Mehr Freiheit und mehr Offenheit
„Fast forward“ lautet unser diesjähriges Motto. Und das ist nicht gemeint als bloße Beschreibung des Zustands der Welt um uns herum, auch wenn das durchaus auch passend wäre. Das Ostdeutsche Wirtschaftsforum steht in der Tradition des „Machens“, des „Gestaltens“. Deshalb wollen wir darüber diskutieren, wie wir Geschwindigkeit gewinnen können im Gestalten von Zukunft – Zukunft in Freiheit und Wohlstand, und - das erscheint mir mit Blick auf die Wahlen zum Europäischen Parlament, die kurz bevorstehen, besonders wichtig: Zukunft gestalten in Offenheit und Partnerschaft.
Offenheit als Wirtschaft und Gesellschaft in einem freien Europa
In Zeiten gefühlt unzähliger, gleichzeitiger Krisen braucht es klare Orientierung – und die Besinnung auf das, was uns stark und erfolgreich gemacht hat und auch weiter erfolgreich machen kann. Die Welt um uns herum ändert sich rasant und unaufhaltsam. Massiver Druck lastet auf uns, nicht zuletzt, weil das Exportland Deutschland eben massiv von den geopolitischen Verwerfungen betroffen ist.
Das verunsichert Unternehmerinnen und Unternehmer, und das verunsichert Bürgerinnen und Bürger. Das zeigt auch die Befragung im Vorfeld dieses Wirtschaftsforums. Als Folge davon steht die Politik unter nie dagewesenen Erwartungs- und Handlungsdruck.
Völlig klar ist: Die europäische Idee ist eine der zentralen Säulen unseres Erfolgs – ohne die europäische Einigung wären unser heutiger Wohlstand und ein guter Teil unserer individuellen Freiheit nicht möglich. Und sie ist wesentliche Voraussetzung für unseren künftigen Erfolg. Eine weitere Säule ist die Offenheit von Wirtschaft und Gesellschaft als Kernbestandteil unserer Demokratie – deshalb müssen wir sie schützen und immer öfter neu aufleben lassen.
Europa in der Transformation durch Offenheit und Freiheit gestalten
Das Verharren im Status Quo reicht nicht aus – das hilft nur denen, die vorgaukeln, ein Zurück ins Gestern, weniger Europa, mehr Abgrenzung und mehr Nationalstaat würde Probleme lösen und damit Wohlstand schaffen. Wir brauchen einen durchdachten Gegenentwurf zu populistischer Rückwärtsromantik. Politik und Wirtschaft müssen gemeinsam beweisen, dass der Weg nach vorn, dass Wandel durch strukturelle Reformen und mutige Entscheidungen der einzig richtige ist – und eben nicht Bedrohung.
Angesichts eines knallharten globalen Standortwettbewerbs, wachsender Systemrivalität und zunehmenden Konflikten braucht es rasch Antworten, und es braucht viel höhere Geschwindigkeit zu entscheiden und umzusetzen. Eine Schlussfolgerung, in der sich alle demokratischen Parteien einig sind: An einem europäischen, wirtschaftlich belastbaren Wachstumsplan führt kein Weg vorbei.
Es braucht nicht weniger Europa, sondern ein besseres, effizienteres und in Teilen auch realistischeres Europa. Dazu zählen zum Beispiel ein endlich vollendeter europäischer Binnenmarkt, eine Kapitalmarktunion, eine gemeinsame Energieinfrastruktur und nicht zuletzt Technologieoffenheit bei der Verfolgung von Klimaschutzzielen. Im globalen Wettbewerb, der immer öfter zum Systemwettbewerb wird, müssen wir in Europa alles daransetzen, Wachstumsfesseln zu lösen, die Regulierungsdichte abzubauen und eben auch die Freiheit von Forschung und Innovation zu stärken. Komplexität reduzieren, Offenheit stärken, muss ein wesentliches Ziel sein.
Wir müssen bereit sein für Veränderungen, um unsere Chancen voll auszuschöpfen. In Ostdeutschland ist an vielen Orten sichtbar und erlebbar, welche großen Chancen dieser Wandel bietet. Vorteilhafte Standortbedingungen, zu denen auch große verfügbare Gewerbeflächen gehören, machen milliardenschwere Investitionen möglich.
Wäre mehr drin? Ganz unbedingt: Deshalb ja das Plädoyer für ein „besseres“ Europa. „Besser“ durch weniger Bürokratie, weniger Regulierung, weniger Fixierung auf bestimmte Technologiepfade und auch durch weniger Schulmeisterei nach innen und außen. Stattdessen: Mehr Freiheit und mehr Offenheit.
Man kann es nicht oft genug betonen: Das Leitmotiv unserer erfolgreichen Wirtschaftsordnung seit 75 Jahren heißt: Freiheit in Verantwortung. Deshalb immer wieder die dringende Mahnung: Bitte weniger Detailregelungen, weniger Dokumentations- und Berichtspflichten, letztlich weniger Misstrauen, sondern mehr „Ermöglichen“. Alle, die sich diesem Leitmotiv verpflichten, sollten bei uns auf eine Willkommenskultur treffen: für Unternehmen, für Investitionen und vor allem für Menschen.
Stichwort Willkommenskultur: Es ist eine Mega-Herausforderung, genug qualifizierte Arbeitskräfte für Deutschland zu gewinnen. Anders wird das Defizit von 400.000 Arbeitskräften pro Jahr zwischen Menschen meiner Generation, die in Rente gehen, und jungen Leuten, die ins Berufsleben eintreten, nicht zu schließen sein. Der Blick auf nicht besetzte Stellen wird mindestens genauso wichtig werden wie die Arbeitslosenstatistik. Fehlende Arbeitskräfte können zu einer Bremse für die Investitionstätigkeit werden – und genau die muss deutschlandweit massiv steigen.
Offenheit für qualifizierte Arbeits- und Fachkräfte aus EU und Nicht-EU-Ausland ist deshalb mitentscheidend, ob der Wandel vor Ort gelingt – denn nur dann werden Unternehmen aus aller Welt langfristig weiter in Deutschland investieren. Die rückwärtsgewandten Ideen nationaler Bevölkerungspolitik und das Schüren von Ressentiments sichern keinen Wohlstand, sondern erzeugen großen Schaden – menschlich und materiell, für Unternehmerinnen und Unternehmer, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Rentnerinnen und Rentner – für uns alle!
Auch deshalb dürfen wir Fremdenfeindlichkeit nicht tolerieren. Nicht die Herkunft, ob Deutscher oder ausländischer Abstammung, nicht der Klang des Vor- oder Nachnamens, sondern Können, Motivation und Leistungsbereitschaft sind entscheidend, damit neue Ideen entstehen und zu Innovationen werden, die Deutschland und Europa voranbringen.
Demokratisch wählen!
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Europawahlen in einer Woche sind der nächste Zeitpunkt, Farbe zu bekennen - die Landtagswahlen im Herbst dann erneut. Deshalb muss unsere klare Botschaft sein, auch an unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Hingehen und demokratisch wählen!
Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit gelingen nur durch Offenheit und Freiheit. Der Mut, Entscheidungen zu treffen und Reformen anzupacken, muss sich durchsetzen. Der Strukturwandel um uns herum macht nicht Halt. Wir dürfen nicht immer mehr zu Getriebenen werden, sondern müssen die Ambition haben, selbst zu gestalten.
Natürlich, es gibt nicht das eine Erfolgsrezept, den einen Schalter, den wir umlegen können, damit alles in der Transformation besser läuft. Aber mein Appell für eine Grundhaltung möchte ich nochmals unterstreichen: Offenheit und Freiheit, damit Wandel gelingt und Wohlstand durch Erfindungs- und Ideenreichtum gesichert bleibt.
Für Politik und Wirtschaft heißt es: Noch viel stärker und schneller vom Reden ins Handeln kommen. Damit schließt sich der Kreis: „fast forward“ ist deshalb ein sehr treffendes Motto unseres diesjährigen Ostdeutschen Wirtschaftsforums in Bad Saarow.