Beim G20-Finanzministertreffen in Venedig wurden die Weichen für die globale Mindeststeuer gestellt. © Unsplash/Marco Cesci

Politische Grundsatzeinigung über globale Steuerrevolution steht

Die G20-Finanzminister haben Anfang Juli eine Grundsatzeinigung über eine Neuregelung der aktuellen „Weltsteuerordnung“ für Unternehmensgewinne erzielt. Nun kommt es auf die noch offenen Details an. Für die Unternehmen sind in der Umsetzung Rechtssicherheit, klare Regeln und die Vermeidung von Doppelbesteuerung entscheidend. Die EU-Kommission hat ihre Pläne für eine europäische Digitalabgabe vorerst auf Eis gelegt. Sie ist nun gefordert, endgültig von diesen Plänen abzurücken.

Die erzielte Einigung der G20-Finanzminister ist eine Zeitenwende im internationalen Steuerrecht. Seit über 100 Jahren stellt die Besteuerung von Unternehmensgewinnen auf einen physisch greifbaren Anknüpfungspunkt ab. Dieser Ansatz wird nun teilweise aufgegeben, um eine Lösung für die steuerlichen Konsequenzen der Digitalisierung der Wirtschaft zu finden.

Grundlage der Reform ist ein Zwei-Säulen-Vorschlag der OECD, zu dem sich der BDI umfassend positioniert hat. Dieser hat seit Veröffentlichung wesentliche Änderungen erfahren. Ein Statement der 139 am „Inclusive Framework on BEPS“ beteiligten Staaten von Anfang Juli 2021 skizziert wesentliche Parameter der Reform.  

Säule 1 trifft alle multinationalen Unternehmen ab einer bestimmten Größe

Unter Säule 1 soll eine teilweise Neuverteilung der Besteuerungsrechte an Unternehmensgewinnen erfolgen. Die Körperschaftsteuer soll künftig auch in den jeweiligen Marktstaaten entrichtet werden. Die ursprünglich geplante Unterscheidung zwischen digitalen und konventionellen Geschäftsmodellen wurde dabei aufgegeben. Stattdessen liegt der Fokus stärker auf quantitativen Kriterien wie Umsatz und Profitabilität. Damit sind nicht mehr nur die Digitalunternehmen betroffen. Vielmehr sollen die Regeln für fast alle multinationalen Unternehmen ab einer bestimmten Größe gelten, weitestgehend unabhängig von Branchenzugehörigkeit und Geschäftsmodell.

Um das Steueraufkommen der Marktstaaten zu stärken, sollen diesen unter „Betrag A“ Besteuerungsrechte auf 20 bis 30 Prozent des „Übergewinns“ von großen Unternehmen zuerkannt werden. Als „Übergewinn“ wird jener Gewinn definiert, der eine Gewinnmarge von 10 Prozent übersteigt. Davon sind multinationale Unternehmen betroffen, die einen weltweiten Umsatz von mehr als 20 Milliarden Euro (künftig eventuell Absenkung der Schwelle auf 10 Milliarden Euro) und eine Gewinnmarge von über 10 Prozent erzielen. Voraussetzung dafür ist, dass ein Unternehmen in dem Marktstaat einen bestimmten Mindestumsatz erwirtschaftet.

Säule 2 zielt auf globale effektive Mindestbesteuerung ab

Die globale Mindestbesteuerung unter Säule 2 wiederum soll verhindern, dass Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 750 Millionen Euro ihre Gewinne in Niedrigsteuerländer verlagern, während sie ihre Kosten in Hochsteuerländern wie Deutschland anrechnen. Dafür soll ein weltweites effektives Mindestbesteuerungsniveau von 15 Prozent für Unternehmensgewinne eingeführt werden. Sofern der effektive Steuersatz eines Tochterunternehmens in einem Staat unter 15 Prozent liegt, erfolgt eine Nachversteuerung bei der Muttergesellschaft (Income Inclusion Rule). Gleichzeitig wird mit der Undertaxed Payment Rule der Betriebsausgabenabzug bei zu niedrig besteuerten Zahlungen ins Ausland versagt. Dies gilt jedoch nur, wenn das zu niedrig besteuerte Einkommen keiner Income Inclusion Rule unterlag. Der globale Mindeststeuersatz gilt auf länderbezogener Basis. Ein Verrechnen von niedrigbesteuerten Einkünften in einem Staat mit höherbesteuerten Einkünften in einem anderen Staat ist demnach nicht zulässig.

Zahlreiche offene technische Details trotz politischer Grundsatzeinigung

Die politische Einigung darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es bis zur endgültigen Umsetzung noch ein langer Weg ist. Zahlreiche Details der im Communiqué skizzierten Lösung müssen in den kommenden Monaten erst noch ausgearbeitet werden. Der Zeitplan ist jedoch ambitioniert: Die globale Mindeststeuer soll bereits 2022 umgesetzt werden und 2023 in Kraft treten, die Vorschriften zu „Betrag A“ sollen ab 2023 Anwendung finden.

Aus Unternehmensperspektive verbleiben eine Reihe an Unklarheiten. Diese resultieren daher, dass mit der Reform seit Jahrzehnten anerkannte Grundsätze der steuerlichen Aufteilung der Gewinne von internationalen Konzernen aufgegeben werden. Grundsätzlich stellt die Abschaffung der Unterscheidung zwischen digitalen und konventionellen Unternehmen unter Säule 1 eine Vereinfachung dar. Allerdings besteht die Gefahr, dass die Zahl der betroffenen Unternehmen, die unter das neue System fallen, in Zukunft aufgrund politischer Entscheidungen ausgeweitet wird. Ebenso entscheidend sind Fragen der Rechtssicherheit, einfach zu befolgende Regeln sowie die Vermeidung von Doppelbesteuerung. Daher ist eine international abgestimmte Mustergesetzgebung essenziell. Für die EU ist davon auszugehen, dass die Umsetzung mittels zweier europäischer Richtlinien erfolgen wird.

EU-Digitalabgabe liegt vorläufig auf Eis – Die EU sollte von ihren Plänen für eine Digitalabgabe nun endgültig abrücken

Die EU-Kommission hatte ursprünglich geplant, wenige Tage nach der internationalen Einigung einen Legislativvorschlag für eine europäische Digitalabgabe vorzulegen. Diese europäische Digitalabgabe sollte ab 1. Januar 2023 als Finanzierungsquelle für den EU-Haushalt dienen und zur Rückzahlung der für den EU-Wiederaufbaufonds aufgenommenen Kredite beitragen. Die Vorlage eines solchen Gesetzesvorschlags hätte allerdings dem Geist der internationalen Einigung widersprochen. Mit der Übereinkunft soll gerade auch für die Abschaffung aller Steuern auf digitale Dienstleistungen und anderer relevanter ähnlicher Maßnahmen für alle Unternehmen gesorgt werden.

Nicht nur die Wirtschaft, auch internationale Partner wie die USA zeigten sich daher im Vorfeld besorgt über die Pläne der EU-Kommission. Diese hat schließlich nach der Einigung der G20-Finanzminister bekanntgegeben, den ursprünglich für 14. Juli 2021 angekündigten Richtlinienvorschlag vorerst auf Eis zu legen. Die Arbeiten der Kommission an einem Vorschlag für eine Digitalabgabe als eine neue Eigenmittelabgabe ruhen nun zunächst bis zum Herbst.

Aus Sicht des BDI sollte die EU-Kommission den geplanten Richtlinienvorschlag nun endgültig zurückziehen. Eine ähnliche Initiative ist bereits 2019 mangels mehrheitlicher Zustimmung der EU-Mitgliedstaaten gescheitert. Auf internationaler Ebene hat sich gezeigt, dass die digitale Wirtschaft nicht für steuerliche Zwecke eingegrenzt werden kann. Hinzu kommt, dass unilaterale Maßnahmen einem stabilen und nachhaltigen internationalen Steuersystem im Weg stehen. Sinnvoller ist es, sich hinter die internationale Einigung zu stellen. Eine europäische Digitalabgabe würde auch dem Ziel entgegenstehen, den Wirtschaftsstandort Europa im internationalen Wettbewerb zu stärken. Ohne Digitalisierung ist Europa allerdings nicht wettbewerbsfähig. Die EU sollte daher neue, digitale Technologien nicht mit einer Sondersteuer belegen, sondern gezielt fördern.