noch jemand ernst nehmen.
Über den Autor
Der Hamburger Filmemacher Grigorij Richters hat gemeinsam mit Stephen Hawking, Brian May, B612-Präsidentin Danica Remy und Apollo-9-Astronaut Rusty Schweickart den „Asteroid Day“ gegründet, der seit 2015 jedes Jahr am 30. Juni stattfindet. Seit 2016 ist dieser auch ein offizieller Tag der Vereinten Nationen.