NewSpace: Türöffner für ein neues Industriezeitalter
Der BDI forderte auf seinem Weltraumkongress am 18. Oktober 2023 mehr Ambitionen in der deutschen Raumfahrtpolitik. „In fast allen Industriezweigen wird NewSpace wesentlich zum Aufbau der Infrastruktur für Konnektivität, Daten und KI beitragen. Gerade für die deutsche Industrie werden Satellitendaten unabdingbar, für autonomes Fahren genauso wie für Smart Farming oder für Anwendungen innerhalb von Industrie 4.0“, sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm. Dies wird auch im aktuellen NewSpace Report von Roland Berger und BDI deutlich, der im Rahmen des Kongresses vorgestellt wurde. „Genau richtig also, dass im Frühjahr 2024 zum ersten Mal eine Rakete von Deutschland ins All starten soll. Es macht mich stolz, dass wir mit unserer BDI-NewSpace-Initiative an diesem ehrgeizigen Projekt maßgeblich mitwirken“, betonte Russwurm.
Dank etablierter Unternehmen, mutiger Gründer und privater Investoren sei in Deutschland in den vergangenen Jahren ein in Europa führendes Ökosystem entstanden. Die Industrienationen USA und auch China investierten allerdings ein Vielfaches in NewSpace. Der Abstand zwischen Deutschland und Europa auf der einen und den USA, China und zunehmend auch Indien auf der anderen Seite wird daher stetig größer. „Wir müssen in Deutschland aufpassen, Fehler der Vergangenheit bei anderen Zukunftstechnologien, etwa bei der Chip-Produktion, nicht zu wiederholen. Die Konsequenzen und Kosten belasten uns bis heute. Es droht im Weltraum eine erneute Abhängigkeit von ausländischen Staaten und Tech-Unternehmen. Die Zeit zum Handeln ist deshalb jetzt“ forderte der BDI-Präsident.
Bei NewSpace geht es nicht um spleenige Milliardäre und die Kolonisierung des Mars, sondern um essenzielle Dienste für die Erde. „Raumfahrt ist kein Selbstzweck. Wer im All nicht vorne mit dabei ist, wird auf der Erde kein Technologieführer sein“, so Russwurm weiter. „Wir brauchen eine völlig neue Sichtweise auf das Thema.“
Zugang zum All ist Eintrittskarte für Souveränität
Zentral ist ein souveräner europäischer Zugang zum Weltall. „Europa hat nach dem notwendigen Ende der Zusammenarbeit mit Russland temporär seinen Zugang verloren. Bei einem Angriff auf unsere kritische Infrastruktur im All könnten wir momentan nicht reagieren. Wir brauchen beim Zugang ins All, wie in vielen anderen Bereichen auch, mehr Resilienz. Dazu tragen neben etablierten Raketen auch die deutschen NewSpace-Launcher und die mobile Startplattform in der Nordsee bei“, erklärte der BDI-Präsident.
Bund, Länder und Kommunen nutzen die Möglichkeiten von Raumfahrtdiensten bisher nicht ausreichend aus, sei es im Katastrophenschutz, bei der Behördenkommunikation, bei der Nutzung des Sicherheitssignals von Galileo, bei der Überwachung von Schiffs- und Luftverkehr, bei dem Aufbau von Smart Cities, der Waldbranderkennung aus dem All oder im Umweltschutz. „Um das gesamte Potenzial von Raumfahrtanwendungen auszuschöpfen, sollte unter Federführung der Bundesregierung eine gesamtstaatliche Nutzungsstrategie formuliert werden“, empfahl Russwurm.
Deutsche Raumfahrtpolitik braucht mehr Ambitionen
Die deutsche Raumfahrtpolitik braucht deshalb größere Ambitionen. „Europa war einst der Kontinent der Entdecker. Wir sollten es wieder werden“, sagte Siegfried Russwurm. Das amerikanische Apollo-Programm hat maßgeblich zur Entstehung des Silicon Valley und der technologischen Vorreiterrolle der USA beigetragen. Der Anspruch als Europäer sollte deshalb sein, dass europäische Astronauten mit europäischen Raumschiffen ins All fliegen, um Innovationen in der Breite zu befördern, strategisch relevant zu bleiben und nicht zuletzt, um junge Menschen für neue Technologien zu begeistern. „Als europäische Führungsnation in der astronautischen Raumfahrt kommt es dabei besonders auf Deutschland an. Wenn wir wollen, schaffen wir das nicht nur, wir können es auch!“
Eine weitere Stellschraube sah Russwurm bei den staatlichen Förderprogrammen: „Wir müssen die staatlichen Mittel effektiver einsetzen und gleichzeitig Investitionen erhöhen. Notwendig ist ein Systemwechsel in der Raumfahrt nach amerikanischem Vorbild, bei dem der Staat primär als Ankerkunde auftritt.“
Wie NewSpace ein neues Industriezeitalter in Deutschland einläuten kann, diskutierten mehr als 800 Gäste aus Wirtschaft, Politik, Zivilgesellschaft und Forschung beim Weltraumkongress in Berlin. Dabei waren unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundesdigitalminister Volker Wissing, ESA-Astronaut Matthias Maurer und weitere NewSpace-Pioniere aus Wirtschaft und Politik.