Nicht das Vergaberecht ändern, sondern die Vergabepraxis!
Der BDI hat sich mit einer Stellungnahme an der Konsultation beteiligt und 21 Fragen zu fünf Aktionsfeldern beantwortet. Dabei ging es u. a. um die Stärkung der umwelt- und klimafreundlichen sowie der sozial-nachhaltigen Beschaffung, die Digitalisierung des Beschaffungswesens, die Vereinfachung und Beschleunigung von Vergabeverfahren und die Förderung von Mittelstand, Start-Ups und Innovationen. Fazit: Rechtliche Änderungen sind grundsätzlich nicht nötig, weil bereits der bestehende Rechtsrahmen die Zielerreichung ermöglicht. Was fehlt, ist die Kenntnis der rechtlichen Möglichkeiten, der Gestaltungswille und genügend personelle und technische Ressourcen in der Praxis.
Stärkung der umwelt- und klimafreundlichen Beschaffung
Der BDI unterstützt die Förderung einer nachhaltigen öffentlichen Beschaffung durch eine stärkere Berücksichtigung auftragsbezogener Umweltaspekte. Ressourcenschonung ist ein wichtiges Ziel und kann für Unternehmen auch international ein Wettbewerbsvorteil sein. Dafür ist die Aus- und Fortbildung von Personal, das für die öffentliche Beschaffung zuständig ist, für eine stärker nachhaltige öffentliche Beschaffung essenziell.
Stärkung der sozialnachhaltigen Beschaffung
Soziale Aspekte im Vergaberecht sollten mit Augenmaß verwendet werden. Die Berücksichtigung dieser Aspekte muss weiterhin im Ermessen der Auftraggeber bleiben und darf nicht zwingend vorgeschrieben werden. Sonst droht eine Überforderung von Auftraggebern und Auftragnehmern. Es darf zudem kein Sonderrechtsregime „Vergaberecht“ geben, in dem höhere soziale Anforderungen gelten als bei privaten Aufträgen, weil sich andernfalls Unternehmen nicht mehr an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen und damit der Wettbewerb beeinträchtigt wird.
Digitalisierung
Die elektronische Vergabe muss bundesweit vereinheitlicht und vorangetrieben sowie durchgehend vom Anfang bis zum Ende eines Vergabeverfahrens abgebildet werden. Unterschiedliche Plattformlösungen von Bund, Ländern und Kommunen erschweren bundesweit anbietenden Unternehmen die Beteiligung an öffentlichen Aufträgen. Wichtig wäre zudem, die Digitalisierung im Ober- und Unterschwellenbereich einheitlich und von vornherein mitzudenken und zu planen. Leider wurde diese Möglichkeit bei „eForms“ nicht genutzt. Einheitliche und verbindliche Vorgaben zur Digitalisierung wären zugleich ein effektiver Beitrag zur Beschleunigung öffentlicher Beschaffungen und würde korruptionspräventiv wirken.
Beschleunigung
Die deutsche Industrie unterstützt generell die Bundesregierung darin, staatliche Verfahren zu beschleunigen. Es gibt jedoch weitaus wirksamere Hebel zur Verfahrensbeschleunigung als Eingriffe in das geltende Vergaberecht. Denn das Vergaberecht und der effektive Rechtsschutz im Oberschwellenbereich sorgen für diskriminierungs- und korruptionsfreie Beschaffungen im Wettbewerb. Die Durchführung von Vergabeverfahren hat zudem nur einen geringen zeitlichen Anteil am gesamten Beschaffungsprozess. Demzufolge ist auch das zeitliche Einsparpotenzial im Vergabeverfahren selbst minimal. Stattdessen sollten die dem Vergabeverfahren vorgelagerten Prozesse, wie Bedarfsermittlung, Fähigkeitsanforderungen, Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie interne Abstimmungen, in den Blick genommen und dort beschleunigende Maßnahmen ergriffen werden. Auch eine seit Jahren notwendige Professionalisierung und Digitalisierung der Vergabeverfahren ist ein wirkungsvollerer Beitrag zur Beschleunigung aller öffentlichen Beschaffungen ebenso wie eine adäquate personelle und technische Ausstattung der ausführenden Behörden. Darüber hinaus bietet bereits das geltende Vergaberecht genügend Möglichkeiten in Dringlichkeits- oder Notfällen.
Ferner enthält die Stellungnahme darüberhinausgehende Ansätze zur Optimierung des bestehenden Vergaberechts.