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Die Reform der Weltsteuerordnung kommt voran – EU sollte keinen Alleingang wagen

Bis Mitte 2021 wird eine internationale Einigung über eine grundlegende Neuregelung der bestehenden „Weltsteuerordnung“ für Unternehmensgewinne erwartet. Umso unverständlicher ist es, dass die EU-Kommission aktuell einen Vorschlag für eine europäische Digitalabgabe plant. Der jüngste Vorstoß der USA zeigt, dass die Bemühungen um eine globale Einigung vollumfänglich unterstützt werden und die EU von unilateralen Vorschlägen Abstand nehmen sollte.  

Auf internationaler Ebene wird seit Jahren an einer Lösung für die steuerlichen Herausforderungen der Digitalisierung der Wirtschaft gefeilt. Der 2015 verabschiedete Abschlussbericht des BEPS-Projekts (Base Erosion and Profit Shifting) stellte fest, dass angesichts der Digitalisierung der gesamten Wirtschaft die „digitale Wirtschaft“ nicht für steuerliche Zwecke isoliert werden könne. Daher hat das 2016 eingerichtete „OECD/G20 Inclusive Framework on BEPS“ begonnen, Standards zu BEPS-bezogenen Themen zu entwickeln. Die OECD ist seitens der G20-Staaten beauftragt, eine globale Konsenslösung für die steuerlichen Herausforderungen der Digitalisierung der Wirtschaft zu erarbeiten. Die ursprüngliche Frist, bis Ende 2020 zu einer Lösung zu kommen, wurde infolge der Corona-Pandemie bis Mitte 2021 verlängert.

Grundlage für die aktuellen Verhandlungen ist ein Zwei-Säulen-Vorschlag der OECD: Dieser sieht eine Neuverteilung von Besteuerungsrechten an Unternehmensgewinnen (Säule 1) und die Einführung einer effektiven globalen Mindestbesteuerung von Unternehmensgewinnen (Säule 2) vor. Der Vorschlag ist gestützt auf die Erkenntnis, dass ein „ring-fencing“ der digitalisierten Wirtschaft nicht zielführend ist. Im Oktober 2020 hat die OECD Blueprints zu beiden Säulen veröffentlicht. Sie enthalten wesentliche Konkretisierungen zur technischen Ausgestaltung beider Säulen. Seitdem sind die technischen Arbeiten, die vom BDI konstruktiv begleitet werden, weiter fortgeschritten.

Neuer Vorstoß der USA läutet heiße Phase der Verhandlungen ein

Auf politischer Ebene brachte das Jahr 2021 neuen Schwung in die Verhandlungen. Zuvor waren die Gespräche unter dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump zunächst ins Stocken geraten. Dieser hatte für die USA eine Safe-Harbor-Regelung und damit eine Optionalität für Säule 1 gefordert. Mit dem Regierungswechsel in Washington sind die USA von diesem Ansatz allerdings wieder abgerückt. Das Bekenntnis der neuen US-Regierung unter Präsident Joe Biden zu einer Kompromisslösung hat die Chancen einer internationalen Einigung im Rahmen der OECD bis Mitte 2021 somit wieder deutlich erhöht. Eine potenzielle Wende brachte das G20-Finanzministertreffen am 6. April 2021. Auf diesem haben die USA einen neuen Vorschlag präsentiert, der vorsieht, die Neuverteilung der Steuereinnahmen nach quantitativen Kriterien wie Umsatz und Profitabilität auszurichten. Im Zuge dessen sollte die Beschränkung des Anwendungsbereichs auf Automated Digital Services (ADS) und Consumer-Facing Businesses (CFB) aufgegeben werden. Vielmehr sollte auf die 100 größten und profitabelsten Konzerne – unabhängig von Branchenzugehörigkeit oder Geschäftsmodell – abgezielt werden. Unabhängig von den Folgen dieser jüngsten Entwicklungen ist bereits jetzt klar, 2021 wird entscheidend für die „Reform der Weltsteuerordnung“.

Der BDI unterstützt den jüngsten Vorstoß der USA, die Verteilung der Steuereinnahmen nach quantitativen Kriterien wie Umsatz und Profitabilität zu richten. Denn die Prüfung von qualitativen Kriterien anhand von Internet- oder Konsumentengeschäften für Unternehmen wäre mit einem hohen administrativen Aufwand verbunden.

EU sollte sich vorbehaltslos hinter internationale Lösung stellen

In einer ersten Reaktion hatte die EU-Kommission noch angekündigt, die Vorschläge genau prüfen zu wollen. Mit der Begründung, dass der jüngste US-Vorschlag „nur fünf oder sechs digitale Unternehmen“ treffen würde, stellte die EU-Kommission aber kurz danach klar, weiter an den Plänen zur Vorlage eines Vorschlags für eine europäischen Digitalabgabe festzuhalten.

Aus Sicht des BDI sollte die EU-Kommission die internationalen Entwicklungen antizipieren. Sie sollte sich eindeutig hinter eine internationale Einigung stellen, die sich fast in Reichweite befindet und von unilateralen Vorschlägen Abstand nehmen. Dies gilt umso mehr, als das Vorhaben zur Einführung einer europäischen Digitalsteuer mangels Einigkeit der EU-Mitgliedsstaaten im Frühjahr 2019 bereits einmal gescheitert ist. Infolgedessen hatte sich die EU-Kommission zunächst richtigerweise zu den Arbeiten auf OECD-Ebene bekannt und parallel zu den internationalen Verhandlungen eine mögliche Umsetzung der OECD-Vorgaben in der EU vorbereitet. Die Vorlage eigener, europäischer Initiativen zur Besteuerung der Digitalisierung der Wirtschaft wurde hingegen bis zum Sommer 2020 vor allem als Alternativmaßnahme für den Fall eines Scheiterns auf OECD-Ebene in Betracht gezogen.

Der jüngste Vorstoß der USA zur Beschränkung des Anwendungsbereichs von Pillar 1 sollte von der EU-Kommission keinesfalls zum Anlass genommen werden, die Arbeiten zur Einführung einer europäischen Digitalabgabe mit noch mehr Nachdruck voranzutreiben. Vielmehr gilt es, sich hinter eine umfassende internationale Einigung zu stellen.

EU sieht Digitalabgabe als Basis für weitere Eigenmittel

Die geplante Reform des EU-Eigenmittelsystems markierte im Jahr 2020 einen Wendepunkt in der europäischen Debatte. Im Zuge dessen hat das Konzept einer europäischen Digitalabgabe Eingang in die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 17. bis 21. Juli 2020 gefunden, die in der Erklärung des Europäischen Rats vom 25. März 2021 bestätigt wurden. Die Schlussfolgerungen sehen die Vorlage eines Legislativvorschlags für eine europäische Digitalabgabe vor. Sie soll bis spätestens 2023 als neue EU-Eigenmittelquelle zur Finanzierung des 750 Milliarden Euro schweren Wiederaufbaufonds eingeführt werden. Diesen Auftrag der Staats- und Regierungschefs nimmt die EU-Kommission zum Anlass, parallel zu den internationalen Verhandlungen die Einführung einer europäischen Digitalabgabe vorzubereiten. Dafür werden mehrere Optionen in Betracht gezogen. Unter diese Möglichkeiten fallen

  • ein zusätzlicher Aufschlag auf die Körperschaftsteuer für Unternehmen, die bestimmte digitale Aktivitäten in der EU durchführen;
  • eine Steuer auf Einkünfte, die durch bestimmte digitale Aktivitäten in der EU erzielt werden;
  • eine Steuer auf digitale B2B-Transaktionen innerhalb der EU.

Ein entsprechender Richtlinienvorschlag soll noch im ersten Halbjahr 2021 vorgelegt werden. Die EU-Kommission hat dazu jüngst eine bis April 2021 laufende öffentliche Konsultation gestartet, an der sich der BDI mit einer eigenen Stellungnahme beteiligt hat. Die deutsche Industrie bringt darin ihre Sorge zum Ausdruck, dass die europäischen Pläne dem Ziel der OECD – ein global einheitliches „level playing field“ zu schaffen – zuwiderlaufen würden. Neben einer weiteren Fragmentierung des internationalen Steuersystems droht auch die Gefahr zunehmender internationaler Handelskonflikte. Dies gilt umso mehr, als die USA in ihrem jüngsten Vorstoß auf OECD-Ebene betonen, dass sie „kein Ergebnis akzeptieren würden, das gegenüber US-Unternehmen diskriminierend“ wirke.

Aus Sicht des BDI braucht es eine globale Lösung für die Herausforderung der Besteuerung der digitalisierten Wirtschaft. Dafür ist ein internationaler Konsens nötig, der sich aktuell in Reichweite befindet. Die EU-Kommission sollte sich diesem anschließen. Entscheidend für die Unternehmen ist dabei, dass aus den neuen globalen Regeln keine Mehrfachbesteuerung von Unternehmensgewinnen resultiert und der administrative Aufwand bei der Umsetzung begrenzt wird.