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Reform des Beschlussmängelrechts soll geändert werden

Die Ampelkoalition hat angekündigt, eine Reform des Beschlussmängelrechts im Aktienrecht angehen zu wollen. Dieses Vorhaben ist begrüßenswert, denn eine Reform des Beschlussmängelrechts ist für eine moderne und attraktive Hauptversammlung unerlässlich. Die Reform sollte dabei insbesondere das Ziel haben, das erhebliche Anfechtungsrisiko bei der Auskunftserteilung in der Hauptversammlung auf ein vertretbares Maß zu reduzieren.

Die Wirtschaftsrechtliche Abteilung des 72. Deutschen Juristentags (DJT) sowie die Wissenschaftliche Vereinigung für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (VGR) hatten sich bereits vor Jahren für eine grundlegende Reform des Beschlussmängelrechts ausgesprochen.

Reform notwendig für moderne und attraktive Hauptversammlung

Aus Sicht des BDI ist eine Reform des Beschlussmängelrechts für eine moderne und attraktive Hauptversammlung unerlässlich. Die Reform sollte insbesondere zum Ziel haben, das erhebliche Anfechtungsrisiko bei der Auskunftserteilung in der Hauptversammlung auf ein vertretbares Maß zu reduzieren. Die stets geforderte offene und lebendige Debattenkultur in deutschen Hauptversammlungen ist nicht realisierbar, wenn den Unternehmen bei der Auskunftserteilung weiterhin umfängliche rechtliche Risiken auferlegt werden, insbesondere in Hinblick auf die Wirksamkeit gefasster Beschlüsse. Eine Reform des Beschlussmängelrechts sollte jedoch mit Augenmaß erfolgen. Wichtige Elemente der derzeitigen Regelung – nicht zuletzt das mehrfach reformierte Freigabeverfahren – haben sich bewährt.

Risiken bei Auskunftserteilung müssen geringer werden

Vor diesem Hintergrund setzt sich die Industrie – in Anlehnung an die Vorschläge des DJT und der VGR – für eine Reform des Beschlussmängelrechts ein und regt folgende punktuelle Änderungen des Beschlussmängelrechts an.

1. Flexible Rechtfolgen bei der Anfechtung fehlerhafter Beschlüsse

Die Anfechtung fehlerhafter Beschlüsse sollte nicht in jedem Fall zur Kassation des Beschlusses führen. Stattdessen müssen alternative Rechtsfolgen zur Verfügung stehen, die zumindest die Möglichkeit zu einer Aufhebung eines Beschlusses mit Wirkung ex nunc, die Gewährung von Schadenersatz oder die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Beschlusses umfassen.

Im Rahmen der Entscheidung über die Auswahl der jeweils angemessenen Rechtsfolge sollte das Gericht dann beurteilen, ob es tatsächlich zweckmäßig ist, den fehlerhaften Beschluss etwa für nichtig zu erklären.

Der mögliche Ausschluss der Kassationswirkung sollte hierbei nicht auf strukturverändernde Beschlüsse begrenzt sein, sondern auf alle Beschlüsse erstreckt werden. Denn zunehmend werden von Klägern Personalentscheidungen/ Aufsichtsratswahlen in das Visier genommen und nicht nur die klassischen strukturändernden Beschlüsse.

Über die Frage, ob der Beschluss bei einem Erfolg der Klage tatsächlich mit der Wirkung ex tunc oder ex nunc aufgehoben wird, sollte jedenfalls bei eintragungsbedürftigen Beschlüssen in maximal drei Monaten rechtskräftig entschieden werden, auch wenn das Verfahren im Übrigen weiter betrieben wird. 

2. Freigabeverfahren auf alle eintragungspflichtigen Beschlüsse erweitern

Das Freigabeverfahren nach § 246a AktG hat sich in der Praxis bewährt und sollte auf alle eintragungspflichtigen Beschlüsse erweitert werden – jedenfalls soweit nicht sichergestellt ist, dass bei eintragungsbedürftigen Beschlüssen anderweitig innerhalb kurzer Zeit (drei Monate) rechtskräftig über die Frage der Wirksamkeit bzw. der Aufhebung eines angefochtenen Hauptversammlungsbeschlusses entschieden wird.

3. Nichtigkeitstatbestand

Der eigenständige Nichtigkeitstatbestand des § 241 AktG sollte erhalten bleiben, aber beschränkt und präzisiert werden, wobei insbesondere Verstöße gegen gläubiger- und gemeinwohlschützende Normen weiterhin erfasst sein sollten.

4. Entschärfung der Anfechtungsrisiken wegen behaupteter Verletzung des Auskunftsrechts

Von entscheidender Bedeutung für die unternehmerische Praxis ist die Ausgestaltung des Anfechtungsrechts bei Auskunftsfehlern. So kann ein Hauptversammlungsbeschluss wegen „unrichtiger, unvollständiger oder verweigerter Erteilung von Informationen“ angefochten werden, wenn „ein objektiv urteilender Aktionär die Erteilung der Information als wesentliche Voraussetzung für die sachgerechte Wahrnehmung seiner Teilnahme- und Mitgliedschaftsrechte angesehen hätte“.

Diese Regelung bedarf aus Sicht des BDI einer zusätzlichen und leichter messbaren Konkretisierung, damit nicht jeder Aktionär auch mit nur einer Aktie ein Klageverfahren in Gang setzen kann. In Betracht kommen hierzu ein Mindestquorum als Relevanzfilter sowie eine Verhältnismäßigkeitsprüfung. 

5. Schadensersatz bei Klagemissbrauch

Um das Risiko missbräuchlicher Anfechtungsklagen einzudämmen und „räuberische Aktionäre“ abzuschrecken, kann auch darüber nachgedacht werden, eine gesetzliche Schadensersatzpflicht einzuführen. Kläger sollten danach der Gesellschaft gegenüber verantwortlich sein, wenn diese vorsätzlich oder grob fahrlässig unbegründete Anfechtungsklagen erhoben haben.

Zur Sicherung möglicher Ersatzansprüche sollte das Gericht dabei berechtigt sein, bereits im Vorfeld von klagenden Aktionären eine Sicherheitsleistung zu verlangen.

Beschlussmängelrecht | Kerstin Lappe im Gespräch mit Thorsten Lieb MdB

Rechtspolitiker der Regierungskoalition hatten im Zuge der virtuellen Hauptversammlung angekündigt, eine Reform des Beschlussmängelrechts im Aktienrecht angehen zu wollen. Im Gespräch am 08. November 2023 stellt Thorsten Lieb MdB die aktuellen Pläne der FDP-Fraktion zur Reform des Beschlussmängelrechts vor.